Glenns Gedanken: Witzig, witzig, heute haben wir gelacht…

… denn wir sind bei «Inas Nacht». Gedanken zur etwas anderen Late-Night-Show mit Ina Müller.

Late-Night-Shows gab es in Deutschland schon viele, doch die NDR-Sendung «Inas Nacht» ist etwas ganz Besonderes. Sie hebt sich von herkömmlichen Formaten dieses Genres deutlich ab und besticht durch ihre einzigartige Atmosphäre. Im Juli 2007 startete der NDR eine Pilotfolge im späten Nachtprogramm, die beim Publikum so gut ankam, dass noch im selben Jahr weitere Ausgaben produziert wurden. Im darauffolgenden Jahr entwickelte sich Ina Müllers Kneipenshow zu einem regelrechten Quotenhit des Regionalsenders, so dass 2009 auch das Erste Interesse an dem unkonventionellen Format bekundete und fortan Wiederholungen und seit 2010 sogar Erstausstrahlungen zeigt. Ina Müllers Bekanntheitsgrad wuchs stetig an und inzwischen hat ihre Show bundesweit treue Fans.

Doch was ist das Faszinierende an der Sendung? Warum gucken so viele Menschen bereitwillig zu, wie sich Prominente in einer urig-kleinen Hafenkneipe zum "Singen, Saufen und Sabbeln" treffen? Die Antwort ist so banal wie einleuchtend: Die Show vermittelt auf unglaublich authentische Weise ein Gute-Laune-Gefühl. Die nordische Frohnatur Ina Müller transportiert das Kneipenfeeling aus dem Hamburger "Schellfischposten" in die Wohnzimmer der Zuschauer. Die Kneipe fasst gerade mal 14 Sitzplätze an zwei Tischen. Dadurch entsteht eine heimelige, ja fast schon intime Atmosphäre und man hat vor dem Fernseher das Gefühl, live mit dabei zu sein, wenn Ina mit ihren Gästen schnackt und singt. Als Zuschauer spürt man, dass Ina Müller keine bloße Moderationsmarionette ist, sondern mit Herz und Seele dabei ist. Dieses angenehme Empfinden der Geborgenheit gibt nur noch bei äußerst wenigen, handverlesenen Fernsehsendungen. Zu Recht hat die Show inzwischen vom Deutschen Comedypreis über den Deutschen Fernsehpreis bis hin zum Adolf-Grimme-Preis alle wichtigen Auszeichnungen eingeheimst.

In den Gesprächen entlockt Ina Müller ihren Gästen oft das eine oder andere Geheimnis, das sie in herkömmlichen Talkshows niemals preisgeben würden. Auch die "Bierdeckelfragen" sind fester Bestandteil der Sendung und gehören zu Ina Müllers Innovationen: Die Kneipengäste haben jedes Mal die Gelegenheit, ihre eigenen Fragen an die Gäste auf Bierdeckel zu schreiben, die Ina anschließend laut vorliest. Oft handelt es sich dabei um pikante Fragen, die selbst Ina nicht zu stellen wagen würde. Doch überraschenderweise beantworten die Promis auch diese Fragen meist bereitwillig. Der zunehmende Alkoholpegel spielt dabei eventuell eine nicht unwesentliche Rolle. Musik ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Sendung. So musiziert Ina Müller mit jedem ihrer Gäste mindestens einmal gemeinsam, darüber hinaus wird oft unbekannten, aber talentierten Bands ein Podium geboten um sich zu präsentieren. Kultig ist auch der 20-köpfige Shantychor "Tampentrekker", der aus Platzgründen bei Wind und Wetter vor der Kneipe steht und als Late-Night-Band-Ersatz nach gelungenen Pointen zu einem kurzen Ständchen einsetzt.

Es gibt Sendungen, die sind zu gut für ein breites Publikum und laufen erst spät in der Nacht; «Inas Nacht» gehört dazu. Das könnte man kritisieren, andererseits wird so verhindert, dass die Show dem schnöden Mainstream-Geschmack angepasst wird. Und wer hätte gedacht, dass die erfrischendste, anarchistischste und ungezwungenste Sendung der letzten Jahre ausgerechnet bei der alten Dame ARD läuft? Ina Müller besitzt einen einzigartigen Charme und eine unglaubliche Frische. Da verzeiht man ihr auch, dass sie ab und an über die Stränge schlägt, und ins Schrille und Zotige verfällt. Wollen wir hoffen, dass uns dieses Kleinod des deutschen Fernsehens noch lange erhalten bleibt. Danke, Ina!
24.10.2010 00:00 Uhr  •  Glenn Riedmeier Kurz-URL: qmde.de/45359