«Germany’s Next Topmodel» – Was könnte Heidi besser machen?

Uwe Walter, der als Berater für verschiedene Sender und Formate arbeitet, hat sich «Germany's Next Topmodel 5» genauer angeschaut. Für Quotenmeter.de hat er eine sehr ausführliche Analyse erstellt.

Sehnsüchtig freuen sich zirka dreißig Prozent aller jungen Frauen der Zielgruppe 14 bis 29 Jahren auf den Donnerstagabend. Dann heißt es wieder «Germany’s Next Topmodel», mittlerweile in der fünften Staffel. Immer in der Hoffnung, etwas zu entdecken, was sie selbst, die Beziehungen mit ihren Freundinnen oder ihr Weltbild stärkt, sie zum Insider macht. Anders die 30 bis 49-jährigen: Sie ziehen sich aus der Sendung eher zurück. Einige Fans sind enttäuscht, denn die Sendung ist nicht mehr so gut, wie sie einmal war.

Liegt das an den weniger interessanten Bewerberinnen der fünften Staffel? Oder an der neu besetzten Jury? Warum lässt die Sendung nach und was müsste man tun, um sie wieder nach vorne zu bringen? Wie kann der Markenkern gestärkt und so poliert werden, dass die Marke «Germany’s Next Topmodel» wieder strahlt?

Archetypisch sind Schönheitswettbewerbe schon immer Erfolgsgaranten. Auch in vergangenen Kulturen war die Suche nach „der Schönsten“ genauso aktuell, wie ihre Verehrung. Das von Tyra Banks initierte Projekt «America’s Next Top Model» hat in einigen Ländern zu Recht Schule und Quote gemacht. Doch wie sieht es mit dem deutschen Ableger aus?

Reichweite und Rendite stimmen, doch der Ruf, die Second Story, das ehrliche Band des Vertrauens, hat gelitten. Natürlich ist die Gesamtproduktion enorm aufwändig. Immerhin gilt es beim Casting und bei den Prüfungen große Personenmengen durch die Lande zu bewegen. Viele Monate lang müssen Kamerateams, Stylisten und unzählige Andere an verschiedenen Orten Zeit haben. Doch nicht nur der Koordinations- und Abstimmungsaufwand ist enorm – auch die Erwartungshaltung wächst. Denn an einer erfolgreichen Show teilzunehmen heißt, auch mehr Aufmerksamkeit und Aufstiegschancen zu bekommen. So wird der logistische Akt stressig, weil es plötzlich wichtig ist, wer wo sitzt und wer wieviel Statusanerkennung bekommt. Hauptfigur ist und bleibt Heidi Klum, die sich, ihre Familie mit Kindern und Ehemann, ihre Model- und Werbejobs, ihre Agentur, ihre Sendung in den USA und Vieles mehr unter einen Hut kriegen muss. Da stellt sich die Frage: Macht das Heidi Klum noch wirklich Spaß oder geht es nur um noch mehr Geld?

Denn was ist, wenn plötzlich alle mehr Geld wollen? Heidi, Heidi Klums Agentur für die Mädchen, die Sendergruppe, der Sender und der Produzent. Ganz zu schweigen von den Jurymitgliedern und ihren Interessen. Alle wollen einen Gewinn aus der Veranstaltung ziehen. Verständlich, denn es sind gewaltige Mächte am Start, wenn ein Schwarm langbeiniger naiver Mädchen durch den Raum stakst, die für eine Modelkarriere alles geben würden. Und genau da passiert es: die Sendung fällt in Qualität und Aussage ab.

Das Bildungs- und Kompetenzniveau der Mädchen wirkt im Schnitt niedrig, vielleicht sogar niedriger als in den vorhergehenden Staffeln. Aber kein Problem, denn krisengebeutelte Unternehmen stehen Schlange, um die Träume der Mädchen zu kontrollieren und ihnen – mal nett ausgedrückt – selbstbewusste Verträge anzubieten. Der Deal: Wir bestellen die Band, also bestimmen wir auch, welche Musik gespielt wird. Nur auf Dauer funktioniert das alles nicht. Wie könnte man die Sendung also weiterentwickeln?

Die Rolle der Zuschauer
Ein wichtiger Ansatz zur Verbesserung liegt in der Steigerung des Zuschauernutzens. Was kann ich ihnen bieten, außer der Möglichkeit, sich zu bewerben, denn das kommt ja nur für einen Bruchteil der Mädchen in Frage. Umso interessanter, dass sich extrem viele junge Frauen bewerben, die die äußerlichen Voraussetzungen in keiner Weise erfüllen. Die Zuschauer würden sicherlich ganz anders mitfiebern, wenn sie jedes Mal voten könnten, welche Mädchen weiterkommen. Das Level der Beteiligung und Identifikation wäre um Einiges höher und die Zuschauer emotional intensiver an die Sendung gebunden.

Ein weiterer Punkt ist die Resonanz, die die Sendung im Innenleben der Zuschauerinnen auslöst. Schönheit, Kompetenz und Mentorenschaft sind entscheidende Faktoren für den sozialen Aufstieg – und damit für das bessere oder schlechtere (Über)-Leben. «Germany’s Next Topmodel» zeigt den Anpassungsdruck junger Frauen. Hier könnten die Mädchen als Spielfläche für offene Fragen dienen. Sind sie schön, kompetent und lernfähig genug oder nur leere Hüllen? Kommen Sie über Beziehungshilfen (z.B. Verschwesterung mit Konkurrentinnen, echte soziale Kompetenz) nach oben? Hier bietet die Sendung viel Potenzial, reißt diese Themen aber leider nicht einmal an. Anstatt dessen konzentriert sich «Germany’s Next Topmodel» darauf, die jungen Frauen von „Prüfung zu Prüfung“ zu karren, ohne sie emotional zu begleiten.

Schön hingegen, dass die Zuschauerinnen beim Finale in Köln dabei sein können. Innerhalb kürzester Zeit waren alle Karten ausverkauft. Kein Wunder, denn mit einem Live-Event wird das gemeinsame Seherlebnis gekrönt. Ein Public Viewing bietet weiteren Fans die Möglichkeit, teilzunehmen. Eine wunderbare Leistung vom Sender.

Uwe Walter, der als Berater für verschiedene Sender und Formate arbeitet, hat sich «Germany's Next Topmodel 5» genauer angeschaut. Für Quotenmeter.de hat er eine sehr ausführliche Analyse erstellt.

Der Wettbewerb und die Jury
Der Wettbewerb und die Jury sind – trotz zunehmender Verwässerung und Personalkarussell – immer noch Markenkern der Sendung. Doch was erst wie eine echte Chance wirkte, hat sich ziemlich schnell aufgebraucht. Wer sich heute bei «Germany’s Next Topmodel» bewirbt, muss mit sozialer Ächtung rechnen. Ein Grund, warum nur noch sehr wenige Mädchen aus spannenden Familien der bürgerlichen Mitte auftauchen. Anstatt den eigentlichen Markenkern des seriösen Wettbewerbs mit kompetenter Jury über die Staffeln zu stärken, kursieren zunehmend Diskussionen über das wahre Wesen der Heidi Klum. Wer gewinnt, ist eigentlich schon egal.

Dazu kommt, dass ein Wettbewerb klare Regeln braucht. Wo aber sind hier noch Regeln zu spüren? Die Spielkonstruktion von «Germany’s Next Topmodel» verrutscht zunehmend, wird unsichtbar, deritualisiert und ausschließlich durch das alleinige Wirken der Hohepriesterin Heidi Klum bestimmt. Klare Kriterien, die für den Zuschauer oder die jungen Frauen transparent sind, gibt es kaum. Der Streit hinter der Kamera wird herausgeschnitten. „Das verstehe ich nicht“ oder „Warum immer die“ passt nicht in Heidis Konzept, also werden Wiederworte, Diskussionen und Kampf einfach elliptisiert. Doch weil das Nichterzählte, das was keiner sehen soll, zunimmt, wird das Erzählte immer knapper, langweiliger und frustrierender. Die letzte Jury mit Peyman Amin und Rolf Scheider versuchte wenigstens, dem Wettbewerb ein offizielles und möglichst sinnvolles, haltbares Gesicht zu geben. Denn es gibt schließlich eine reale Modelwelt, die mit der Show allerdings kaum Berührungspunkte hat.

Die neue Jury ist viel loyaler und anpassungsfähiger an das System der Heidi Klum. Sie ist mit Heidis Gnade und unter ihren Bedingungen eingekauft. Wissend, worauf sich die Juroren einlassen, rechnen sie mit einer Steigerung ihres Markenwerts und nehmen dafür alles andere in Kauf. So wird die Sendung zum Heidi Klum Event, das ihre Macht und Berühmtheit in den Mittelpunkt stellt.

Vorbei die Zeiten des emotionalen Rolf Scheiders, der sich mit den jungen Frauen identifiziert hat, der hingeschaut, verlangt und mitgeweint hat. Vorbei die Zeiten eines fachkompetenten, polarisierenden Peyman Amin, der den in der Sache harten Modelagenten gegeben hat. Der immer wieder gezeigt hat, dass es da draußen eine Schwelle zu überschreiten gibt. Vorbei die Zeiten von Glaubwürdigkeit und Wärme.

Stattdessen sind zwei Newcomer am Start, der eine Modefotograf und Modedesigner mit bemerkenswerten Hintergrund, der andere ein pfiffiger und professioneller Marketingkopf. Beide wissen, wie man im Dschungel des Angebots mit Selbstbewusstsein und Selbstvermarktung erfolgreich ist. Beide sind junge, toughe Eigenmarken, noch ohne persönliche Kontur. Hoffen wir, daß sie die Zeit bekommen und sich ein Herz fassen, um sich als Person mit ihrer Kompetenz mehr einzubringen. Ob sie allerdings wirklich zu Mentoren und Förderern taugen, ist bislang nicht zu erkennen. Zu sehr agieren die Jurorenstatisten noch im luftleeren Raum und geben den Entertainer und Kommentator.

Heidi Klum hat offensichtlich unterschätzt, dass eine zuverlässige und kompetente Jury für ein Castingformat wichtig ist, denn:

Jetzt fehlt die Stabilität für den Zuschauer: Wo ist meine Jury?
Jetzt mangelt es an Zusammenarbeit: Warum berät sich die Jury nie? Wer ist Pro und wer ist Kontra bei welcher Kandidatin – und warum?

Jetzt fehlt menschliche Wärme, Vertrautheit und Lob für die jungen Frauen.
Hanna, eines der Mädchen, schafft es nicht, sich beim Shooting eine Schlange um den Hals zu legen. Als sie offensichtlich traumatisiert Hilfe bei der Jury sucht, wird sie von Heidi Klum mit einem bösen Scherz veralbert. Sie ahmt die Giftzähne der Schlange nach und macht sich über das Mädchen lustig. Eine völlig unpassende Haltung für eine selbsternannte Mentorin.

Uwe Walter, der als Berater für verschiedene Sender und Formate arbeitet, hat sich «Germany's Next Topmodel 5» genauer angeschaut. Für Quotenmeter.de hat er eine sehr ausführliche Analyse erstellt.

Die Prüfungen
Ein weiteres Kernelement von «Germany’s Next Topmodel» sind die vielen Prüfungen, die die Mädchen bestehen müssen. Meist sind das Herausforderungen, die offiziell das Erwachsenwerden, die Anpassungsfähigkeit, den Willen zur Modelkarriere dokumentieren sollen. Doch tatsächlich geht es in den Prüfungen häufig darum, ob das Mädchen seine limbischen Schwellen und moralischen Grenzen überwinden kann. In der Sendung vom 22. April 2010 lauten die Prüfungen: Ist ein Mädchen bereit, sich trotz Kälte halbnackt in der Öffentlichkeit fotografieren zu lassen? Ist ein Mädchen bereit, sich eine Tarantel über den Kopf laufen zu lassen oder eine Schlange um den Hals zu legen? Die Sendung wirkt wie ein Käuflichkeitstest mit der Frage: Bringe ich junge Frauen dazu, ihre Tabus und Schamgrenzen für den fernen Traum „Topmodel“ hinter sich zu lassen? Denn wer für seine Werte, Gefühle und Überzeugungen einsteht, wird als unprofessionell eingestuft und fliegt vielleicht raus.

Ständig wird den Mädchen gesagt: Schau interessant, schau emotional, zeige überhaupt was, streng Dich an, gib alles. Aber wer erklärt den Mädchen beispielsweise die „Sense Memory“-Technik, mit der man Gefühle aus anderen Lebenserfahrungen auf die aktuelle Situation übertragen kann? Niemand.

Anstatt dessen geht es um Kälte, Nacktheit und Scham, um niemals endende Selbstdarstellung, Promis, Spinnen und Schlangen. Schön deshalb der Moment, als der Fotograf Rankin in der vorigen Sendung bemängelt, dass die Gesichter leer und langweilig sind. Was sollen sie auch anderes sein, wenn Charakter, Werte, Gefühle und Beziehungen genauso unerwünscht sind und rausgeschnitten werden wie echte Geschichten und Fallhöhen? Feuer, Nebel, Windmaschinen und verrücktes Styling werden es sicher nicht richten.

Letztendlich mündet die Show in der Entscheidung. Das Schicksal bzw. Heidi Klum schlägt zu, denn „An der Spitze ist nur Platz für Eine“. Da die Kriterien nicht klar sind und die Jury nicht wirklich am Thema arbeitet, geht das wie immer. Auftritt der Juryvorsitzenden, dann Daumen hoch oder Daumen runter. Viel besser ist das in der Show vom 29.April, in der Heidi die Mädchen selbst fotografiert. Bei der Entscheidung merkt man, dass sie sich den Mädchen angenähert und ein anderes Verhältnis zu Ihnen aufgebaut hat.

Was wäre, wenn die Prüfungen wie folgt motiviert wären: Es geht um die Bereitschaft, sich auszuziehen. Die Mädchen besprechen das wirklich untereinander, erzählen es ihren Angehörigen. Was, wenn der Schritt und die Veränderung spürbar wären und sich bei den Mädchen was tut? Dann würde die Prüfung ritualisierter stattfinden, mehr im Sinne einer Initiation. Es gäbe eine nachvollziehbare Entwicklung, an der die jungen Zuschauerinnen sich aufrichten und teilhaben könnten.

Oder die Prüfungen sind in echte Storys eingebunden oder entwickeln sich aus diesen. Wie steht es um die Rangordnung, wo sind die Verbündeten und die Feinde unter den Mädchen. Wie beeinflussen diese die Prüfungssituationen? Was denken die Mädchen wirklich? Wer ist anständig, wer gerissen? Mit welchen Eigenschaften macht man Karriere? Und vor allem: Was fühlen die Mädchen?

Die Mädchen
Das wertvollste Gut der Sendung sind die Mädchen. Sie sind die, mit denen sich die Zuschauerinnen identifizieren. Und genau da liegt das Problem. Bei «Germany’s Next Topmodel» sind die Mädchen namenlos in ihrer Herkunft, ihrer Denke, ihren Beziehungen und Bedürfnissen. Sie schaffen bisher nur selten den Sprung zur interessanten Persönlichkeit, bei der man sich was abgucken kann oder bei der Gönn-, Neid-, Hass- oder Bewunderungsfaktoren einsetzen. Sie könnten zu Heldinnen werden, die über alles hinauswachsen. Stattdessen wirken sie wie eine Herde junger Rehe auf dem Weg zur Schlachtbank oder zum nächsten Dinner mit Heidi. Ihre Auftritte bleiben relativ beliebig. Emotionen kommen nur vom Ekel-, Scham- oder Angstfaktor. Ihre Werte müssen sie aus dem Herzen räumen, so dass am Ende nicht viel mehr bleibt als der Satz: „Ich bin die Neele von «Germany’s Next Topmodel». Was soll ich jetzt tun?“

Was würde passieren, wenn jedes Mädchen wirklich jemand sein dürfte? Wenn ihr Charakter, ihre Herkunft, ihre Beziehungen zu Hause und ihre Rolle in der Gruppe eine Bedeutung und Raum bekommen würden? So könnte man auch wieder andere Kandidatinnen zur Teilnahme bewegen als Mädchen aus der verletzten, zu allem bereiten Unterschicht. Wie wäre es, die größten Talente und Potenziale der Mädchen freizulegen? Ihnen freiere Aufgaben zu stellen, in denen sie ihre Talente in Bereichen wie Kreativität, Akquise oder Geschmack zeigen können? Warum zeigt «Germany’s Next Topmodel» nicht immer wieder die Familien zu Hause und wie alle mit der Trennung auf Zeit umgehen?

Uwe Walter, der als Berater für verschiedene Sender und Formate arbeitet, hat sich «Germany's Next Topmodel 5» genauer angeschaut. Für Quotenmeter.de hat er eine sehr ausführliche Analyse erstellt.

Heidi Klum
Im Endeffekt steht und fällt alles mit Heidi Klums eigener Entwicklung, mit ihrer Einsicht und ihrem Willen. Ihr Name steht für die Sendung und ist als Marke etabliert. Sie will die Sendung besser machen, professioneller, zumindest hat sie das dem Juror erzählt. Wo aber findet diese Verbesserung statt? Klar ist, die Sendung ist eine Cashcow, die mit dem geringsten Aufwand (Reise, Auseinandersetzung mit den Mädchen, Beziehungen der Mädchen) größten Erfolg bringen muss. Damit ist «Germany’s Next Topmodel» für Heidi Freude und Last gleichermaßen.

Um die Frage „Wie kann ich da noch mehr Geld verdienen“ im Vorfeld der nächsten Staffel zu beantworten, sollte sie die Leistung der Sendung im Detail analysieren: Warum ist der visuelle Stil verarmt? Was ist mit den Emotionen, dem „nah an den Mädchen dran sein“? Was ist aus den Prüfungen und den zwischenmenschlichen Problemen geworden? Was ist mit der Geschichte der Mädchen, der Markenbildung ihrer Personen? Wie baut man den Ruf der Sendung auf? Wie sieht mich (Heidi Klum) die Öffentlichkeit? Wie hat sich Heidis Haltung zu den Mädchen verändert? Ist sie ein Mentor, oder ist es an der Zeit, eine Nachfolgerin zu suchen?

Das Fazit
Klar ist: Heidi Klum ist ein Phänomen. Große Karriere, große Familie. Wie sie das alles managt, fasziniert. Worauf überall ihr Name prangt, verblüfft. Jeden Tag kämpft sie um Aufmerksamkeit und muss die aussortieren, die Trittbrett fahren wollen. Wer an ihrer Seite zu mächtig wird, wird abbestellt. Überall muss sie die Nr. 1 sein und ist Model, Ikone und Celebrity zugleich. Häufig schafft sie es, alles unter einen Hut zu bekommen. Gleichzeitig ist das System Heidi Klum so komplex geworden, dass sie immer mehr Druck, Macht und Geld braucht, um es aufrecht zu halten. Alles wird von ihr kontrolliert. Leute mit Qualitätsanspruch, die die Sendung mitentwickelt haben, bleiben ebenso auf der Strecke, wie Heidis liebevolle, humorvolle Seite - das Zentrum ihres eigentlichen Markenkerns. Sie muss wieder zu ihren Werten finden, die wir mögen. Uns mit ihrem Lachen und ihrer Natürlichkeit davon überzeugen, dass sie sich selbst liebt.

Trotz allem: Der Geschäftsfrau Heidi Klum gelingt im deutschen Fernsehen ein beispielloser Erfolg. Selbst die gravierenden inhaltlichen Probleme der Sendung steckt sie weg und überfliegt den Senderschnitt in deutlicher Höhe. Nur wer Heidi Klum wirklich ist, das wird immer weniger greifbar. Tatsächlich hat die Sendung zirka 700.000 Zuschauer verloren. Das wird ProSieben nicht freuen, denn mit mehr Zuschauern lässt sich mehr Geld verdíenen. Das „Heidi-Fieber“ hat etwas nachgelassen, auch weil sie immer die gleichen Phrasen wiederholt – langweilig. Und das ist gefährlich – selbst für eine Sendung, die noch längst nicht im Sichsorgenmachen-Bereich liegt.

Die Ausstrahlung am 29. April 2010, nach schwächeren Vorgängerwochen, überraschte endlich einmal wieder mit zwei wohltuenden Ereignissen: Das Casting und der Catwalk mit der Powerunternehmerin Kimora Lee Simmons (der „Bösen“, die aber zu viel Anerkennung fähig ist) sowie das Shooting von Heidi Klum (sie selbst fotografierte, ähnlich wie ihr Vorbild Tyra Banks in den USA). Hier entstanden mal wieder persönlichere O-Töne und Gefühle. Die Mädchen offenbarten mehr Ängste und mehr Freude über Fortschritte. Hier tauchten für die Zuschauerinnen auch mal Wärmeerlebnisse und echte Begegnungen im täglichen „Angststrom“ auf.

Bleibt zu hoffen, dass «Germany’s Next Topmodel» sich in diese Richtung weiterentwickelt und das übermächtige Business-Modell in den Hintergrund tritt. Dass Talente, Gefühle und Werte freigelegt und erlebbar werden. Dass die Prüfungen wieder mit dem Hauptthema verknüpft sind und Sinn machen. Denn wir wünschen uns noch ein paar spannenden Wochen – bis zum Finale!
03.05.2010 10:17 Uhr  •  Uwe Walter Kurz-URL: qmde.de/41712