Die Kritiker: «Wohin mit Vater?»

Inhalt
Lange schon lebt der Sohn nicht mehr in seinem Heimatort in Ostdeutschland. Er hat die Siedlung am Rande einer mittelgroßen Stadt längst verlassen und ist in den Westen gegangen. Geblieben ist die Schwester, die eine Familie gegründet hat und dadurch nicht nur räumlich, sondern auch innerlich eine größere Nähe zu den Eltern pflegt.

Die Eltern - die Mutter Hausfrau, der Vater Architekt - leben seit Jahrzehnten in dem vom Mann selbstentworfenen und gebauten Haus. Alles scheint gut, bis der Vater erste Verfallserscheinungen zeigt. Mit dem Laufen wird es immer schlimmer, und die zierliche, kleine Mutter schleppt den großen schweren Vater tagtäglich die Treppe rauf und die Treppe runter - ein Treppenfahrstuhl kommt für den Architekten in seinem eigenen Haus nicht in Frage. So nehmen die Dinge ihren Lauf, bis eines Tages völlig unerwartet das Herz der überforderten Mutter stillsteht.

Und so treffen sich Bruder und Schwester im Haus des plötzlich alleinstehenden Vaters zur Beerdigung der Mutter wieder. Sprachlosigkeit, Verwirrung, Hilflosigkeit und völlige Überforderung machen sich hinter einer erst einmal aufrechterhaltenen Fassade breit. Und die Frage drängt sich auf: Wohin mit Vater?

Darsteller
Hans-Jochen Wagner («Entführt») ist Thomas
Anna Loos («Es liegt mir auf der Zunge») ist Susanne
Dieter Mann («Der letzte Zeuge») ist Michael
Aleksandra Balmazovic ist Julia
Julia Koschitz («Doctor's Diary») ist Paula
Tobias Lehmann («Ein verlockendes Angebot») ist Alex
Marie Luise Stahl («Patchwork») ist Anneke
Johannes Richard Voelkel («In Between a Kiss») ist Benny

Kritik
Was tun, wenn die eigenen Eltern sich nicht mehr selbst versorgen können? Was passiert, wenn ein geliebtes Elternteil stirbt und der überlebende Partner sich nicht mehr alleine versorgen kann? Unsere überalternde Gesellschaft macht es uns vor. Wir stehen vor einem unausweichlichen Problem, dem Problem des Pflegeengpasses und der Kostenübernahme. Die Kinder sind – sofern die Eltern in das pflegebedürftige Alter kommen – in der Regel berufstätig, oftmals wohnen sie auch nicht mehr in der Nähe ihrer Heimat. Kommt es nun also zu einem solchen Pflegefall in der Familie stehen alle Betroffenen vor einem riesigen Berg an zu bewältigenden Aufgaben und Problemen. Nicht selten zerbrechen an diesen auch ganze Familien, sei es finanziell oder auch körperlich-seelisch.

«Wohin mit Vater?» widmet sich nun dieser Thematik und bezieht sich dabei auf den gleichnamigen Tatsachenroman eines anonymen Autoren und Journalisten. Laila Stieler («Wolke Neun», «Willenbrock») hat daraus eine sehr einfühlsame, realistische aber auch schonungslos reale Adaption der Vorlage geschaffen, die Regisseur Tim Trageser («Tatort», «Einer bleibt sitzen») meisterhaft inszenierte. Bei all der Tragik sind es dann aber auch die kleinen humorvollen Momente, die den Film auszeichnen. Denn man sollte trotz allem - so schwer es auch fallen mag - nie den Humor aus den Augen verlieren.

Die Hauptrollen in diesem Sozialdrama übertrug Trageser den Schauspielern Hans-Jochen Wagner und Anna Loos als überzeugendes Geschwisterpaar Thomas und Anna, Dieter Mann mimt den störrischen, aber auch mit liebevollen Momenten versehenen Vater Michael. Und es ist auch genau dieses Ensemble, das diesen Film so stark macht. Sie agieren so verletzlich, unbeschönigt real aber auch gefühlvoll und glaubhaft, dass man einfach nur mit ihnen fühlen muss. Neben dem starken Spiel wird die Atmosphäre des Films vor allem durch die ruhige, aber stets präsente und schonungslos nahe Kamera unterstrichen. Die zumeist in tristen und grauen Tönen gehaltenen Bilder werden zusätzlich noch mit melancholischer Musik untermalt und bilden damit ein perfektes und rundherum gelungenes Werk.

«Wohin mit Vater?» regt zum Denken an, unterhält auf der anderen Seite aber trotzdem über die gesamte Sendezeit und lässt zum Ende hin auch den Blick der Hauptfiguren in die Zukunft noch ein wenig hoffnungsvoll erscheinen. Eine Abrechnung mit dem derzeit vorherrschenden Gesellschafts- und Gesundheitssystem, indem es nach jetzigem Stand nur Verlierer gibt.

Das ZDF zeigt «Wohin mit Vater?» am Montag, den 29. März 2010, um 20:15 Uhr.
27.03.2010 11:56 Uhr  •  Torben Gebhardt Kurz-URL: qmde.de/41003