«Shrek» und «Madagascar» waren gestern: In ihrem neuen Animationsabenteuer lassen die Dreamworks-Studios den Wikingerjungen Hicks einen Drachen zähmen.
An neuen Animationsfilmen mangelt es dem geneigten Kinogänger schon lange nicht mehr. Zahllose Studios versuchen sich in der heiß umkämpften Branche. Doch niemand beherrscht das Spiel mit den animierten Helden so erfolgreich wie Pixar und Dreamworks Animation. Die beiden Konkurrenten liefern sich schon lange eine heiße Schlacht um Filmpreise, höhere Einnahmen und lobende Filmkritiken. Während die zum Disneykonzern gehörenden Pixar Animation Studios sich in der Vergangenheit auf außergewöhnliche Stoffe spezialisierten und mit den anspruchsvolleren Kunstwerken «Ratatouille», «Wall•E» oder «Oben» zum Kritikerliebling aufstiegen, machte Dreamworks Animation mit leichteren Animationskomödien auf sich aufmerksam. Der unerzogene Oger Shrek parodierte schamlos die Märchenwelt, in den flippigen «Madagascar»-Filmen folgte der Zuschauer einer überdrehten Horde von Zootieren in die Wildnis und in «Kung Fu Panda» verwandelte sich ein übergewichtiger, tollpatschiger Bär in eine Kampfmaschine. Dabei folgte das Studio einem klar definierten Schema, nach welchem das Kinder- und das Erwachsenenpublikum gleichermaßen unterhalten werden kann: Pupswitze und Slapstick für die Kleinen, Popkulturanspielungen, Promisprecher und Doppeldeutigkeiten für die Größeren.
Wikinger sind nicht nur stark, mutig und zäh, sondern auch stoisch. Obwohl die Felseninsel Berk seit Ewigkeiten von einer Drachenplage heimgesucht wird, weigert sich der Clan rund um den stattlichen Rauschebart Haudrauf (Stimme: Dominic Raacke) umzuziehen. Deshalb ist es für das Überleben im Wikingerdorf unverzichtbar, ein Meister im Drachenkampf zu sein. Ausgerechnet Hicks (Stimme: Daniel Axt), der Sohn des Stammesüberhaupts, ist darin vollkommen untalentiert. Schmächtig, statt mächtig, und grübelnd, statt prügelnd, lebt Hicks als Außenseiter daher und sorgt für abfälliges Gelächter in der Gemeinde, sofern aufgrund seiner Tollpatschigkeit oder seines memmenhaftes Verhalten nicht gerade wieder ein großes Unglück geschah. Um Anerkennung zu erlangen, schleicht sich Hicks während eines nächtlichen Angriffs der örtlichen Drachenpopulation davon und versucht mit einem selbst gebastelten Klapperatismus ein Exemplar der einzigen Drachenrasse einzufangen, über die bislang keinerlei Informationen gesammelt wurden. Mit etwas Glück gelingt es Hicks tatsächlich, einen so genannten Nachtschatten abzuschießen, bloß möchte ihm das niemand glauben. Also schleicht er sich alleine davon und macht sich auf die Suche nach der abgestürzten Feuerechse, und zwar in der Hoffnung, mit ihrem rausgeschnittenen Herz als Trophäe in der Hand endlich die Anerkennung seines Vaters und das Interesse der feschen, kämpferischen Astrid (Stimme: Emilia Schüle) zu erlangen. Das ist leicht gedacht, aber schwer umgesetzt. Kaum findet der schüchterne Hicks den gefürchteten Nachtschatten, entwickelt er Mitleid und schenkt ihm die Freiheit. Wie Hicks mitansehen muss, verletzte sich der Drachen bei seinem Absturz so sehr, dass er nicht mehr fliegen kann. Der junge Wikinger fühlt sich dafür verantwortlich und kümmert sich um ihn. Zwischen den beiden entsteht eine emotionale Bindung, und so erkennt Hicks, dass all jene Legenden über blutrünstige Drachen lediglich Missinterpretation ihres Verhaltens sind.
Stoff genug für weitere Filme bietet das wackere Wikingerdorf sicherlich, und seine Bewohner sind so ansprechend, dass wirklich nichts gegen ein Wiedersehen spricht. Sanders und DeBlois brachten ihre gestalterischen Sensibilitäten aus dem Zeichentrick gekonnt in die Umsetzung eines Computeranimationsfilms ein und erschufen eine sehr schöne Abenteuerwelt mit kantenlosen, runden Figuren und detailreichen Oberflächenstrukturen. Die wolligen Rauschebärte der furchtlosen Wikinger sehen täuschend echt aus und die feinporige Haut der menschlichen Figuren vermeidet den für am Computer erschaffene Menschen so typischen und gefürchteten Porzellanlook. Bei den vielfältigen Drachenrassen läuft das Figurendesign auf Hochtouren: Aufgrund des großen Einfallsreichtums wartet man als Zuschauer stets gebannt auf die Begegnung mit einer neuen Sorte der geflügelten Ungetüme, die von zierlich und süß über dümmlich-pummelig bis hin zu gigantisch und Furcht einflößend reichen. Die Charakteranimation in «Drachenzähmen leicht gemacht» legt vor allem Wert auf eine detaillierte Mimik, die nicht nur dafür sorgt, dass Hicks und sein Drachenfreund miteinander Bande knüpfen können (was früh im Film zu einer herzlichen Kennenlernsequenz führt), sondern auch dem restlichen menschlichen Ensemble zu einem schärferen Spiel verhilft. Dadurch können zumindest die erwachsenen Rollen trotz ihrer begrenzten Stellung im Film an emotionaler Tiefe gewinnen. Die jugendlichen Figuren neben Hicks dagegen bleiben ebenso spaßig wie flach.
Noch stärker als Animation und Gestaltung der Figuren ist allerdings die Kamera- und Beleuchtungsarbeit, die sich enorm auf das visuelle Gesamtbild auswirkt. Um die prächtigen Landschaften sowie die ausgefeilten Innenräume des Films sprichwörtlich ins rechte Licht zu rücken, entschieden sich die Regisseure dazu, den legendären Roger Deakins («Fargo», «No Country for Old Men», «The Village») als Berater ins Team geholt. Der mehrfach für einen Oscar nominierte Kameramann ist berühmt für seine minimalistische Beleuchtung, eine scharfe Zeichnung zwischen sehr dunklen und sehr hellen Bildelementen und seine malerisch-verwaschenen, faszinierenden Landschaftsaufnahmen, allesamt Stilmittel, die er neuerdings in die sonst so quietschbunten und hellen Landschaften der Computeranimation einbringt. Das Engagieren von Deakins, der auch als Berater bei Pixars erstklassigem Meisterwerk «Wall•E» tätig war, machte sich bezahlt: Vor allem während der atemberaubenden Flugszenen möchte man am liebsten in die fulminanten Landschaften von «Drachenzähmen leicht gemacht» eintauchen, ein Gefühl, das von den superben 3D-Effekte verstärkt wird. Der vergnügliche, im Wikingerstil gespielte Soundtrack von John Powell («Shrek») sorgt für die zur nordischen Gegend passende Klangfarbe.