Die Kino-Kritiker: «Jerry Cotton»

Christian Tramitz und Christian Ulmen bringen den legendären Kriminalhelden mit Ironie, Witz und Gaststars zurück auf die Leinwand.

Zur Blütezeit seines Erfolges war er bekannter als der Bundeskanzler: FBI-Agent Jerry Cotton, der dem New Yorker Verbrechen den Kampf angesagt hat. Insgesamt sollen seit seiner Schöpfung im Jahr 1954 über 850 Millionen Exemplare der «Jerry Cotton»-Groschenromane verkauft worden sein. Mitte bis Ende der 60er kamen acht Filme über Jerry Cotton in die Kinos. Mit Christian Tramitz in der Titelrolle und Christian Ulmen als sein Ermittlungspartner Phil Decker erhalten die Trivialkrimis jetzt eine Neuauflage im persiflierenden Gewand. Die Strippenzieher dahinter haben bereits Erfahrung im humoristischen aktualisieren kultiger Trivialstoffe aus dem Nachkriegsdeutschland: Es sind die Regisseure von Oliver Kalkofes Edgar-Wallace-Parodie «Neues vom Wixxer», die auch das Drehbuch verfassten.

Der als Startschuss einer potentiellen Filmreihe dienende Film erzählt den ersten gemeinsamen Fall von Jerry Cotton und seinem Partner Phil Decker, dessen Reinkarnation durch Ulmen allerdings kaum noch etwas mit der ernsten Romanfigur zu tun hat. Decker ist hier ein besserwisserischer Nervösling, der frisch von der Agentenschule kommt und sein Idol Jerry Cotton mit seinem Talent als Maskenbildner für Undercovereinsätze beeindrucken will. Der trockene und überaus selbstbewusste Cotton möchte sich allerdings lieber alleine an die Fersen der Mörder des Gangsterpaschas Sammy Serrano (Moritz Bleibtreu) heften. Serrano war der einzige Verbrecher, den Cotton aufgrund eines Mangels an Beweisen nicht hinter Gitter bringen konnte, und gerade deshalb geht er an diesen Fall noch engagierter heran als sonst. Als Cotton selbst zwei Morde angehängt werden und die Leiterin der Dienstaufsichtsbehörde (Christiana Paul) höchstpersönlich die Ermittlungen gegen den führenden G-Man des FBI aufnimmt, bleibt ihm nur noch die Flucht nach vorne: Er muss diesen Fall schnellstmöglich lösen. Ob allein, oder widerwillig in Zusammenarbeit mit dem ihn verehrenden Neuling Decker und der geheimnisvollen Ganovin Malena (Monica Cruz).

Mit äußerster Sorgfalt und einem strengen Auge für das Detail erweckt die nahezu ausschließlich in Deutschland gedrehte Produktion den Anschein, sie wäre in New York geschaffen. Durch die gelungene musikalische Untermalung, unter anderem von Harald Schmidts Bandleader Helmut Zerlett, verstärkt «Jerry Cotton» den Eindruck, eine internationale Produktion zu sein. Auch das Auftreten von Penelope Cruz’ kleiner Schwester Monica fügt sich in dieses Bild ein, selbst wenn sie kaum Witz in den Film einfließen lässt und hauptsächlich als Augenfang dienen soll.

Während «Jerry Cotton» rein audiovisuell eine Buddy-Actionkomödie darstellen möchte, ist er humoristisch etwas schwerer einzuordnen. Anders als «Neues vom Wixxer» versteht er sich nicht als Parodie auf die Groschenromane und ihre ernst gemeinten Leinwandausflüge, dafür ist Jerry Cotton auch nicht mehr bekannt genug, dennoch erinnert der Ton einiger Szenen und das augenzwinkernd übertriebene Spiel der meisten Darsteller an die klassischen, parodistischen Komödien des Abrahams/Zucker-Teams («Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug», «Die nackte Kanone»). Den Kriminalplot nehmen die Regisseure/Autoren Philipp Stennert und Cyrill Boss hingegen vergleichsweise ernst und bemühen sich auch um Spannungselemente. Dennoch dient der Fall hauptsächlich als gut funktionierende Vorbereitung für witzige Sprüche und gelegentlichen Slapstick.

Generell ist «Jerry Cotton» zahmer als die mitunter derben «Wixxer»-Filme und blödelt weniger herum als Bullys Parodie eines anderen in Deutschland erfundenen amerikanischen Helden. Dabei wird auch die Gagfrequenz heruntergeschraubt. Oft möchte «Jerry Cotton» mit seiner draufgängerischen Hauptfigur, die nicht mitbekommt wie cartoonhaft ihr Vorgehen ist, minutenlang amüsieren, ohne mit Gewalt einen lauten Lacher zu provozieren. Die gezielten Lacher bleiben, wie kann man es bei diesem Subgenre auch anders erwarten, natürlich sehr oberflächlich, jedoch durchgehend zielsicher. Tramitz und Ulmen harmonieren hervorragend und spielen sich gekonnt gegenseitig die Bälle zu und auch Moritz Bleibtreu und Christiane Paul zeigen viel Spielfreude in ihren maßlos überspitzten Rollen. Die im Umfeld der Hauptfiguren von Nebendarstellern gerissenen, abgedroschenen Kalauer werden dermaßen trocken kommentiert, dass sowohl die gezielt ins Skript geschriebenen Kalauer, als auch die spröden Antworten darauf beim Publikum zünden. Eine Hand voll Gaststars, darunter der kaum erkennbare Heino Ferch als schwäbelnde Karikatur eines Schundheft-Bösewichts, sorgen für zusätzliche Schmunzler und Lacher.

Der ironische Tonfall von «Jerry Cotton» erinnert deswegen am ehesten an Ben Stillers und Owen Wilsons Kinoadaption von «Starsky & Hutch»: Es ist raffiniert ausgeführter Seichthumor, der seine Vorlage mit Respekt persifliert und Tribut zollt, deren Kenntnis aber keineswegs voraussetzt.

Fazit: «Jerry Cotton» ist zwar kein Gagfeuerwerk, bietet allerdings durchgehend amüsante, seichte Unterhaltung mit stimmiger Trivialkrimi-Atmosphäre und einer gelungenen Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern. Die bei Erfolg angedachte Fortsetzung darf ruhig kommen.

«Jerry Cotton» ist seit dem 11. März 2010 in vielen deutschen Kinos zu sehen.
12.03.2010 14:55 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/40726