360 Grad: Mehr Demokratie wagen!
Anlässlich der Entlassung von Nikolaus Brender ist Julian Miller der Ansicht, man sollte auch im Fernsehen mehr Demokratie wagen.
Roland Koch ist schon eine eigentümliche Figur der deutschen Politik. Erst wollte ihn Hessen eigentlich nicht mehr haben, doch nachdem man sich nicht so richtig für eine wirkliche Alternative entscheiden konnte, blieb er nun doch nach ewigen Scherereien im Amt. Und da er dringend irgendeine Art von Profil braucht, um bei der nächsten Wahl nicht wieder wie Helmuts gesichtsloser Ziehsohn dazustehen, muss er nun verständlicherweise irgendetwas tun, um in die Schlagzeilen zu kommen. Das ist ihm auch gelungen, doch mit dem ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender hat er sich ein etwas merkwürdiges Opfer zum Draufhauen ausgesucht.
Koch ist eindeutig seine Position im ZDF-Verwaltungsrat zu Kopf gestiegen. Offiziell geht es ihm zwar um die Quote, aber ein Blick hinter die Fassade fällt nicht schwer. Niemand kann ernsthaft glauben, dass hochrangige Parteimitglieder in einer solchen Institution nicht in schwarz und rot denken. Dabei ist der Verwaltungsrat eigentlich zu Kontrollzwecken gedacht, jedoch stellt sich auch hier einmal wieder die Frage, wer denn nun die Kontrollierenden kontrolliert. ZDF-Intendant Markus Schächter fällt wohl aus, denn alles, was von ihm bezüglich der Causa Brender in letzter Zeit kam, waren kleinlaute Hilfeschreie und ein vorsichtiges Schielen in Richtung Bundesverfassungsgericht.
Dass nahezu jeder Roland Kochs persönlichen Kreuzzug gegen Brender mittlerweile für vollkommen idiotisch und für eine Gefahr für die Demokratie hält, scheint den hessischen Landesvater nicht sonderlich zu stören. Auch ein offener Brief von fünfunddreißig entsetzten Staatsrechtlern, abgedruckt etwa eine Woche vor der Abstimmung in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung», konnte Koch nicht dazu bewegen, von seinem irren Plan abzusehen: “Es handelt sich um den offenkundigen Versuch, einen unabhängigen Journalisten zu verdrängen und den Einfluss der Parteipolitik zu stärken.” Auch der Appell an die übrigen Mitglieder des Verwaltungsrats blieb ungehört und Brenders Vertrag wird nun offiziell nicht verlängert werden, wie die Abstimmung vor einigen Tagen ergab.
Gefährden parteipolitische Umtriebe also wirklich die Freiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Selbstverständlich. Wie der aktuelle Fall zeigt, hat die Politik einen viel zu großen Einfluss auf die Inhalte von öffentlich-rechtlichen Sendern und sie ist dazu im Stande, auf hochrangige senderinterne Positionen zuzugreifen und über ihre Besetzung zu bestimmen. Hört sich das etwa nach einem demokratischen Umgang mit Medien an? Sie entscheiden, Herr Koch.
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