Sonntagsfragen an Dr. Peter Süß

Er ist der Kopf hinter den Geschichten der erfolgreichen Telenovela «Sturm der Liebe» - Dr. Peter Süß. Manuel Weis besuchte ihn in seinem Büro in Geiselgasteig bei München, wo die Serie auch gedreht wird. Ein Gespräch über Vergangenes und Aktuelles.

Herr Süß, schön, dass Sie Zeit für uns gefunden haben: In Kürze startet bei «Sturm der Liebe» im Fernsehen eine neue Liebesgeschichte – worum wird es diesmal gehen?
Wir haben diesmal einen neuen Dreh gefunden: Die Einführung des Traumpaares verknüpfen wir mit einem großen Schicksalsschlag. Denn die Figur Annika, in die unser Protagonist Lukas derzeit verliebt ist, stirbt in der Serie. Es wird eine sehr dramatische Geschichte werden – nach ihrem Tod beschließt ihr Bruder Hendrik, dass ihre Organe gespendet werden.

Sandra Ostermeyer, unsere künftige Hauptrolle, bekommt das Herz von Annika!

Heißt also, dass Annikas Liebe in Sandra weiterlebt…
Ja, aber das ist längst noch nicht alles. Wir erzählen erstmals in «Sturm der Liebe» mit Lukas und Sandra eine „Romeo & Julia“-Geschichte: Wie können zwei Liebende zusammenfinden, deren Familien sich abgrundtief hassen?

Lukas ist der Sohn von Cosima, die die Saalfelds hasst, weil sie als Kind absichtlich vertauscht wurde und deshalb ihr Leben lang nicht den Luxus genießen durfte, den sie gerne gehabt hätte. Wie ist Sandra mit den Saalfelds verbandelt?
Werner Saalfeld, der Hotelbesitzer und alte Schwerenöter, hat sich in der Vergangenheit mehrere Fehltritte geleistet. Sandra ist die uneheliche Tochter Werners.

Das kennt man von Soaps – wie viel kann man dem Zuschauer denn zumuten, ehe er entnervt abschaltet, weil er die Geschichten einfach nicht mehr glaubt?
Es kommt immer darauf an, mit welchen Figuren man solche Wendungen erzählt. Werner Saalfeld ist so etwas durchaus zutrauen; er hatte bereits, als die Serie anfing, eine Geliebte, mit der er seine Frau Charlotte betrog. Aber in einem haben Sie natürlich Recht: Es ist wichtig, dass man glaubwürdig bleibt. Besonders schwierig ist es immer, wenn man altgedienten Charakteren noch Kinder andichtet, die plötzlich auftauchen, von denen zuvor aber nie die Rede war. Wir haben bei der Einführung von Cosima Zastrow darauf geachtet, klar zu etablieren, dass sie vier Kinder hat – Lukas ist schon im Fürstenhof angekommen.

Und die anderen?
Ich weiß noch nicht, ob wir alle mit dazu holen werden – aber ich halte mir die Möglichkeit offen. Und ich bin sicher, dass wir mit dieser Konstellation – alte Saalfelds, neue Saalfelds – viele spannende Geschichten erzählen können.

Hand auf’s Herz, Herr Süß: Sollte Annika wirklich nie die Hauptfigur der Serie werden? Sie spricht mittlerweile sogar die Voice Overs – und jetzt stirbt sie plötzlich. War das eine Notbremsung?
Voice Overs sind für uns ganz wichtig. Wir produzieren jeden Tag 46 Minuten – das ist fast kaum zu schaffen. Diese Voice Over-Elemente entlasten uns einfach, weil es natürlich recht schnell geht, eine Szene zu drehen, in der Annika einfach nur einen Weg entlang läuft und dabei denkt. Nach dem Wechsel von der ersten auf die zweite Hauptfigur haben wir zwei Wochen auf Voice Overs verzichtet, und da ist der Dreh ganz schön ins Schwitzen gekommen. Die Geschichte mit Annika und Lukas, die wir momentan noch erzählen, soll helfen, dass der Zuschauer noch näher an die Figuren – und auch an unsere neue Figur Sandra – heranrückt. Würden wir Annika jetzt nicht Voice-Overn lassen, könnte der Zuschauer oder die Zuschauerin nicht so gut mit ihr mitfühlen. Annika war nicht als Hauptfigur gedacht, schließlich taucht sie auch im Vorspann nicht auf.

Gab es das denn schon einmal, dass Sie eine Figur aus der Serie geschmissen haben, weil sie auf dem Bildschirm nicht so funktionierte wie geplant?
Ja, das gibt es immer wieder. Das sind natürlich immer schwere Entscheidungen, oft kann der Schauspieler gar nichts dafür, sondern wir haben ihn vielleicht als Autoren nicht stark genug eingeführt, haben ihm das Leben zu leicht gemacht, und plötzlich merkt man, dass der Story der Saft fehlt. Manchmal gibt es auch eine unglückliche Kombination, etwa wenn man merkt, dass sich zwei Figuren zu ähnlich sind oder zu ähnlich werden. Bei mir schrillen die Alarmsirenen immer dann, wenn ich das Gefühl bekomme, diese oder jene Geschichte könnte ich sowohl mit Figur A wie auch mit Figur B erzählen. Dann ist entweder die Geschichte zu unspezifisch, also Murks, oder die Figuren sind sich so ähnlich geworden, dass man dringend eine hinaus schreiben muss. Man entwickelt eine Figur ja zuerst auf dem Papier, der Schauspieler bringt später eine ganz eigene Energie mit, die, wenn‘s gut geht, die Figur bereichert. Wenn es schlecht läuft, hat man eine Fehlbesetzung. Oder, andere Möglichkeit: Man hat eine Figur entworfen, die von der Farbe momentan überhaupt nicht nötig ist – es kommt also immer wieder vor, dass man sich aus den verschiedensten Gründen in einer Sackgasse wiederfindet.

Noch mal zurück zu Annika: Die Figur war im Internet überhaupt nicht beliebt – Sie haben sich davon nicht beeinflussen lassen?
Nein, außerdem hatte sie auch viele Fans im Forum der Serie. Übrigens bin ich davon überzeugt, dass nur wenige der fast drei Millionen Zuschauer von «Sturm der Liebe» in Internetforen schreiben. Es ist also nicht sonderlich repräsentativ, was dort zu lesen ist. Auch wissen die Zuschauer ja noch nicht, was wir mit einer Figur vorhaben, ihr Eindruck kann sich immer nur auf das beziehen, was gerade auf Sendung ist.

Ein Beispiel aus meiner Zeit bei «Gute Zeiten, schlechte Zeiten»: Wir haben damals Nina Bott als Cora in die Serie geholt. Ihre Figur war als zickiges Girl angelegt, das sich in einem langen Bogen entwickeln sollte. Die Fans liefen Sturm, nach vier Monaten war das Meinungsbild über diese Figur so desaströs, dass man ernsthaft überlegte, die Figur rauszuschreiben. Christiane Ghosh, damals wie heute die verantwortliche RTL-Redakteurin, war gottlob überzeugt davon, dass wir über die Geschichten, die wir mit Cora vorhatten, die Figur zu einem tollen Charakter entwickeln würden. Nach einem Jahr hatten alle Cora ins Herz geschlossen und Nina Bott war die beliebteste Darstellerin in der Zielgruppe.


Er ist der Kopf hinter den Geschichten der erfolgreichen Telenovela «Sturm der Liebe» - Dr. Peter Süß. Manuel Weis besuchte ihn in seinem Büro in Geiselgasteig bei München, wo die Serie auch gedreht wird. Ein Gespräch über Vergangenes und Aktuelles.

Sarah Stork spielt die neue Hauptfigur Sandra – geben Sie mir Recht, wenn ich sage, dass Sie damit wieder etwas mehr „Back to the Roots“ gehen? Also mehr so erzählen wie in Staffel eins und zwei.
Beim vierten Liebespaar hatten wir eine besondere Konstellation – mit Emma und Felix haben wir eine Mischung aus „Hässliches Entlein“, „Aschenputtel“, aber auch aus „Goldmarie und Pechmarie“ erzählt – Rosalie Engel, Emmas böse Halbschwester, hat diesen Anteil in die Geschichte gebracht. Wir haben uns im «Sturm der Liebe» – anders als Roger Schawinski in seinem Buch behauptet hat – nie wiederholt. Auch Staffel zwei war gänzlich anders als die erste. In der vierten Staffel gab es beispielsweise keinen wirklichen gemeinsamen Magic Moment, den beide Figuren auch so empfunden hätten. Felix wurde erst acht Wochen vor der Hochzeit bewusst, was er für Emma fühlt. Ich glaube, wir knüpfen, was die Dichte und die Qualität der Geschichten angeht, jetzt wieder mehr an die ersten beiden Staffeln an: Der Kampf um den Fürstenhof wird weitergehen, die Figurenkonstellationen ähneln wieder mehr den ersten beiden Staffeln. Von daher haben Sie nicht ganz Unrecht.

Sie haben Roger Schawinski angesprochen. Er traf diese Aussage nach den Fehlern, die man bei «Verliebt in Berlin 2» und «Schmetterlinge im Bauch» gemacht hat. Insofern hat er doch schon ein bisschen Recht mit dem, was er über Ihre Serie sagt?
Das Erfolgsrezept einer Telenovela ist die Variation des Immergleichen. «Verliebt in Berlin 2» konnte gar nicht funktionieren. Ich verstehe meine Kollegen, die damals einfach etwas anderes versuchen wollten – als Autor möchte man einfach gerne mal neue Dinge ausprobieren. Tim Sander hat dann wohl sein Übriges dazu beigetragen. Die Rolle des tollpatschigen Helden passte prima zu ihm, er ist auch ein toller Schauspieler. Nur leider war er kein romantischer Held - weder war die Figur so angelegt noch könnte Tim diese glaubwürdig verkörpern. Und wenn man eine männliche Hauptfigur in einer Telenovela hat, die von den Zuschauerinnen nicht angehimmelt wird – then you are in deep Shit!

Kann es denn grundsätzlich funktionieren, dass eine Telenovela eine männliche Hauptfigur hat?
Man soll nie „nie“ sagen, aber ich bezweifel’ das doch sehr stark!

Sie haben sich vor einem Jahr entschieden, Martin Gruber – der schon in der zweiten Geschichte einstieg, zur Hauptfigur zu machen…
…und wir haben uns damit entschieden, diese Figur dann auch mit dem Ende der Geschichte aufzugeben, ich weiß…

…richtig. Wie sehr schmerzt so etwas?
Wir wissen ja nie, wie lange «Sturm der Liebe» noch läuft. Deshalb müssen wir immer versuchen, heute das Beste aus dem Produkt herauszuholen. Was morgen kommt, ist das Problem eines anderen Tages. Mit Ivanka Brekalo, der Emma-Darstellerin, die anfangs gar nicht als Hauptfigur geplant war, hatten wir zum Beispiel sechs Richtige mit Zusatzzahl. Sie besitzt eine großartige Ausstrahlung und hat sich bei uns in kurzer Zeit so toll entwickelt, dass uns die Entscheidung, sie zur Hauptfigur zu machen, sehr leicht gefallen ist.

Und dennoch fiel die Liebesgeschichte kürzer aus als sonst. Nur die dritte Geschichte mit Samia war noch kürzer. Waren Sie unzufrieden?
Nein, überhaupt nicht. Die Geschichte mit Emma und Felix haben wir 44 Wochen lang erzählt, Samia und Gregor hatten 40 Wochen lang den Hauptpart. Das ist kürzer als die zweite Geschichte mit Miriam und Robert, das stimmt. Sie waren mehr als 60 Wochen on Air. Das ist mir mittlerweile zu lang, die Geschichte hatte einige Hänger, das geb’ ich offen zu. Ich glaube, die ideale Länge für eine Liebesgeschichte in einer Telenovela beträgt zwischen 40 und 50 Wochen, also 200 bis 250 Folgen. Sandra wird mit Lukas auch ungefähr so lange zu sehen sein.

Teil zwei des Interviews erscheint am kommenden Sonntag, nur bei Quotenmeter.de.
11.10.2009 10:02 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/37770