«Kirschs Blüten»: Überziehungskredite für Gottschalk & Pocher

Am Wochenende räumten TV-Sendern ihren Shows die eine oder andere Minute mehr Zeit ein. Jürgen Kirsch hat die Zeit-Darlehensnehmer ausgemacht.

Vor nicht allzu langer Zeit wurde der «Musikantenstadl» mit Andy Borg zum Ende hin einfach gesägt, weil er schlicht zu lange dauerte. Im Anschluss sollte nämlich Boxen als eine weitere Live-Sendung gezeigt werden. Das hatte sich überschnitten. Was da noch zu großen Schlagzeilen führte, war bei einem weiteren Überziehungskünstler quasi eine Selbstverständlichkeit. Nein, «Schlag den Raab» hieß es nicht am Samstagabend, dafür aber «Wetten Dass…?». Thomas Gottschalk ging mit neuem „blonden Gift“ an seiner Seite nach der Sommerpause wieder an den Start. Michelle Hunziker sollte die Gottschalk-Moderation versüßen. Von Verkürzen war gar keine Rede. So spielte die gut aussehende Co-Moderatorin des ebenso blonden Lockenschopfs Gottschalk zwar keine großartige Rolle, aber die Kollegen des «Aktuellen Sportstudios» durften wieder einmal warten. Wer als Fußball-Fan da eingeschaltet hatte, um die Bundesliga-Partien wie den Schlager Köln gegen Bayern noch mal Revue passieren zu lassen, musste sich ebenfalls in Geduld üben, weil der Wettkönig noch nicht feststand. Aber immerhin sind aufgezeichnete Fußball-Spielberichte eines Aufschubs nicht so anfällig wie Live-Bilder von einem Boxkampf, der in Minuten vorbei sein kann. Ein Vorteil für Gottschalk. Im Zweiten gibt es wohl einen Überziehungskredit für beliebte Shows.

Dabei hätte man die Show im ZDF ruhig ein wenig verkürzen können. Haben Sie «Wetten Dass…?» am Samstag gesehen? War das ekelig, oder? Die Wetten hielten teilsweise jeder australischen Dschungelcamp-Prüfung stand. Da riecht einer an verstunkenen Stiefeln. Im ersten Moment, als ich vom Örtchen zurück an die Mattscheibe kehrte, dachte ich, ich sehe nicht richtig: Übergibt der sich etwa? So schlimm war es dann zum Glück nicht. Den zweiten Höhepunkt der Ekel-Wetten bildete dann das „Briefmarken mit Spucke aufsaugen“. Das hätte getrost auch von «Elton vs. Simon» entstammen können. Ein Kollege von Sat.1 musste das natürlich nachmachen. Warum? Weil er Oliver Pocher heißt und als Comedian sich gerne zum Narren macht. Der war nicht nur auch zu Gast bei «Wetten Dass…?», sondern startete auch mit seiner neuen Show. Die bot zumindest etwas Abwechslung am Freitagabend auf Sat.1. Denn als im Anschluss die halbgaren Sktech-Comedys wie «Zack!» liefen, wusste der TV-Zuschauer, dass etwas Neues auf dem Sendeplatz auch hier nicht schaden kann. Denn die dort gezeigten Sketche sind nicht mehr im Ansatz lustig. Da schaut man sich doch lieber an wie Pocher seinen Vater in der eigenen Show vorführt. Der arme Papa Pocher musste sich sogar von Elton den Kopf betätscheln lassen. Dann war da ja noch der Auftritt von Shakira, die sich das alles sicher auch ganz anders vorgestellt hatte. Zumindest hat die sexy Kolumbianerin nie mit einem Ausflug in eine Eckkneipe gerechnet. Oder gar dem Genuss von einem Glas Kölsch. Übrigens: Auch der Bällchensender hat seinem neuen Gesicht satte 20 Minuten mehr Zeit gegönnt. Das ist doch mal ein nettes Begrüßungsgeschenk eines privaten Senders.



«Die Oliver Pocher Show» - zum Start hin war es nicht das gelbe vom Ei, aber immerhin auf einem guten Weg. Die Aktion mit dem Kneipen-Besuch wirkte leicht chaotisch, wie auch einige andere Elemente der Sendung. In etwa so chaotisch wie es beim Foto-Call beim Pressetermin zu Pochers neuer Show zuging. Denn als der Entertainer zum Fotoshooting in seinem Studio aufrief, konnte man fast meinen ein Bürgerkrieg unter den Fotografen sei ausgebrochen. Immer wieder mussten die von den Sat.1-Mitarbeitern gebremst werden, damit sie den kleinen Pocher mit ihren Apparaten nicht im Endeffekt noch erdrückt hätten. Nach ein paar Minuten war es dann vorbei und die Kollegen Fotografen verabschiedeten sich einander freundlich, wo sie sich Sekunden zuvor noch gegenseitig auf die Füße getreten waren.
06.10.2009 00:00 Uhr  •  Jürgen Kirsch Kurz-URL: qmde.de/37656