15 Jahre Notaufnahme: Das Ende von «Emergency Room»

In den Vereinigten Staaten endete die Serie bereits im April 2009, nun nehmen auch die Deutschen bei ProSieben Abschied.

Innerhalb von fünfzehn Jahren entstanden im Studio 11 bei Warner Bros. 331 Episoden von «Emergency Room». Unzählige Stars durchschritten den Haupteingang, 26 Hauptdarsteller unterschrieben einen Vertrag bei NBC. Nun schließt die Notaufnahme des fiktiven County General Hospitals auch in Deutschland für immer – doch die Serie wird in den Herzen der Fans erhalten bleiben.

„Als ich das Drehbuch zur Pilotfolge las, dachte ich, es wäre ein Filmdrehbuch, denn so war es geschrieben“, sagt Noah Wyle im TV-Special «ER Retrospective». Auch Julianna Marguelies, die in der finalen Staffel mehrfach zurückkehrte, war von der Qualität schon von Anfang an überzeugt: „Es war realistisch und hektisch und kam mir nicht wie ein TV-Format vor. Ich war überrascht, dass es eine Serie werden sollte.“ Denn «Emergency Room» legte nicht etwa wie viele andere Fernsehserien den Fokus auf die Patienten und deren Krankheiten, sondern ausschließlich auf die Ärzte und deren Probleme.

Diese – heute fast schon gängige – Methode hat sich bewährt, denn keine wöchentliche Fernsehserie erhielt in den Vereinigten Staaten mehr Episoden und Preise. Aber auch technisch hatte «Emergency Room» die Nase vorne, denn für das Format wurde eine eigene Kameratechnik entwickelt. Lange Kamerafahrten durch mehrere Räume des Krankenhauses mit mehreren Dutzend Darstellern wurden zum Alltag. „Ich erinnere mich an lange Steady-Cam-Szenen mit 20, 30, 40 Leuten, die durch fünf oder sieben Räume gingen. Näher konnte man mit einer Kamera einer echten Theateraufführung nicht kommen“, erinnert sich Noah Wyle (Bild). „Wir wussten, was wir da machten, war etwas ganz Besonderes.“

Anthony Edwards, der zum bestbezahlten Schauspieler der Serie wurde, sieht die Dynamik als Alleinstellungsmerkmal: „Das waren die Dinge, die uns Leben einhauchten, uns wach hielten, uns herausforderten. Die Realität der Situation entwickelte ein Eigenleben und die Kamera fügte sich ganz natürlich ein. Sie konnte einfach zeigen, was tatsächlich geschah.“ „Am schlimmsten war es, wenn man am Ende einer Einstellung auftreten musste“, so Parminder Nagra. Paul McCrane beschreibt die ärgerlichste Situation am Set: „Wenn man nur die letzten beiden Sätze einer Szene hatte und vorher in der gesamten Kamerafahrt nicht erschien – dann tauchte man zum Schluss aus dem Fahrstuhl auf und hatte einen Texthänger.“

McCrane, der auch in der Echtzeitserie «24» eine Rolle spielte, entwickelte sich durch das Mediziner-Drama weiter. Er hatte zunächst als Schauspieler angefangen, setzte aber dann selbst Episoden um. Und das tat er auch noch Jahre nachdem seine Figur beim Absturz eines Hubschrauber ums Leben kam. „Ich habe es mir aufgenommen und mir in Zeitlupe angesehen. Und ich dachte: ‚Sieh dir nur Paul McCranes (Bild) Gesicht an – wunderbar!‘“, so Schauspieler Scott Grimes. Auch sehr viele schon bekannte Gaststeller machten in den vergangenen Jahren die Notaufnahme lebendig. William H. Macy etwa spielte vier Jahre lang Dr. Morgenstern, der in der finalen Staffel noch einmal heimkehrte. Amy Aquino war sogar fünfzehn Jahre lang als Spezialistin für Entbindungen vor der Kamera und «CSI: Miami»-Darstellerin Khandi Alexander spielte die Rolle von Dr. Bentons Schwester. «House»-Doktor Omar Epps behandelte in der dritten Staffel ebenfalls Patienten und «CSI»-Star Jorja Fox brillierte an der Site von Anthony Edwards und George Clooney.

In den Vereinigten Staaten endete die Serie bereits im April 2009, nun nehmen auch die Deutschen bei ProSieben Abschied.

Die Oscar-Preisträger Forest Whitaker und Sally Field besuchten «Emergency Room» ebenfalls: In der 13. Staffel des Formates klagte Whitaker in seiner Serienrolle Schadensersatz ein, weil er von einem Arzt nicht ordnungsgemäß behandelt wurde. Field spielte die Mutter von Abby Lockart – für ihre manisch-depressive Figur bekam sie sogar den amerikanischen Fernsehpreis Emmy. „Es wurde immer jemand ins Spiel gebracht, der gewisse Eigenschaften der Hauptfiguren sichtbar machte. Man erfuhr mehr über ihr Leben durch die Menschen, mit denen sie in der Serie zu tun hatten“, erinnert sich der kroatische Schauspieler Goran Višnjić. Seine Schauspielerkollegin Kirsten Dunst war unterdessen in mehreren Folgen als Charlie zu sehen, Ron Rifkin behandelte vor seiner Rolle in «Alias» ebenfalls Patienten.

Am Ende der 13. Staffel folgte schließlich ein klarer Schnitt – die Notaufnahme wurde von Stanley Tucci auf den Kopf gestellt. Der neue Arzt wollte das eingeschlafene Krankenhaus nach vorne bringen, eine Emmy-Nominierung brachte ihm die Verpflichtung ein. Dabei war er letztlich aber eben nur einer von vielen: Mit 5.453 Schauspielern und 49 Regisseuren wuchs der Stab von «ER» im Laufe der Jahre stark an. Alles zusammengerechnet, waren insgesamt 2.664 Produktionstage angesetzt, wovon rund 33.300 Stunden produziert wurden.

Ganz reibungslos verlief die Produktion der Serien jedoch nicht: Immer wieder machten die Macher von «Emergency Room» einige Fehler. Nach der John Carter-Ära wurden immer wieder neue Leiter der Notaufnahme eingeführt und schließlich wieder rausgeschmissen – ständig wechselnde Figuren, zu denen die Zuschauer nur wenig Bezug aufbauen konnten, waren die Folge. Lange Geschichten, wie es sie früher einmal gegeben hatte, wurden nun nicht mehr erzählt. Die Folge: Die Zuschauerzahlen sanken und das Aus schien mit der 14. Staffel besiegelt zu sein. Zeitweise war zudem unklar, ob die Produktion nach dem weitreichenden Autorenstreik überhaupt fortgeführt werden sollte.

Vor allem der ausführende Produzent David Zabel machte sich letztlich jedoch für eine Verlängerung stark. Nachdem «Emergency Room» noch weitere Episoden für die 14. Staffel erhielt, orderte das US-Network NBC noch eine 19-teilige finale Staffel. Diese wurde schließlich vom Sender noch um drei Episoden aufgestockt. Nachdem Senderchef Ben Silverman erkannte, dass alle neuen Formate gnadenlos scheiterten, bat er Zabel und John Wells sogar noch einmal an den Verhandlungstisch. Ziel war es, noch eine 16. Staffel herzustellen, nachdem die Klinikserie in ihrem letzten Jahr wieder steigende Quoten verzeichnen konnte. Doch zu diesem Zeitpunkt war es schon zu spät – die Produzenten und Warner Bros. lehnten ab. Und so endet «Emergency Room» am Mittwoch auch hierzulande mit einer fulminanten Staffel.
19.08.2009 08:05 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/36762