«Schlüter sieht's»: Vier mal Vier

Das Vierte wird sich bald komplett neu positionieren. Ein Meilenstein für die deutsche TV-Landschaft?

Am 19. September diesen Jahres ist es nun soweit: Der Sender Das Vierte wird an diesem Tag einen Relaunch durchführen. Während die meisten Medienschaffenden diesen englischen Begriff mit der simplen Einführung eines neuen On-Air-Designs in Verbindung bringen, hat Das Vierte etwas Größeres vor: Sie wollen zu einer Art Vollprogramm, allerdings ohne Nachrichten, aufsteigen und sich damit zur Riege von kabel eins, VOX oder RTL II gesellen. Ein Schritt, der doch mit klarem Verstand nur zum Scheitern verurteilt ist. Oder etwa nicht?

Dmitri Lesnewski, ein russischer Medienmogul, übernahm den Sender am 01. Juli 2008 und kündigte schnell an, ihn zum Vollprogramm mit eigenen Serien, Filmen oder auch Nachrichten umzufunktionieren. Ein solch ambitioniertes Vorhaben hat die TV-Branche lange nicht gesehen. Aber wenn laut Lesnewski Geld keine Rolle bei der Realisierung dieses Plans spielen soll, dann sollte mit dem Sender zu rechnen sein. Bisher hält sich die Führungsriege von Das Vierte überraschend bedeckt – erst jetzt will man mit einer Roadshow durch die Agenturen darüber aufklären, was die Zuschauer demnächst erwarten können und welche Sendungen man ausstrahlen wird. Sicher ist, dass man mit B-Spielfilmen und klassischen Serien, die das aktuelle Programm ausmachen, keinen Blumentopf gewinnen wird.

Der russische Einfluss dürfte dabei auf dem Bildschirm sichtbar sein: Aktuell produziert man schon die Serie «Ein Haus voller Töchter», die sich an eine russische Sitcom anlehnt. Aber ob der Geschmack der östlichen Bevölkerung auch hier ankommt, ist sehr fraglich. Schließlich wird das deutsche Fernsehen im Gegenteil eher amerikanisiert. Doch wir alle wünschen uns doch etwas Innovation in dieser aktuell mutlosen Branche, die keine Risiken mehr eingeht. Deswegen müssten wir den fast paradox wirkenden Vorstoß von Das Vierte in den Fokus des Fernsehmarktes doch euphorisch feiern. Wir tun dies aber nicht, weil wir wahrscheinlich rational wissen, wie schwer es für einen neuen Sender ist, sich etablieren zu können – und das dauerhaft.

Es wird letztlich komplett vom Programm abhängen, ob Das Vierte in eine erfolgreiche oder in eine hoffnungslose Zukunft blicken wird. Hat das Team um Lesnewski genügend Kreativität, Innovation und vor allem Gespür für den deutschen Fernsehmarkt, ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dass der Sender auf die Dauer Erfolg haben könnte. Es würde dem deutschen TV-Markt gut tun. Wenn Geld doch keine Rolle spielen soll...

Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt ein paar neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Freitag nur auf Quotenmeter.de.

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07.08.2009 01:08 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/36544