Die Kritiker: «Friedman schaut hin: Ein Treffen mit Sido»

Die Kritiker: «Friedman schaut hin: Ein Treffen mit Sido»

Inhalt
Der eine ist nach zahlreichen Skandalen Deutschlands umstrittenster Fernsehmoderator. Der andere ist der bekannteste und kontroverseste Gangsterrapper des Landes. In einem ausführlichen Interviewspecial treffen Moderator Michel Friedman und Skandalmusiker Sido erstmals im Rahmen der N24-Reihe «Friedman schaut hin» aufeinander.

Die beiden gegensätzlichen Charaktere verbringen während der halbstündigen Sendung einen Nachmittag in Berlin und reden dabei über Gewalt, Drogen, Moral und Sidos Maske.

Kritik
Der N24-Pressetext verspricht in der Dokumentation das Aufeinandertreffen verschiedener Welten. Establishment soll demnach auf Ghetto stoßen. Besser wäre jedoch der Vergleich: Apotheken-Umschau trifft Bravo, denn die durchaus verheißungsvolle Konstellation kann die Erwartungen nicht erfüllen.

Man sieht einen Michel Friedman der sich krampfhaft versucht auf das Niveau seines Interviewpartners zu begeben. Mit seinem lässigen, krawattenlosen Anzug und den abgedroschenen Jugendsprüchen aus den 80ern, wirkte er dabei jedoch mehr als lächerlich. Als die beiden einen Zwischenstopp am Berliner Mauerpark einlegen und „rein zufällig“ ein paar platzierte Jugendlichen beim Graffiti sprühen treffen, versucht der auf cool programmierte MC Michel es Sido nachzumachen und ebenfalls mit den Kids abzuklatschen. Dabei ist er so locker, wie ein Besenstiel beim Bodenturnen.

Hoch anrechnen muss man Sidos Umgang mit dem sperrigen und selbstverliebten Michel Friedman, den er bereits nach kurzer Zeit beim „Du“ hat. Von Friedmans Unsitte sein Gegenüber ständig anfassen zu müssen, scheint er völlig unbeeindruckt. Dabei schüttelt es einen bereits beim Zusehen. Auch auf die übliche Friedman-Methode seinen Gesprächspartner so lang in die Ecke zu treiben, bis er die Aussage erhält, die er haben möchte, lässt sich Sido nicht ein und kontert souverän mit kritischen Gegenfragen. Man braucht keinen Mann in vermeintliche Widersprüche zu verwickeln, der in zahlreichen Interviews zuvor bereits gezielte Grenzüberschreitungen zugab.

Auch lässt sich der Rapper nicht auf die zum Teil beleidigenden Provokationen durch Michel Friedman ein und spielt diese locker wieder zurück. Konfrontiert mit der Aussage, er würde aussehen wie ein spießiger, dicker Bauarbeiter, der zuviel Bier trinken würde, pariert Sido lässig: „Wenn ich bei Ihnen nach dem Aussehen gehe – Sie sehen aus wie Dieter Bohlens Mallorca-Nachbar!“

Doch wirklich viel Neues erfährt man über Sido nicht. Dafür ist Friedman zu schlecht vorbereitet und stellt nur die bereits alt bekannten Fragen nach der Maske, seinen Fans, Gewalt und Drogen.

Insgesamt wirkt das Interview eher unglücklich montiert. Es fehlt ein vernünftiger Einstieg und das Ende kommt so plötzlich, dass der Cutter offenbar selbst von seinem Abgabetermin überrascht war. Die Sendung versucht wie der Moderator auch beim Schnitt krampfhaft jung zu wirken. In hektischen Kameraschwenks, garniert mit Ausschnitten aus Sidos Songs, wird das Interview gnadenlos auf Videoclip getrimmt. Dabei wirkt es jedoch als würde Sidos Mutter hinter der Kamera stehen. Besonders deplaziert ist der ständig sichtbare Bodyguard, der Friedman und Sido vor aufdringlichen Fans schützen soll.

Was bleibt ist ein durchwachsenes Fazit. Die Figur Sido sorgt zwar für ein unterhaltsames Gespräch, doch die schlechte Umsetzung und der unangenehme Michel Friedman macht diesen Eindruck wieder kaputt. Am Ende ist der Unterhaltungswert gerade so hoch, dass man keinen Umschaltimpuls während des 30minütigen Interviews verspürt. Schade. Es wäre bei dieser Begegnung durchaus mehr drin gewesen.

N24 zeigt «Friedman schaut hin: Ein Treffen mit Sido» am Donnerstag, 04. September 2008, um 23.30 Uhr.
01.09.2008 14:47 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/29474