Das vermeintliche Aus des Formatradios

Am Mittwoch werden die Einschaltquoten der Radiosender veröffentlicht, dann erscheint die Media Analyse 2008/I. In den Funkhäusern herrscht daher große Spannung: Wer wird verlieren, wer wird gewinnen? Bei Quotenmeter.de gibt es in dieser Woche daher ein großes Radio-Special - jeden Tag ein anderes wichtiges Thema, über das die Branche spricht. Heute: Wie geht es mit dem Formatradio weiter?

Radiomacher schrecken in aller Regel schon zusammen, wenn sie das Wort “Formatradio” nur hören. Was aber ist Formatradio genau? Das Konzept stammt aus den USA - zusammengefasst kann man sagen, haben Formatradios ein Ziel: Musik, Moderation und Programmfarbe sollen zu jeder Zeit unverwechselbar sein. Zudem sollen Abschaltimpulse möglichst vermieden werden. Formatradios richten sich an eine bestimmte Zielgruppe. In der Szene nennen Radiomacher solche Sender gerne auch abwertend “Dudelfunk”.

Dass Formatradio aber durchaus zieht, musste Bayern 3 in den vergangenen Jahren miterleben. Seit dem Wechsel in der Programmdirektion von Antenne Bayern gewann der Privatsender nach krasser Überarbeitung des Programms und dem aggressiven Einsatz von Gewinnspielen etliche Hörer hinzu. Um rund 60 Prozent konnte Valerie Weber die Hörerzahlen steigern. Ähnliche Beispiele - vielleicht nicht in dieser Deutlichkeit - waren überall in Deutschland erkennbar.

Aber: Das Prinzip “Gewinnspiel bringt Quote” - also das Modell Antenne Bayern - funktionierte überall nur eine gewisse Zeit. Nach vier oder fünf Jahren gingen die Werte bei den meisten Sendern in den Keller. Hinter diesen Spielen steckt zumeist nicht der Sender selbst, sondern Beraterfirmen. Eine der bekanntesten ist Alan Burns & Associates. Diese ist auch bei Antenne Bayern für den Erfolg des Senders verantwortlich.

Und die wehren sich gegen die Vorraussagen, dass solche Methoden nur über eine recht kurze Zeit erfolgreich sind. “Zum Beispiel „geheimes Geräusch“ habe ich schon bei rs2 gespielt Mitte der 90er Jahre“, erklärt Rik de Lisle, Europachef der Beraterfirma. De Lisle ist so etwas wie ein Radiogott, bekannt wurde er als Moderator des Senders AFN.



„Die Spiele an sich führen nicht zum Hörerverlust. Es geht darum ‚wie‘ man sie spielt und ‚wann`, sagt er. Genau dieses ‚wie‘ ist oftmals aber der Knackpunkt. Fast schon gehirnwäscheartig rufen die Sender auf, bestimmte Worte zu erraten oder Sätze am Telefon zu sagen. Was am meisten stört: Es bleibt nicht bei einem Hinweis pro Stunde, oftmals laufen Hinweise bis zu sieben oder acht Mal pro 60 Minuten. Dies ist auch für de Lisle ein Knackpunkt. Diese Thematik gehöre eben zu dieser „Wie-Frage“.

So erscheint es manchen Hörern, dass es mittlerweile eigentlich egal sei, wer im Radio moderiert. Egal ob Maier, Müller oder Schneider, die Texte, die auf die aktuelle Aktion hinweisen, ähneln sich meistens ohnehin. Ist der Radiomoderator inzwischen also völlig auswechselbar geworden? Zählt Personality im Radio gar nicht mehr? De Lisle widerspricht dieser These energisch. „Personality ist sehr, sehr wichtig und kann den Unterschied ausmachen zwischen Erfolg und Misserfolg.“

Doch da scheint das Problem zu liegen: Personalitys haben oftmals Ecken und Kanten. Sie tun Dinge, an denen man sich stoßen kann. Dinge, die vielleicht zum Worst-Case bei den Radiomachern führen. Sie könnten dafür sorgen, dass der ein oder andere Hörer abschaltet. Deswegen tun sich die letzten verbliebenen großen Radiomacher bei den Privaten oftmals schwer, gegen das starre Gerüst des Formats anzukämpfen. De Lisle sieht dies gänzlich anders. Ecken und Kanten seien kein Abschaltfaktor, sagt er. “Schlechtes Programm ist ein Abschaltfaktor”.

Im Privatradio hat der Moderator ohnehin nur noch wenig zu tun. Die Erfolgsformel heißt hier in der Regel “3 Hits am Stück” - das bescherten den Kanälen in der Regel gute Ergebnisse bei der Media Analyse. Damit macht sich der Sender aber vergleichbar mit anderen Medien und geht ein Duell ein, das er nicht gewinnen kann. Das Duell mit MP3, iPod und Co. De Lisle sieht daher eine Gefahr beim bloßen Vertrauen auf diese Formel. “Wer auf „X Hits am Stück“ setzt als Hauptmerkmal seines Senders wird verlieren“, prophezeiht er.

Vor wenigen Wochen rief Bayern 3 - Programmchef Walter Schmich das Ende des Formatradios aus. Und in der Tat deutet der Trend in Bayern auf ein schwächeres Abschneiden von Antenne Bayern hin. Ob dies aber gleich das Ende des Formatradios an sich ist? De Lisle widerspricht: „Das sehe ich nicht so. Diese Aussage, das Format Radio bald vorbei ist, habe ich schon in den 60ern zum ersten Mal gehört. Dann immer wieder mit Abstand alle paar Jahre,“ erinnert er sich zurück und schießt mit einem kleinen Seitenhieb gegen die Gegner des Formatradios: „Inzwischen sind alle Leute, die dieses Szenario vorausgesagt haben, weg und Formatradio ist immer noch da.“
03.03.2008 11:10 Uhr  •  Manuel Weis  •  Quelle: Quotenmeter.de Exklusiv Kurz-URL: qmde.de/25747