Die Kritiker: «Blackout - Die Erinnerung ist tödlich»

Story:
Paul Novak ist Drogenfahnder – mit seinem Partner Boris ist er eine der tragenden Säulen des Dezernats. Eines Morgens wird er in ein Hochhaus gerufen, in dem eine schreckliche Entdeckung macht: Seine Frau Lili liegt tot im Fahrstuhl – ein Schuss in die Schläfe hat sie getötet. Doch Paul will nicht wahr haben, dass seine Gattin von ihm gegangen ist – er schleppt sie in sein Auto und rast Richtung Krankenhaus. Dort kommt er allerdings nie an, denn der Polizist baut einen Unfall und crasht in ein Schaufenster.

Sechs Monate später wird Paul selbst aus dem Krankenhaus entlassen: Er kann sich an nichts mehr erinnern. Stück für Stück kämpft er dafür, seine Erinnerung wieder zu bekommen. Er muss lernen, dass seine geliebte Frau nicht mehr da ist, muss begreifen, dass er einen Sohn hat und stellt fest, dass in seinem Leben früher nicht alles so war, wie er es nun gern gehabt hätte. Sein Bruder Christoph nimmt ihn gegen den Widerstand seiner Frau Marion vorübergehend bei sich auf. Christoph, ein angesehener Anwalt, gerät zu dem in politische Verstrickungen. Sein Parteifreund finanziert diverse Projekte mit schmutzigem Geld – mit Geld, der türkischen Drogenmafia. So ist er es auch, der diverse türkische Drogendealer aus der U-Haft freibekommt. Als seine Tochter Lotta dann allerdings von diesen Leuten entführt wird, gerät er in einen Interessenskonflikt: Arbeitet er weiter mit ihnen und seinen Parteifreunden zusammen, oder denkt er nur an seine Familie?

Pauls ehemaliger Partner Boris rutscht unterdessen immer weiter ab: Seine Frau schläft mit einem anderen Mann, zudem droht Boris’ Drogenabhänigkeit außer Kontrolle zu geraten. Die Folge: Unkontrollierte Aggressionsausbrüche Pauls und die Gewissheit, neuen Stoff zu brauchen – den bekommt er ganz einfach: Er muss lediglich Insiderwissen an die Drogenmafia weitergeben…

Darsteller:
Misel Maticevic («Die Luftbrücke – Nur der Himmel war frei») ist Paul Novak
Roeland Wiesnekker («Tarragona») ist Boris Schenker
Mischa Knobloch («Vater undercover – Im Auftrag der Familie») ist Finn Novak
Ina Rudolph («Tigeraugen sehen besser») ist Lili Novak
Hilmi Sözer («Der Schuh des Manitu») ist Turgut
Richy Müller («xXx») ist Robert Voss
Dominic Raacke («Tatort») ist Christoph Dermühl
Claudia Michelsen («Das Kanzleramt») ist Marion Dermühl

Kritik:
Kriminalgeschichten gibt es im Fernsehen zu Haufen. Beispielsweise freitags im ZDF, samstags beglückt uns der Mainzer Sender mit Krimi-Reihen, die «CSI»-Welle unterhält die deutschen Bürger und vereinzelt laufen Reihen und Filme auf diversen Sendern. Was macht «Blackout» so interessant?

Zunächst wäre erwähnenswert, dass es in Deutschland seit Jahren keine wirkliche Miniserie mehr gab. «Blackout» wurde zunächst unter dem Namen «8 Days» produziert und sollte acht Teile á 60 Minuten umfassen, nun sind es vier 120-minütige Filme. Darin untergebracht ist eine komplexe Geschichte, die derzeit ihresgleichen sucht. Es gibt Wendungen und Verstrickungen, die Komplexität ist vergleichbar mit «Traffic – Die Miniserie», welche sich mit die Drogenwelt in Amerika und Afghanistan beschäftigt. Es dürfte dem Berliner Sender zu Gute kommen, dass derzeit keine vergleichbare Geschichte zur Sat.1-Miniserie in TV-Deutschland produziert wurde.

Ohnehin – nie war eine deutsche Produktion näher dran an der Qualität der viel gelobten US-Formate. Was Erzähldichte und die Konzeption der einzelnen Stränge angeht, kann «Blackout» in jedem Fall mit US-Ware mithalten.

Drehbuchautor Norbert Eberlein füllt die 480 Minuten allerdings nicht allein mit der Morduntersuchung von Paul Novaks Ehefrau Lili, sondern auch mit Geschichten um Drogen, Vergewaltigung und Bestechung. Auch beiläufige Dinge, die nicht unbedingt zur Handlung beitragen, wurden eingebaut. Dies sorgt für mehr Authentizität. Gerade in den «CSI»-Serien, die beim Publikum sehr beliebt sind, bekommt der Zuschauer im Normalfall nur noch Fakten zu sehen, die später auch wirklich wichtig sein werden.

Um diese hochklassige Geschichte genauso umzusetzen zu können, braucht man genauso hochklassige Schauspieler, die Sat.1 mit den Hauptdarstellern Misel Maticevic als Paul und Roeland Wiesnekker als Boris Schenker fand. Besonders interessant ist die Figur des Boris, welche sich zwischen Gut und Böse bewegt. Jedoch kann die Spannung um Boris nicht alle acht Tage aufrechterhalten werden. Paul dagegen macht eine Wandlung während der gesamten Miniserie durch. Er glaubt, er ist ein guter Mensch, muss aber feststellen, dass seine Vergangenheit nicht immer so sauber war, wie er sich es wünschte…

Positiv hervorzuheben ist die Arbeit der Casting-Abteilung: die Schauspieler unterscheiden sich optisch sehr gut voneinander und passen zu den Figuren, die sie darstellen. Die Geschichten um die verschiedenen Charaktere werden nicht mit radikalen Schnitten vorgestellt, sondern werden erst nach und nach durch bekannte Gesichter vorgestellt.

Das Set von «Blackout» ist einerseits hervorragend, auf der anderen Seite auch enttäuschend. Mit einem großen Pluspunkt sticht das Drogendezernat von Berlin in das Auge, welches groß gestaltet und aufwändig eingeräumt ist. Bei den Außenaufnahmen hat das Produktionsteam jedoch immer die gleiche Straßenecke benutzt, nur in einem der letzteren Teile wird eine andere Ansicht der Straße verwendet. Es ist jedoch etwas eindimensional, da so der Eindruck entsteht, die gesamten Probleme Berlins spielen sich auf nur wenigen Quadratmetern Fläche ab. Den durchschnittlichen Zuschauer dürfte diese Tatsache aber nicht stören.

Alles in allem ist «Blackout» ein wirkliches Fernsehhighlight und mit Sicherheit die spannendste deutsche Serie, die es seit langem gab. Auch deswegen wünscht sich der Zuschauer, dass das Format an manchen Stellen noch schneller Lösungen präsentiert.

Sat.1 strahlt die Miniserie «Blackout» am Sonntag, 29. Oktober 2006, Montag, 30. Oktober 2006, Sonntag, 5. November 2006, und Montag, 6. November 2006, jeweils um 20.15 Uhr aus.
26.10.2006 12:45 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/17181