‚Der geschlossene Schauplatz zwingt die Figuren, aufeinander zu reagieren – es gibt kein Ausweichen‘

Produzent Florian Kamhuber spricht im Interview über den Reiz des magischen Mikrokosmos Olymp, die Balance zwischen Leichtigkeit und Tiefe – und darüber, warum gerade Weihnachtsfilme Platz für Schmerz brauchen, um am Ende Zuversicht zu schenken.

«Weihnachten im Olymp» spielt komplett in einem geschlossenen Luxus-Kaufhaus. Was hat Sie an diesem Setting gereizt – und wo lag für Sie als Produzent die größte Chance dieses ungewöhnlichen Schauplatzes?
Das Kaufhaus Olymp ist in unserem Film wie ein Spielplatz für Groß und Klein. Für unsere Protagonist*innen ist es der Ort, an dem sie ihre sehnlichsten Wünsche erfüllen können und sich gleichzeitig ihren Ängsten oder der Einsamkeit stellen müssen. Die Frage, wo man Weihnachten eigentlich verbringen will — und mit wem — rückt da ganz elegant in den Vordergrund. Aus unserer Sicht lag die größte Chance in der starken Bündelung von Ort und Handlung. Der geschlossene Schauplatz zwingt die Figuren dazu, aufeinander zu reagieren – es gibt kein Ausweichen, keine Parallelwelten. Dadurch werden Beziehungen, Konflikte und Gefühle sehr direkt und klar erzählt. Gleichzeitig eröffnet das Kaufhaus viele konkrete Spielräume: festlich beleuchtete Verkaufsflächen, leere Rolltreppen, abgeschlossene Etagen oder intime Rückzugsorte, wie die Bettenabteilung... Diese Mischung aus Nähe, Enge und visuellem Reichtum macht das Setting nicht nur besonders, sondern trägt auch die Geschichte aktiv mit.

Der Film vereint Liebesgeschichte, sozialrealistische Themen und märchenhafte Weihnachtssphären. Wie haben Sie diese Mischung beim Produzieren balanciert, damit der Ton des Films stimmig bleibt?
Für diese Leistung gebührt der Credit in allererster Linie unserem Buch- und Regie-Duo Katharina Schöde und Felix Fuchssteiner. Sie hatten schon im Drehbuchprozess eine wunderschöne Balance zwischen Leichtigkeit und Tiefe gefunden, die sich später auch in der Lookfindung gemeinsam mit DoP Sonja Rom und bei den Motiven mit unserem Szenenbildner Arunas Cepulis fortgesetzt hat.

An sich ist der «Herzkino»-Sendeplatz stark und klar formatiert. Und wenn man einen Weihnachtsfilm angeht, sind die Anforderungen nochmal etwas spezifischer: Eine entlastende Grundstimmung gepaart mit einer guten Prise Humor ist unverzichtbar. Gleichzeitig wollen wir unser Publikum nicht unterschätzen: Denn trotz all der Leichtigkeit merkt man sofort, ob Konflikte echt sind, oder ob sie nur als Mittel zum Zweck konstruiert wurden. Das sollte man, egal bei welcher Geschichte, nie aus den Augen verlieren. Hilfreich dabei ist dann eher die Frage, wie kompliziert die Themen und Konflikte aufgezogen werden. In einer Geschichte, die nur in einer Nacht spielt, sollte man eher darauf achten, dass auch die Auseinandersetzungen realistisch und befriedigend im Laufe dieser Nacht beigelegt werden können.

Lale und Hans erleben nach 40 Jahren ein emotionales Wiedersehen. Was war Ihnen bei der Umsetzung dieser zentralen Liebesgeschichte besonders wichtig – dramaturgisch wie visuell?
Im Zentrum stand für uns vor alle die Glaubwürdigkeit dieser Liebe. Wir wollten, dass das Publikum nachvollziehen kann, warum Lale und Hans sich nach 40 Jahren nicht nur wiedersehen, sondern sich emotional erneut annähern. Deshalb war schon im Buchprozess klar, dass den gemeinsamen Momenten der beiden besondere Aufmerksamkeit gelten muss. Ihre Beziehung sollte organisch wachsen und nicht behauptet, sondern erlebt werden. Visuell folgen Lale und Hans zunächst ihren jeweils eigenen Wegen und inneren Agenden. Das Kaufhaus – das im besten Sinne wie ein Labyrinth funktioniert – unterstützt diese Dramaturgie: Ihre Wege kreuzen sich beinahe und verlieren sich wieder, bis sie einander schließlich begegnen. Und selbst dann kommen sie nicht sofort zusammen. Dieses bewusste Verzögern macht das Wiedersehen umso aufgeladener und emotionaler.

Mit Mariele Millowitsch und Joachim Król sind zwei Publikumslieblinge an Bord. Wie wichtig war diese Besetzung für die emotionale Glaubwürdigkeit des Films?
Die Besetzung war für die emotionale Glaubwürdigkeit des Films von zentraler Bedeutung. Von Anfang an haben wir (Produktion und Regie) sehr eng mit unserem Casting Director Michael Ludwig vom ZDF zusammengearbeitet, im engen Schulterschluss mit unserer tollen Redakteurin Berit Teschner. Dieses gemeinsame Feilen am Cast war ein spannender und bereichernder Prozess.

Uns war wichtig, bekannte Gesichter zu besetzen, die beim «Herzkino»-Publikum sofort Vertrauen erzeugen, gleichzeitig aber auch darüber hinaus überraschen können. Mariele Millowitsch ist dafür ein wunderbares Beispiel. Ich selbst habe als Jugendlicher jede Folge von «Nikola» gesehen und mich schon jeden Freitag darauf gefreut. Jahre später mit ihr arbeiten zu dürfen, fühlt sich bis heute wie ein großes Privileg an. Joachim Król wiederum habe ich zuletzt in mehreren herausragenden Kinofilmen erlebt, und seine Präsenz bringt eine enorme Tiefe und Wärme mit.

Darüber hinaus konnten wir mit Anna Fischer, Hannah Gharib, Eric Cordes, Malene Becker, Sinje Irslinger und Philipp Hauß und weiteren großartigen Schauspielerinnen und Schauspielern einen Cast zusammenstellen, der für uns in jeder Hinsicht ein Traum ist und auch das Publikum überraschen wird.

«Weihnachten im Olymp» erzählt auch Geschichten von Einsamkeit, sozialem Druck und der Suche nach einem Ort, an dem man hingehört. Wie wollten Sie diese Themen in einem Weihnachtsfilm verankern, ohne Schwere überhandnehmen zu lassen?
Die berührendsten Weihnachtsgeschichten funktionieren gerade deshalb, weil sie auch Schmerz oder Einsamkeit zulassen. Ohne Schatten kein Licht. Entscheidend ist dabei immer die richtige Dosierung. «Weihnachten im Olymp» soll unterhalten, berühren und dem Publikum am Ende ein gutes Gefühl geben. Wären die Konflikte zu banal oder belanglos, würde genau das nicht funktionieren. Uns war wichtig, dass sich Tragik und Leichtigkeit nicht ausschließen. Das Drehbuch von Katharina Schöde und Felix Fuchssteiner zeigt sehr bewusst, dass ernste Momente immer auch Raum für Humor haben dürfen – und umgekehrt. Eine große Prise Komik ist in diesem Genre unverzichtbar. Schauspielerische Leistungen wie die von Eric Cordes als sympathisch-unterhaltsamer Security oder Hannah Gharib als seine schlagfertige, leicht überlegene Partnerin tragen diese Balance ganz entscheidend mit.

Außerdem arbeiten wir stark mit Atmosphäre und Details. Wer genau hinschaut, wird feststellen, dass es im gesamten Film keine Einstellung ohne funkelnde Lichterketten gibt; zumindest unscharf im Hintergrund. Solche Details nimmt man beim Schauen vielleicht nicht bewusst wahr, sie prägen aber den emotionalen Gesamteindruck. Genauso wollten wir auch die schwereren Themen verankern: spürbar, aber nie erdrückend.

Das Kaufhaus wird im Film zu einer Art magischem Raum, in dem sich Wünsche und Ängste spiegeln. Wie haben Sie als Produzent an der visuellen und atmosphärischen Gestaltung dieses „Mikrokosmos Olymp“ mitgewirkt?
Eine der zentralen Fragen in der Vorbereitung war ganz pragmatisch: Wo lässt sich mit dem Budget eines klassischen Sonntagsfilms die Vision des „Olymp“ glaubwürdig und visuell stark umsetzen? Relativ schnell wurde klar, dass das in dem von uns gewünschten Umfang in Deutschland kaum möglich gewesen wäre.

Daraus entstand der intensive Austausch mit verschiedenen europäischen Serviceproduzenten. In Litauen haben wir schließlich genau die Freiheit und die räumlichen Möglichkeiten gefunden, die wir gesucht haben. Die dortigen Locations boten uns die Größe und Gestaltbarkeit, um das Kaufhaus wirklich als eigenen Mikrokosmos erzählen zu können: Als einen Raum, in dem sich Wünsche, Ängste und Sehnsüchte spiegeln.

Die enge Zusammenarbeit mit unserem litauischen Serviceproduzenten war entscheidend dafür, dass das Kaufhaus im Film nicht nur Kulisse bleibt, sondern zu einem atmosphärisch aufgeladenen und beinahe magischen Ort werden konnte.

Der Cast ist sehr vielfältig – vom Security-Pärchen über eine Influencerin bis zur alleinerziehenden Mutter. Warum war es Ihnen wichtig, so unterschiedliche Lebensrealitäten an einem Ort zu vereinen?
Andersherum gedacht: Wir glauben, dass dies genau den Reiz des Films bzw. der Geschichte ausmacht. Das Kaufhaus ist ein Mikrokosmos, in dem sich unterschiedlichste Lebenswege kreuzen. Und sobald wir als Menschen gezwungen werden, miteinander in den Austausch zu treten oder andere Perspektiven einzunehmen, entsteht Verständnis, Empathie und manchmal sogar Liebe… Und aus produzentischer Sicht gesagt: Unser Anspruch bei NORDPOLARIS ist es, Unterhaltung für ein breites Publikum zu machen und dabei möglichst viele Leute anzusprechen. Die Wahl der Figuren und des Cast ist dabei natürlich neben der eigentlichen Geschichte die wichtigste Stellschraube.

Mit Katharina Schöde und Felix Fuchssteiner führen zwei Regisseure gemeinsam Regie. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit – und welchen kreativen Mehrwert bringt ein solches Duo?
Katharina Schöde und Felix Fuchssteiner sind ganz außergewöhnliche Kreative. Mein Wunsch, einen Weihnachtsfilm zu produzieren, traf sehr früh auf Katharinas Idee zu «Weihnachten im Olymp» – daraus hat sich schnell eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickelt. Da die beiden neben der Regie auch das Buch verantworten, konnten wir die Produktion von Anfang an gemeinsam denken und gestalten. Das war für alle Beteiligten ein sehr produktiver und inspirierender Prozess. Der besondere Mehrwert der beiden liegt in ihrer Ergänzung. Katharina und Felix bringen viel Erfahrung mit, gerade auch im Kinobereich, sie haben aber unterschiedliche Schwerpunkte und Arbeitsweisen. Genau daraus entsteht eine starke gemeinsame Handschrift, die dem Film gutgetan hat und die Zusammenarbeit für uns als Produktion sehr angenehm gemacht hat. Und man muss dazu auch sagen, dass die beiden bis zuletzt stark involviert bleiben, um das Maximum aus dieser Geschichte herauszuholen - das macht sich dann auch, wie wir finden, in der Qualität bemerkbar. Und hoffentlich auch unserem Publikum!

Weihnachtsfilme gehören zu den publikumsstärksten TV-Genres. Was hoffen Sie, dass das Publikum ausgerechnet an diesem Heiligabend mitnimmt, nachdem der Abspann gelaufen ist?
Wir würden uns sehr freuen, wenn das Publikum am Ende mit einem warmen Gefühl von Geborgenheit und Zuversicht zurückbleibt. «Weihnachten im Olymp» greift spielerisch Themen auf, die viele Menschen beschäftigen, ohne dabei schwer zu werden. Im Kern – und das fasst Lales Rede am Ende des Films sehr schön zusammen – geht es um die Freiheit, so zu leben und zu lieben, wie man es sich wünscht. In Zeiten von gesellschaftlicher Spaltung und immer schrilleren Tönen in den Diskursen wollen wir mit dem Film ein kleines Zeichen der Hoffnung setzen.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

«Weihnachten im Olymp» ist am 1. Weihnachtsfeiertag um 20.15 Uhr zu sehen. Im ZDF ist der Film seit 15. November 2025 in der Mediathek abrufbar.
18.12.2025 12:24 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/167336