In den Kommentarspalten wächst der Verdacht, im Promi-Boulevard-System laufe grundsätzlich etwas schief. Ein Blick auf den Fall – und darauf, was man sicher sagen kann und was Spekulation bleibt.

Dass Prominente in Deutschland versuchen, ihr Privatleben zu schützen, ist keine neue Geschichte – neu ist aber, wie die Gerichte derzeit damit umgehen. Der Fall von Lena Meyer-Landrut und Mark Forster zeigt diese Verschiebung besonders deutlich. Beide gehören zu den bekanntesten Musikerinnen und Musikern des Landes, beide haben über Jahre versucht, ihre private Welt von der öffentlichen Persona abzuschirmen. Wie sehr ihnen das zunächst gelang, zeigt sich daran, dass Mark Forster nahezu ein Jahrzehnt lang als „Privatmensch“ galt, zu dem fast nichts bekannt war. Keine Couple-Fotos, keine Beziehungsdramen, keine langen Paparazzi-Strecken – Forster war ein Star, bei dem man die Lieder kannte, aber nicht das Privatleben.
Gerade die Entwicklung rund um Meyer-Landrut macht Probleme. Seit Jahren zeigt sie sich gegenüber Boulevardmedien ausgesprochen abgrenzend, meidet Interviews, die über das Arbeitsleben hinausgehen, und kommentiert Privates grundsätzlich nicht. Gleichzeitig nutzt sie aber moderne Kanäle, die sie kontrollieren kann – darunter, und das ist entscheidend, ihr eigener öffentlich zugänglicher Discord-Server „The Lenaverse“. Dort tauscht sie sich seit 2023 direkt mit Fans aus, teilt Updates, Stimmungen, kurze Videos, manchmal sogar Alltägliches, ohne dass ein Außenstehender algorithmisch verstärkt oder journalistisch selektiert. Ein privates Fenster – aber eines, das sie selbst auf- und zumachen kann. Wer dort mitliest, bekommt einen anderen, ruhigeren Eindruck von Meyer-Landrut als jenes Bild, das Boulevardmedien zeichnen, die aus jeder Lücke eine Geschichte formen. Genau dieser Widerspruch erzeugt die Spannungen, die später auch das Gericht indirekt bewertet: Wer selbst öffentlich kommuniziert, wird schneller als „öffentliches Interesse“ interpretiert, selbst wenn die Inhalte kontrolliert sind und nur auf dem eigenen Kanal stattfinden.
Was die Diskussion zusätzlich auflädt, sind die Paparazzi-Geschichten, die angeblich von überall her stammen – sogar aus den USA oder aus Urlaubsorten, an denen niemand Meyer-Landrut auf dem Schirm hätte. Diese Narrative wirken geradezu absurd, wenn man sie mit der Realität vergleicht. Internationale Paparazzi jagen in der Regel Hollywoodgrößen, Royals oder globale Superstars, bei denen es einen millionenschweren Markt für Bilder gibt. Meyer-Landrut ist zwar in Deutschland extrem bekannt, aber sie ist kein globaler Paparazzi-Magnet. Dass einzelne Fotos aus dem Ausland auftauchen, hat daher vermutlich weniger mit „Verfolgung bis über den Atlantik“ zu tun – sondern eher mit Zufällen, lokalen Fotografen, Agenturen, die ihre Ware international verwerten, und Verlagen, die anschließend so tun, als sei jemand um die halbe Welt gereist, um ein Bild zu machen. Dieses Bild des allgegenwärtigen Stalkings wirkt dramatisch, aber in der Realität ist es häufig banaler: Ein Tourist mit Kamera, ein freier Fotograf, der rein zufällig etwas erkennt, oder die Nachverwertung von Material über internationale Bildagenturen. Die Vorstellung, Meyer-Landrut werde systematisch bis in die USA verfolgt, ist bei näherer Betrachtung schlicht nicht plausibel und gehört eher in den Bereich medialer Erzählungen als in tatsächliche Recherche.
Die Frage, warum Forsters Privatleben früher geschützt schien und ab der Beziehung zu Meyer-Landrut plötzlich nicht mehr, lässt sich ebenfalls erklären, ohne Verschwörungen zu bemühen. Der Boulevard liebt narrative Muster: Ein Mann allein ist selten eine Geschichte, ein Paar jedoch fast immer. Die Kombination zweier prominenter Namen steigert das Klick- und Printinteresse exponentiell. Aus einem Künstler, der niemanden interessiert, „wem er privat nahesteht“, wird plötzlich ein zentraler Teil der Erzählung einer nationalen Pop-Ikone. Das erklärt auch, warum Forsters frühere Beziehungen nie ausgeschlachtet wurden: Es gab schlicht kein überregionales Interesse. Erst die Verbindung zu Meyer-Landrut schuf einen Markt – und ab diesem Moment tauchten Fotografen, Spekulationen, „Beziehung enthüllt!“-Artikel und angebliche Beobachtungen auf. Nicht, weil die Beteiligten sich verändert hätten, sondern weil die mediale Logik es tat.
Der Fall zeigt vor allem eines: In dem Moment, in dem ein Paar eine gewisse symbolische Prominenz erreicht, wird aus Normalität Story-Material. Und in dem Moment, in dem jemand die Kontrolle über die eigene Kommunikation stärkt – etwa durch einen Discord-Server –, wird jedes Schweigen als Einladung zur Spekulation gelesen. Genau hier schneidet das Urteil des Kölner Landgerichts besonders tief: Es legt die Äußerungen von Meyer-Landrut über ihre mentale Gesundheit so aus, dass die Öffentlichkeit gewissermaßen dauerhaft ein berechtigtes Interesse an ihrem „Zustand und Verbleib“ habe. Das mag formaljuristisch argumentierbar sein, wirkt aber inhaltlich widersprüchlich. Denn sämtliche selbst gewählten Veröffentlichungen, egal ob auf Instagram oder Discord, ersetzen nicht das Recht auf Privatheit im Alltag. Noch weniger rechtfertigen sie Jagd-Situationen auf offener Straße. Der Eindruck, dass der Boulevard nach Bekanntwerden der Beziehung stärker in Forsters und Meyer-Landruts Alltag eingriff, hat daher nachvollziehbare strukturelle Gründe – aber keine, die auf Eigenverschulden der Betroffenen oder gar bewusstes „Leaken“ hinweisen würden. Dafür gibt es keinerlei Belege. Es gibt dagegen genügend Hinweise darauf, wie die Medienbranche funktioniert: Nachfrage schafft Angebot, und ein Promi-Paar, das konsequent versucht, sein Privatleben zu schützen, ist für Paparazzi und Klatschmagazine oft attraktiver als ein Paar, das ständig intime Einblicke liefert. Verborgenes erzeugt Marktwert, nicht Offenes. Das Urteil des Landgerichts Köln, das die Eingriffe zwar anerkennt, aber nicht als schwerwiegend genug bewertet, wirkt in diesem Umfeld wie ein Freifahrtschein.