Ein magischer Roman von Sosuke Natsukawa über Bücher, Freundschaft und die heilende Kraft der Fantasie.

Mit „Die Katze, die unsere Bücher rettete“ legt der japanische Autor Sosuke Natsukawa die charmante Fortsetzung seines internationalen Bestsellers „Die Katze, die von Büchern träumte“ vor. Es ist ein Roman, der all jenen gewidmet ist, die glauben, dass Bücher mehr sind als bedrucktes Papier – dass sie Zuflucht, Trost und Rettung bedeuten können. In Japan wurde das Buch schnell zum Bestseller, und dank der einfühlsamen deutschen Übersetzung von Sabine Mangold können nun auch deutschsprachige Leserinnen und Leser in diese poetische Welt eintauchen.
Im Zentrum steht diesmal Nanami Kosaki, ein junges Mädchen, das an chronischem Asthma leidet. Während andere Kinder nachmittags Fußball spielen oder sich mit Freunden treffen, sitzt Nanami in der Bibliothek. Dort, zwischen den hohen Regalen und dem Duft alter Seiten, findet sie ihren Ort der Freiheit. Bücher sind für sie mehr als Geschichten – sie sind Atemräume in einer Welt, die ihr körperlich oft die Luft nimmt. Doch eines Tages geschieht etwas Unheimliches: Nach und nach verschwinden Bücher aus den Regalen. Nanami bemerkt, dass ganze Geschichten einfach fehlen – als hätte jemand sie aus der Welt gelöscht. Für die sensible Leserin, deren Leben von Literatur durchdrungen ist, ist das ein Schock. Wer würde so etwas tun? Und warum?
Hier kommt Tiger, die geheimnisvolle Katze, ins Spiel – bekannt aus dem Vorgängerroman. Sie ist klug, eigensinnig und voller Rätsel, ein typischer literarischer Kater mit philosophischer Schlagkraft. Tiger und sein menschlicher Begleiter Rintarō, ein stiller Bücherliebhaber, nehmen sich gemeinsam mit Nanami der Aufgabe an, die verschwundenen Bücher zu retten. Was folgt, ist eine fantastische Reise, die Realität und Traum mühelos miteinander verschmelzen lässt. Nanami, Tiger und Rintarō betreten eine Welt, in der Bücher atmen, sprechen und leiden können – eine Welt, in der Geschichten verloren gehen, wenn Menschen das Lesen verlernen.
Natsukawas Roman ist kein klassischer Fantasyroman, sondern eine parabelhafte Erzählung über den Wert der Literatur in einer von Ablenkung überfluteten Welt. Hinter der märchenhaften Handlung verbirgt sich eine tiefere Botschaft: Bücher sind lebendig, solange sie gelesen werden. Wenn niemand sie mehr öffnet, sterben sie. Die Katze Tiger fungiert dabei als symbolische Wächterin dieser literarischen Welt – halb magisches Wesen, halb Stimme des Gewissens. Sie lehrt Nanami, dass Lesen nicht nur eine Flucht ist, sondern eine Form des Verstehens: von sich selbst, von anderen, von der Welt. In einer Szene sagt Tiger: „Ein Buch wird erst lebendig, wenn jemand es liebt.“ – Ein Satz, der die Essenz dieses Romans auf den Punkt bringt.
Sosuke Natsukawa gelingt es, die feine Balance zwischen Melancholie und Hoffnung zu halten. Wie schon im ersten Band verbindet er poetische Bilder mit stiller Emotionalität. Seine Sprache ist schlicht, aber voller Wärme – typisch für die japanische Erzähltradition, die Alltägliches in leisen, tiefgründigen Momenten verwandelt. Nanami ist dabei eine der sympathischsten Heldinnen, die man in der neueren japanischen Literatur finden kann. Ihre körperliche Schwäche wird nicht als Makel, sondern als Quelle von Sensibilität und Stärke gezeigt. Durch sie erlebt der Leser das Wunder des Lesens neu: wie Bücher Menschen verbinden, Mut machen und das Unsichtbare sichtbar werden lassen.
„Die Katze, die unsere Bücher rettete“ ist ein Buch über Bücher – aber nicht im elitären, sondern im zutiefst menschlichen Sinn. Es erinnert daran, dass Literatur keine Distanz braucht, sondern Nähe schafft. Der Roman kann von Erwachsenen ebenso gelesen werden wie von Jugendlichen oder gemeinsam mit Kindern. Die Mischung aus Fabel, Märchen und modernem Coming-of-Age macht das Werk zugänglich und vielschichtig zugleich. Hinter jeder Seite steckt eine Einladung: sich wieder an das Staunen zu erinnern, das erste Lieblingsbuch, die Magie einer Geschichte, die man nie vergisst.
Sabine Mangolds Übersetzung fängt den poetischen Rhythmus der japanischen Originalausgabe meisterhaft ein. Die deutsche Ausgabe liest sich leicht und schwebend, ohne an Tiefe zu verlieren. Wie schon bei Haruki Murakami oder Toshikazu Kawaguchi liegt auch hier eine zarte Melancholie über allem, die Trost spendet, statt traurig zu machen. Natsukawas Stil erinnert manchmal an einen stillen Miyazaki-Film in Buchform: Fantasie, Philosophie und eine Prise Humor verschmelzen zu einer universellen Geschichte über Liebe, Verlust und Neuanfang.
„Die Katze, die unsere Bücher rettete“ ist eine Hommage an die Literatur – und an all die Menschen, die mit ihr leben. Es ist ein Buch, das man langsam liest, Seite für Seite, wie man eine gute Tasse Tee genießt. Gerade in der dunklen Jahreszeit ist es das ideale Geschenk für alle, die Bücher lieben, Katzen schätzen und daran glauben, dass Geschichten die Welt verändern können.