«Pluribus»: Die Serienstars Vince Gilligan und Rhea Seehorn blasen zum Angriff

«Better Call Saul» war ihr beider Meisterstück: Nun folgt mit «Pluribus» eine erneute Serienzusammenarbeit, diesmal bei AppleTV+.

Mit der Serie «Pluribus» startet Apple TV+ gemeinsam mit Vince Gilligan – dem Schöpfer von «Breaking Bad» und «Better Call Saul» – ein ambitioniertes Streaming-Projekt, das sich deutlich jenseits herkömmlich ausgetretener Pfade bewegen soll. Und richtig: Gilligan folgt nach seinen großen Erfolgen nicht in vertraute Gewässer, sondern wählt ein Konzept, das man als stille Provokation gegenüber dem üblichen Streaming-Mainstream begreifen kann: eine Mischung aus Science-Fiction, Allegorie und Charakterstudie. Die Serie startet am 7. November 2025 mit den ersten beiden Episoden, gefolgt von wöchentlich neuen Folgen bis zum 26. Dezember.

Im Zentrum steht eine Figur namens Carol Sturka, dargestellt von Rhea Seehorn (Everybody’s Darling Kim Wexler aus «Better Call Saul»), die ausgerechnet der „unglücklichste Mensch der Erde“ sein soll und nun die Welt retten muss, nachdem ein mysteriöses Virus die gesamte Menschheit in mit sich und allem zufriedene Optimismuszombies verwandelt hat.

Man erkennt sofort: Diese Prämisse weist wieder auf den immensen Genre-Spieltrieb hin, für den sich Vince Gilligan in den letzten beinahe 20 Jahren einen Namen in Hollywood gemacht hat. Gleichzeitig verspricht dieser Ansatz nachdrücklich, dass hier ein Metakonstrukt entsteht: Glück wird nicht länger als Ziel verstanden, sondern als Bedrohung. In einer Zeit, in der Streaming-Anbieter mit Reizüberflutung, Algorithmus-Optimierung und exzessiver Verfügbarkeit von Serienkäufen arbeiten, erscheint «Pluribus» beinahe als Gegenprogramm: eine Serie, die Reflexion fordert, statt nur Unterhaltung.

Die Entscheidung, Rhea Seehorn in der Hauptrolle zu besetzen, ist natürlich ein Coup. Schon in «Better Call Saul» spielte sie eine der reizvollsten, faszinierendsten und ja: auch sympathischsten Figuren – hier wird sie nun endgültig in den Fokus eines Stoffs gerückt, der sie als Schauspielerin nun vollends herausfordern soll: Er handelt nicht von Drogenkartellen, Gerichtssälen oder moralisch uneindeutigen Antihelden, sondern von einer allzu diffusen Verunsicherung, die in einer Welt entsteht, die nicht nur als Mikrokosmos vollends aus den Fugen geraten ist. Diese selbstreferenzielle Besetzungsentscheidung stellt natürlich gleichsam einen starken Bezug zu Vince Gilligans früheren Werken her, ohne sich unbedingt einer zu starken Metafiktionalisierung bedienen zu wollen.

Auch ästhetisch und narrativ gerät «Pluribus» zu alles anderem als einem typischen Streaming-Stoff. Das Format will vielmehr in bewusster Spannung zur bekannten Norm stehen: zwischen den Genre-Elementen, zwischen dem Bekannten und dem Fremden, zwischen dem Glücksversprechen und dessen Umkehrung.

Ein wenig Beklemmen kann einem die Vorstellung machen, was geschehen könnte, wenn eine solche Idee zu abstrakt wird, wenn die Reflexion das Fiktionale überlagert und damit der emotionale Zugriff verloren geht. Denn Serien mit großen Ambitionen stehen stets vor der Herausforderung, Erzählung, Stil und Zuschauerbindung in Einklang zu bringen. Kaum weniger herausfordernd wird die Länge des ersten Zyklus sein: neun Episoden – kürzer als viele heutige Prestige-Serien – und dennoch wurden gleich zwei Staffeln bestellt.

Trotzdem: «Pluribus» kommt zum richtigen Zeitpunkt. Die Streaming-Landschaft ist gesättigt, das Publikum anspruchsvoller, zugleich gelangweilt von schnellen Konsumformaten. Hier könnte eine Serie, die nicht nur konsumiert, sondern nachgedacht werden will, viele Zuschauersegmente gleichermaßen überzeugen. Für Gilligan bedeutet sie einen Neuanfang – nicht mehr die dunkle Welt der Drogenkartelle, sondern eine Welt, in der das Glück selbst zur Frage wird. Für Apple TV+ bedeutet sie eine Fortsetzung des Kurses, sich als Plattform nicht allein für Masse, sondern für solche Produktionen zu positionieren, die ihre Zuschauer wirklich herausfordern. Wer sich einlassen will, darf sich auf eine Serie freuen, die nicht nur erzählt, sondern provoziert, die nicht nur unterhält, sondern hinterfragt – und die gerade deshalb spannend sein dürfte.

Die Serie «Pluribus» wird ab Freitag, den 7. November bei AppleTV+ ausgestrahlt.
07.11.2025 03:00 Uhr  •  Oliver Alexander Kurz-URL: qmde.de/166060