Oliver Rihs: ‚Ein anarchistischer Anschlag auf die Cancel Culture‘
Mit «Schwarze Schafe – Die Serie» wagt Oliver Rihs ein beispielloses Experiment: eine komplett unabhängige Produktion – ohne Sender, ohne Fördergelder, dafür mit maximaler künstlerischer Freiheit.
Herr Rihs, «Schwarze Schafe – Die Serie» ist das erste komplett unabhängige Serienprojekt ohne Sender oder Förderung. Wie fühlt es sich an, ein solches Wagnis einzugehen – und warum war Ihnen diese Unabhängigkeit so wichtig?
Natürlich hat man da Nervenkitzel, wenn so eine Serie online geht, denn es hat vor uns einfach noch keiner so probiert. Sind die Zuschauer bereit eine unabhängige Serien-Seite aufzurufen, haben sie Lust auf die Erfrischung, oder nicht? Wir wollten bewusst Unabhängigkeit, weil ich einfach finde, dass dann die künstlerische Freiheit besser zaubern kann. Ich glaube, man merkt es dem Produkt an, dass da eine andere Energie waltete.
Der Film war bereits ein anarchischer Trip durch Parallelwelten und gesellschaftliche Abgründe. Wie haben Sie die Tonalität und das Chaosgefühl für die Serie weiterentwickelt, ohne den Kern zu verlieren?
Die Serie ist zuerst entstanden, der Film ist sozusagen sowas wie ‚der längste Trailer der Welt‘ für die Serie. Es war also eher die Aufgabe, wie wir die Vielfalt der Serie in den viel kürzeren Film bringen können. Ich glaube das ist recht gut gelungen. Das Herzstück aber ist die Serie.
Im Pressetext heißt es, die Serie sei „wild, radikal und befreiend“. Was bedeutet „befreiend“ für Sie in künstlerischer Hinsicht – gerade in einer Branche, die oft von Fördertöpfen und Senderinteressen geprägt ist?
Eben halt frei von diesen Auflagen. Unserer Zeit, wo alles 300% politisch korrekt sein muss, wollten wir etwas entgegensetzen. Es ist ein anarchistischer Anschlag auf Cancel Culture. Schwarze Schafe erlaubt es sich, auf alle Seiten auszuteilen. Wichtig war mir nur, dass dies immer liebevoll und nie zynisch geschieht. Wir sind maßlos aber nie böswillig.
In «Schwarze Schafe» treffen wieder Figuren aus unterschiedlichsten Milieus aufeinander – vom Drogenbaron bis zum Balkonimker. Wie gelingt es Ihnen, diesen Wahnsinn erzählerisch zusammenzuhalten?
Das ist immer viel Arbeit, ein großer Teil davon geschieht tatsächlich am Schnittplatz. Es war ein langer Prozess so viele Figuren nebeneinander zu erzählen, dass man stets bei ihnen bleibt.
Sie erzählen mit schwarzem Humor, Satire und absurdem Realismus. Wie finden Sie bei gesellschaftspolitischen Themen – von Klimawandel bis Rechtsextremismus – die richtige Balance zwischen Provokation und Haltung?
Auch das ist eine Gratwanderung. Die Idee den Klimawandel in eine. Komödie zu verflechten, kam mir ja nicht, weil ich ein Klimawandel-Lügner wäre, im Gegenteil, sondern weil ich es oft äußerst grotesk finde, wie wir Menschen dem Thema begegnen: Darf ich jetzt noch in den Urlaub nach Costa Rica fliegen, oder soll ich lieber das Fleischessen sein lassen etc., wir sind mit dem Thema überfordert und das führt auch zu unfreiwilliger Komik. Die wollen wir in ‚Schwarze Schafe‘ zeigen. Rechtsextreme aufs Korn zu nehmen, das bereitete mir jetzt nicht so Schwierigkeiten. By the way: 1 Euro geht bei Serienmiete direkt an Viva con Agua. Der Konsument tut also gleichzeitig Gutes, während er über den Klimawandel auch mal lachen darf. Lachen ist heilend und nichts Schädliches.
Viele bekannte Gesichter sind wieder dabei, darunter Jella Haase, Milan Peschel, Frederick Lau oder Martin Brambach. Wie haben Sie diesen Ensemble-Geist erneut eingefangen, und wie viel Improvisation steckt in der Serie?
Es waren noch einige tolle Schauspieler mehr dabei, auch Neuentdeckungen wie etwa eine Jobel Mokonzi. Ich arbeite nur gerne mit Schauspieler, die ich auch menschlich mag. Die hier haben alle das Herz am rechten Fleck. Durch die tollen Dialoge, die vor allem von der großartigen Co-Autorin Cristina Tarpo geschrieben wurde, ließ ich diesmal nicht soviel Improvisation zu. Aber klar, auch hier erfanden wir oft direkt am Set noch Szenen neu oder erweiterten sie. Ich mag es, immer auch eine Tür zur Erneuerung offen zu lassen und bin Freund von Spontanität.
Die Serie erscheint nicht auf einer klassischen Plattform, sondern auf einer eigens geschaffenen Website – inklusive sozialem Spendenmodell. Wie kam es zu der Idee, Kunst und Engagement zu verbinden?
Diese Idee hatte ich von dem Moment an, wo ich mich dazu entschied auch den Klimawandel zu thematisieren. Es war mir ein Bedürfnis, auch etwas zurückzugeben und dass die Serie nicht nur gute Unterhaltung bietet, sondern auch eine gute Tat beinhaltet. Das finde ich doch recht innovativ und hoffe, dass die Zuschauer das schätzen.
«Schwarze Schafe» wurde nach ökologischen Standards produziert. Wie lässt sich Nachhaltigkeit mit einer so wilden, energiegeladenen Produktion überhaupt vereinen?
Es ist natürlich unwahr zu behaupten, dass man mit so einer aufwendigen Produktion nicht auch viele Ressourcen verbraucht. Wir taten was wir konnten um dennoch so umweltbewusst wie möglich zu drehen: Keine Flüge, vegetarisches Catering, Recycling, wo es geht, möglichst null Papierverbrauch etc. Ich glaube wir hatten ein Team, dass doch versucht hatte, sehr umweltbewusst den Alltag zu bestreiten.
Die Serie trägt klare Independent-DNA – aber auch eine universelle Botschaft über gesellschaftliche Widersprüche. Was soll beim Publikum am Ende bleiben: das Lachen, die Wut, oder vielleicht beides?
Das Lachen sehr gerne, die Wut eher gering. Auch wenn die Serie teils recht heftig und schwarzhumorig ist, endet sie doch sehr versöhnlich. Ich versuche am Ende die Figuren zu vereinen und ihnen einen Moment von Demut und Dankbarkeit für das wunderbare Leben mitzugeben. Diesen Zustand möchte ich auch dem Zuschauer schenken.
Zum Schluss: Der Kinofilm war 2024 ein Statement, die Serie 2025 ein Experiment. Was kommt als Nächstes – noch mehr «Schwarze Schafe» oder ein ganz neuer künstlerischer Aufbruch?
Etwas komplett anderes, zuerst ein hochdramatisches Filmprojekt, dass sich männlicher Toxizität widmet und dann arbeite ich mit meinem Autorenfreund Constantin Lieb schon länger an einen aufwändigen Film über Friedrich Nietzsche, dem ich liebend gerne ein Denkmal setzen würde, das seinem Genie auch gerecht wird.