Podstars: «Wolf of Cannabis»

1LIVE zeigt den wilden Westen der deutschen Hanf-Industrie in einer siebenteiligen Audio-Serie.

Mit «Wolf of Cannabis» wagt 1LIVE eine investigative Audio-Reportage, die mitten hineinführt in eine Branche zwischen Goldrausch, Gesetzeslücke und gesellschaftlichem Wandel. Der siebenteilige Podcast begleitet den Unternehmer Niklas Kouparanis, Gründer der Bloomwell Group, und zeichnet das Porträt eines Mannes, der sich selbst als Pionier sieht – und von seinen Kritikern als geschickter Grenzgänger zwischen Legalität und Geschäftssinn betrachtet wird.

Niklas Kouparanis, einst Startup-Hoffnungsträger, heute umstrittener Branchenheld, will nichts weniger als das „Amazon für Cannabis“ erschaffen. Seine Plattform verspricht: medizinisches Cannabis, einfach online bestellen. Doch wie funktioniert das rechtlich – und wie weit darf man gehen, wenn man mit der Legalisierung Geld verdienen will? Der Podcast, moderiert von Marlene Halser, begleitet Kouparanis durch Höhen und Tiefen, von der luxuriösen Unternehmerwelt bis in die juristischen Grauzonen. Dabei wird klar: Diese Branche ist kein normaler Markt. Zwischen Ärzten, Lobbyisten und Influencern entsteht ein Milliardenbusiness, das an die frühen Tage des Internets erinnert – chaotisch, unreguliert und voller Chancen für die, die schnell genug handeln.

In der ersten Folge, „Bienchengruppe“, lernen die Hörer Nik als schillernde Figur kennen – laut, ehrgeizig, mit Street-Credibility. Er will Vertrauen schaffen, aber auch provozieren. „Der Wolf“, die zweite Episode, führt in die Tiefen der Lieferkette: Eine Reise zu einer Hightech-Plantage in Nordmazedonien zeigt, wie global das Geschäft längst geworden ist. Und sie offenbart, wie undurchsichtig die Strukturen sind – selbst für jene, die an der Spitze stehen.

In „Phönix“ erzählt Kouparanis, wie er mit seinem ersten Unternehmen scheiterte – und warum er glaubt, diesmal alles besser zu machen. Doch schon in „Haifischbecken“ wird deutlich, dass die Cannabis-Szene alles andere als friedlich ist. Hier tummeln sich Rapper, Schauspieler und ehemalige Boxer. Kooperationen und Klagen wechseln sich ab, jede Woche ein neues Drama. Die fünfte Episode, „Versuchskaninchen“, zeigt schließlich, wie Telemedizin und Social Media den Markt explodieren lassen – mit Ärzten, die Rezepte per Online-Fragebogen ausstellen, und Influencern, die Heilversprechen posten. Halser testet selbst, wie einfach es ist, an ein Rezept zu kommen. Das Ergebnis: erschreckend leicht.

In „Der tapfere Bär“ steht dann einer dieser Ärzte im Fokus – ein kroatischer Mediziner, der Cannabis quasi im Akkord verschreibt. Die Reportage balanciert geschickt zwischen investigativer Recherche und feuilletonistischer Beobachtung, ohne dabei den roten Faden zu verlieren. Schließlich endet die Staffel mit „Asche“: Ein neuer Gesetzentwurf droht, den Boom zu stoppen. Die Bundesregierung will die Telemedizin stärker regulieren – ausgerechnet das Fundament von Kouparanis’ Geschäftsmodell. Der selbst ernannte „Wolf“ beginnt zu kämpfen: in Talkshows, auf Panels, in den Hinterzimmern der Politik. Ob er gewinnt oder verliert, bleibt offen – aber die Geschichte zeigt, wie eng wirtschaftlicher Ehrgeiz und politische Realität miteinander verwoben sind.

«Wolf of Cannabis» ist kein nüchterner Wirtschaftspodcast, sondern ein spannend erzähltes Stück Gegenwart. Die Reporter geben sich nicht mit Pressemitteilungen zufrieden, sondern reisen, beobachten, hinterfragen. Sie lassen Nik reden – viel und oft – und schaffen es so, seine Faszination wie auch seine Eitelkeit einzufangen. Zwischen Boom und Risiko, Idealismus und Profitgier entsteht das Bild einer Industrie, die stellvertretend für die deutsche Legalisierungsdebatte steht: voller Euphorie, aber noch ohne Regeln. Der Podcast zeigt, wie das System funktioniert – und wie schnell es kippen kann, wenn politische Entscheidungen über Nacht neue Realitäten schaffen.

Die siebenteilige Serie ist mehr als nur ein Porträt eines schillernden Unternehmers. Es ist ein Einblick in den Maschinenraum einer entstehenden Industrie, die medizinische Hoffnung, Lifestyle-Trend und Renditeversprechen zugleich ist. Die Reportage fragt, wer in dieser neuen Welt profitiert – und wer am Ende die Zeche zahlt. Produziert wurde die Reihe von 1LIVE und WDR, mit hoher erzählerischer Qualität, dramaturgischem Feingefühl und akustischer Dichte. Jeder Soundeffekt, jedes Gespräch, jedes Geräusch auf der Plantage trägt zur Atmosphäre bei.

09.11.2025 12:03 Uhr  •  Sebastian Schmitt Kurz-URL: qmde.de/165628