Jürgen Vogel: ‚Ich wollte Geschichten erzählen, die wirklich etwas bedeuten‘
Der Schauspieler hat bei «Jenseits der Spree» erstmals Regie geführt – und dabei zwei besonders emotionale Folgen umgesetzt. Im Interview spricht er über seine Leidenschaft fürs Erzählen, den Blick hinter die Kamera und warum ihn intuitive Figuren mehr berühren als perfekte Inszenierungen.
Herr Vogel, Sie spielen nicht nur Robert Heffler, sondern haben in dieser Staffel auch bei zwei Folgen Regie geführt. Was hat Sie gereizt, hinter die Kamera zu wechseln?
Ich habe bei dieser Serie von Anfang an allen gesagt, dass ich Lust hätte, Regie zu führen. Das ZDF und der Produzent von Studio Zentral, Lasse Scharpen, wussten das also; wie weit sie es damals ernst genommen haben, kann ich jetzt nicht sagen. (lacht) Ich wollte aber nicht Auftrags-Regie machen bei Büchern, die andere entwickelt haben, sondern für eigene Geschichten, die ich mit dieser Serie erzählen möchte. Ich hatte diese beiden Fälle schon lange im Kopf und konnte sie pitchen, bevor ich sie mit der Autorin Svenja Rasocha entwickelt habe. Es sind extreme Folgen, ich habe die Plots immer weiter zugespitzt. Dann fanden alle die Bücher gut und dann konnten wir das machen – was ein riesiges Geschenk ist. Ich bin sehr dankbar, dass das ZDF und der Produzent mir das Vertrauen entgegengebracht haben, das zu tun. Ich konnte sie überzeugen, dass das ohne Probleme gedreht und produziert wird. Ich wollte ‚meinen‘ Töchtern eine Plattform geben, um zu zeigen, was sie spielerisch können. Den Young Talents wurde der Teppich ausgerollt, und das ist meiner Meinung nach auch sehr gut aufgegangen. Alle sind glücklich mit den Folgen und das hat mir ein gutes Gefühl gegeben. Es hat sich gelohnt, dafür so viel zu kämpfen. Und es hat Spaß gemacht.
Wie unterscheidet sich Ihr Blick auf eine Figur wie Robert Heffler, wenn Sie diese gleichzeitig spielen und inszenieren?
Ich gucke nie nur als Schauspieler auf Sachen, ich hatte schon immer die Außenansicht. Ich gucke dramaturgisch, filmisch, eigentlich auf alles auch immer mit einem anderen Auge – seit 42 Jahren. Wenn ich das nicht gemacht hätte, wäre es für mich nicht so einfach gewesen. Ich inszeniere mich zum größten Teil selbst oder musste das tun, aus verschiedensten Gründen, hab meine Figuren auch meistens allein kreiert, immer viel verändert. Hätte ich das nicht gemacht, würde ich jetzt wahrscheinlich nicht hier sitzen. Ich glaube das war damals, als ich eingestiegen bin, das Besondere: Ich hatte eine ganz klare Vorstellung von der Figur, die ich da spiele. Also nicht „Wie soll ich Dir das spielen?“, sondern sie mussten sich dann mit mir reiben, weil sie vielleicht eine andere Vorstellung hatten, die ich aber nicht erfüllen wollte. Ich konnte nur das spielen, was ich auch gefühlt habe, weil ich ein Autodidakt bin. Jemand, der da anders ran geht als jemand, der über den Kopf funktioniert. Ich bin am naturalistischen Schauspiel interessiert und war damals in das proletarische Schauspiel reingerutscht, weil das meine Herkunft ist. Das war mir viel wichtiger, als das mich ein Regisseur ganz toll findet, weil ich alles mache, was er sagt. Ich hatte immer eine Verantwortung der Figur gegenüber, die ich spielte. Das fühle ich halt heute noch, auch wenn ich Sachen inszeniere: Die Figuren müssen sich echt anfühlen und echte Situationen schaffen und situative Geschichten erzählen, die man gut nachvollziehen kann. Ohne zu viel ‚Gelaber‘: Das intuitive Fühlen und Erleben sind mir wichtiger als das Verstehen. Ich glaube, Gefühle versteht man gut, aber für jeden sind sie ein bisschen anders; und das mag ich daran. Ich glaube, dass das die Leute auch mehr berührt, wenn sie jemanden sehen, der nicht verkopft ist.
Welche besonderen Herausforderungen bringt es mit sich, Regie bei einem Format zu führen, in dem Sie selbst eine zentrale Rolle haben?
Du musst immer aus verschiedenen Perspektiven denken: Du musst die Auflösung machen, du musst das Motiv im Griff haben, die Schauspieler inszenieren und ne Idee haben. Mein Trick war, dass ich, bevor wir die Szene gedreht haben, alles einmal vorgetanzt habe. Ich habe allen Abteilungen gesagt was jetzt passiert und mit welcher Auflösung wir anfangen, das ist für die Schauspieler hilfreich. Bei den Proben darf das Team in der Regel nicht dabei sein, weil man Angst hat, dass sie stören könnten, bei mir schon, das war mir wichtig. Das hat den Arbeitsprozess schnell gemacht.
Gab es Szenen, bei denen Ihnen Ihre Doppelfunktion als Schauspieler und Regisseur besonders geholfen hat – oder Momente, in denen es schwierig wurde?
Ich finde gar nix schwierig, muss ich ehrlich sagen, tut mir leid. Alles, was ich schön finde, alles, was ich gerne mache, ist für mich nicht schwierig. Das sowas mal anstrengend sein kann, ist für mich nicht erwähnenswert. Am Schluss macht mir das so viel Spaß und es ist so schön, dass wir das alle gemeinsam machen können. Und trotzdem ging es um was, denn wir haben was Essentielles zu erzählen. Das hat immer was Positives und die Anstrengung ist vergessen, weil sie unwichtig ist.
Im Zentrum der neuen Staffel steht Roberts Privatleben.
In beiden Folgen geht es um die Lebensgefahr für meine Töchter, es geht um diese Angst, dieses Drama, deswegen sind es Ausnahmesituationen und -Folgen.
Parallel erfährt Mavi mehr über ihren verschwundenen Vater. Welche Dynamik zwischen Robert und Mavi war Ihnen in Ihrer Regiearbeit besonders wichtig herauszustellen?
Ich fand toll, dass in beiden Folgen, die ich inszeniert habe, Ermittlerin Mavi Kollege Robert total stützt: Sie trägt ihn durch diese schwere Zeit. Und damit wird seine ‚private line‘ zu ihrer gemeinsamen ‚private line‘. Umgekehrt stützt auch Robert Mavi in der Problematik mit ihrem Stiefvater (4. Staffel). Ich möchte nicht zu viel verraten, aber da kommt noch was. Ich möchte, dass das Private der Figuren genauso auf Augenhöhe ist, wie sie auch ermitteln. Beide sind Hauptkommissare der Mordkommission. Die Figur Mavi hat genauso viel zu sagen wie meine, das war mir von Anfang an wichtig. Ich mag total an der Konstellation, dass meine Figur nicht automatisch das Sagen hat, nur weil sie älter ist. Es spielt sich toll für mich, dass Robert von Mavi noch was lernen kann. Sie sind grundverschieden, aber sie ergänzen sich, helfen sich und ermitteln gut zusammen. Das mag ich sehr, unabhängig davon, dass Aybi Era ein absoluter Schatz ist und es so eine Freude ist, mir ihr diese Serie zu machen.
«Jenseits der Spree» lebt von der Balance zwischen Kriminalfällen und privaten Geschichten. Sehen Sie darin auch ein Alleinstellungsmerkmal, das die Serie für Sie spannend macht?
Ja, das ist auch das Feedback, das ich kriege: „Das ist doch dieser Krimi mit den Töchtern“ oder „ich schaue gern Krimi, aber diese Geschichten mit den Töchtern finde ich ganz besonders toll“. Robert ist in der permanenten Überforderung und zerrissen zwischen family life und Job, das schwebt immer mit, auch wenn man dem nicht in jeder Folge gerecht werden kann. Das mag ich total gern.
Sie haben in Ihrer Karriere sehr unterschiedliche Typen gespielt, von «KDD» bis Kinohits. Wie fließen diese Erfahrungen in Ihre Arbeit als Regisseur ein?
Immer. Ich habe das Glück, dass ich diesen Job seit 42 Jahren mache. Ich habe seit über 30 Jahren eine Filmproduktion mit Matthias Glasner und entwickle Arthaus-Kinofilme. Wir haben viele Filme produziert, die Wettbewerbsbeitrage auf der Berlinale waren. Ich glaube, ich habe über 170 Filme gedreht. Ich durfte diesen Job nicht nur ausüben, sondern auch in allen Nuancen leben. Ich durfte so viel analysieren an Fehlern, dass ich nun die Chance habe, ein paar Sachen vorausschauend entgegenzutreten. Ob als Produzent, Co-Autor oder Schauspieler, es ist letztlich egal: Wenn dich alles interessiert und du so viel Erfahrung hast, ist es ein Riesengeschenk, den Prozess bis zur Postproduktion begleiten zu dürfen. Was ich da einbringen kann, hilft mir total.
«Jenseits der Spree» geht in die fünfte Staffel. Hätten Sie gedacht, dass Sie so lange bei diesem Projekt sein werden?
Ich habe am Anfang gesagt: „Ich mach das 10 Jahre jetzt erstmal“ (lacht). Und weil ich die ‚private line‘ ja mit entwickle, wusste ich, dass man das supergut auf Langzeit erzählen kann. Da passiert ganz viel, das fand ich spannend. Das ist das Besondere, das gab es noch nie am Freitagabend.
Als Schauspieler kennen Sie die Bedürfnisse vor der Kamera genau. Inwiefern macht Sie das zu einem anderen Regisseur als jemanden, der „nur“ hinter der Kamera arbeitet?
Müsste man jetzt die Schauspielerinnen fragen. Wäre eigentlich gut, wenn Aybi das beantwortet. Das Wichtigste ist, dass sich alle Gewerke dann bitte darin wiederfinden und -sehen, vom Kameramann bis zum Cutter oder auch der Ausstattung etc. etc.. Ich habe keinen Spaß daran, jemand zu verbiegen. Jeder darf mir seine Version zeigen und dann entscheidet man gemeinsam, ob das wirklich besser ist. Gleiches gilt für die Schauspielerinnen und Schauspieler: Wenn Aybi sagt, dass sich das für sie nicht richtig anfühlt, dann soll sie es so machen, wie es sich für sie gut anfühlt. Ihre Interpretation der Figur ist ihre Freiheit. Das ist meine Philosophie.
Was hat Sie während dieser Regiearbeit am meisten überrascht – sei es über das Handwerk, das Team oder vielleicht auch über sich selbst?
Bevor man es macht, weiß man nicht, ob man es kann. Es ist einfach so: Egal wie gut du vorbereitet bist, du weißt nie zu 100 %, dass du es kannst. Und dann war die größte Überraschung: Du kannst das wirklich. (lacht) Wenn das dann wirklich alles so funktioniert, wie du dir das vorgestellt hast und dein Kameramann oder andere sagen „Das ist wirklich gut, die Szene, die Idee“: Das ist so ein tolles Gefühl und dann nimmt man das gern einfach mal hin.
Und zum Schluss: Würden Sie gerne öfter Regie führen, vielleicht auch in ganz anderen Genres – oder bleibt Ihr Herz weiterhin zuerst bei der Schauspielerei?
Ich bin immer Schauspieler, werde aber auch weiter Regie machen, ich entwickle gerade mit den gleichen Produzenten von Studio Zentral, Lasse Scharpen und Kerstin Lipownik weitere Kinoprojekte, das dauert, aber ich mache das auf jeden Fall weiter. Ich möchte das auch wieder in der Konstellation mit der Autorin Svenja Rasocha, der Editorin Anna Kappelmann und Johannes Louis an der Kamera machen. Diese Head ofs möchte ich auf jeden Fall an meiner Seite haben.
Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!
Die fünfte Staffel von «Jenseits der Spree» startet am Freitag, den 24. Oktober 2025, um 20.15 Uhr. Die Folgen sind seit 17. Oktober in der ZDFmediathek abrufbar.