Keine Rezeptur für den Erfolg: Der Fernsehsender aus Unterföhring hat kein Handwerk für tägliche Serien – das spüren auch die Menschen aus dem Feuilleton.

ProSieben wollte mit
«Die Cooking Academy» ein neues Vorabend-Kapitel aufschlagen. Doch die ambitionierte Fiction-Serie scheiterte schon in ihrer ersten Woche. Mit Marktanteilen um die ein Prozent bei allen und kaum mehr als vier Prozent in der Zielgruppe 14 bis 49 Jahre sind die Werte des Formats erschütternd niedrig. Trotz prominenter Platzierung um 18 Uhr, direkt vor den Nachrichten, verfehlte die Serie alle Erwartungen – sowohl beim Publikum als auch im Hinblick auf die inhaltliche Positionierung.
Das Zeitfenster kurz vor 18 Uhr ist seit Jahren ein Sorgenkind bei ProSieben, weil «Die Simpsons» ihren Schwung verloren haben. Während Formate wie «taff» solide laufen, hat die gelbe Familie zuletzt eher ausgedient. Schon vor Jahren haben Fiction-Versuche wiederholt Schiffbruch erlitten. «Lotta in Love» (2006) oder «Mallorca – Suche nach dem Paradies» (1999) zeigten, dass tägliche Serien im Umfeld des Unterföhringer Senders kaum funktionieren. Der Versuch, mit «Die Cooking Academy» eine moderne, jüngere Telenovela zu etablieren, knüpft zwar an diese Linie an, ignoriert jedoch, dass die Sehgewohnheiten des Publikums anders sind. ProSieben ist ab 18.00 Uhr ein Sender für eher männliche Zuschauer, Serien mit weiblichen Zuschauern werden auf diesem Platz aber nicht angenommen.

Bereits zum Start am Montag, dem 6. Oktober 2025, erreichte die Serie nur 0,12 Millionen Zuschauer ab drei Jahren. Der Marktanteil lag bei mageren 0,9 Prozent, in der werberelevanten Zielgruppe bei 2,8 Prozent. Am Folgetag sank die Reichweite leicht auf 0,11 Millionen, während die Zielgruppenquote mit 2,9 Prozent nahezu unverändert blieb. Der dritte Sendetag brachte keine Wende – 0,11 Millionen Zuschauer und 4,0 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen bedeuteten allenfalls eine kosmetische Verbesserung. Für ProSieben, das am Vorabend meist zweistellige Zielgruppenanteile anstrebt, sind diese Werte weit unterhalb der Schmerzgrenze. Selbst wenn man berücksichtigt, dass «Die Cooking Academy» zeitgleich bei Joyn und Disney+ verfügbar ist, zeigt sich kein Anzeichen dafür, dass das Publikum das Format auf anderen Plattformen kompensiert. In den linearen Quoten bleibt das Projekt ein Flop – und im Gegensatz zu anderen Joyn-Productions ist von einem Online-Hype keine Spur.
Inhaltlich erzählt die Serie von Irini, einer jungen Frau mit deutsch-griechischen Wurzeln, die sich an einer fiktiven Kochakademie durchsetzen will. Die Idee – Kochen als Drama- und Karriereschauplatz – klingt zunächst originell. Doch was in der Umsetzung bleibt, ist eine seifenopernhafte Geschichte ohne Lokalkolorit oder Glaubwürdigkeit. Gedreht wurde nicht, wie im Drehbuch behauptet, in Freiburg, sondern in Köln und Umland. Außenaufnahmen fehlen nahezu völlig, wodurch das Format einen sterilen, unechten Look erhält. Die Schauplätze wirken karg, die Farbwelt trist, die Figuren uncharismatisch. Selbst innerhalb des Soap-Genres, das oft mit begrenzten Budgets arbeitet, fällt «Die Cooking Academy» durch mangelnde Authentizität auf. Auch die Dialoge wirken altbacken und klischeehaft – zwischen Kalendersprüchen wie „Wer nicht alles gibt, ist hier falsch“ und erzwungenen Flirts fehlt jede emotionale Tiefe. Eine glaubwürdige Dynamik zwischen den Hauptfiguren entsteht nicht.
Während frühere Telenovela-Formate wie «Verliebt in Berlin» (2005) mit bekannten Gesichtern wie Alexandra Neldel punkten konnten, setzt ProSieben diesmal auf weitgehend unbekannte Nachwuchsschauspielerinnen und -schauspieler. Diese Entscheidung mag aus Kostengründen nachvollziehbar sein, verringert jedoch den Einschaltimpuls erheblich. Die Serie hat keinen Wiedererkennungswert und keine Leitfigur, die das Publikum emotional bindet. Zudem ist das Genre an sich riskant: ProSieben konnte mit dieser Programmfarbe noch nicht punkten. Für Sat.1 sind die Hauptfiguren auch zu jung, der Sender ist klar auf die Zuschauer ab 50 Jahren ausgerichtet.

Ein weiteres Problem liegt in der Außendarstellung. Selbst Branchenbeobachter bemerkten, dass ProSieben seine neue Eigenproduktion kaum beworben hat. Presseunterlagen, Fotos oder Interviewangebote waren entweder unvollständig oder mangelhaft. Eine Pressemappe mit Hintergrundinformationen oder ein klarer Kommunikationsplan – wie bei «The Voice of Germany» oder «Promi Big Brother» üblich – fehlten komplett. Das zeigt, dass die Serie offenbar schon vor der Ausstrahlung intern als Ladenhüter galt. Selbst im Joyn-Umfeld, wo der Konzern verstärkt crossmedial arbeitet, blieb die Bewerbung minimal.
Für ProSieben ist der Misserfolg mehr als nur ein Quotendebakel. Er zeigt erneut, dass der Sender Schwierigkeiten hat, glaubwürdige Fictionformate außerhalb von Eventserien zu etablieren. Nach dem Scheitern von Produktionen wie «Check Check» oder «Die Discounter»-Imitaten war «Die Cooking Academy» der Versuch, wieder regelmäßige Fiction in den Alltag zu integrieren. Doch das Konzept passt nicht zur Markenidentität des Senders. Bereits die Projektankündigung war für viele aus der Branche nicht nachvollziehbar.
Angesichts der miserablen Werte scheint das Ende vorprogrammiert. Branchenintern gilt als wahrscheinlich, dass «Die Cooking Academy» bald aus dem linearen Programm verschwindet – entweder ins Digitalangebot von Joyn wandert oder still eingestellt wird. Für ProSieben wäre das kein Novum: Schon frühere Daily-Versuche wurden leise entsorgt, um den Schaden zu begrenzen.
ProSieben ist stark, wenn es um Events, Shows und Personality-Formate geht. «Wer stiehlt mir die Show?», «Joko & Klaas LIVE» oder «The Voice» verkörpern den Entertainment-Kern des Senders. Eine Telenovela mit Küchenkonflikten hingegen wirkt dort wie ein Fremdkörper. Weder das Thema noch die Präsentation oder das Marketing passten zu den Zuschauererwartungen am Vorabend. Für ProSieben bleibt damit ein bitterer Befund: Das Publikum hat entschieden – und das Urteil ist eindeutig.