Gisa Flake: ‚Es muss eine Show her – mit Humor, Herz und Haltung‘

Schauspielerin, Sängerin, Kabarettistin – und nun auch Moderatorin: Gisa Flake führt 2025 durch die «FIRST STEPS Awards». Im Quotenmeter-Interview spricht sie über ihre persönlichen ersten Male, die Bedeutung von Nachwuchspreisen, ihre Vielseitigkeit und warum sie sich für den Filmnachwuchs ein „Jetzt erst recht“ wünscht.

Sie moderieren in diesem Jahr die «FIRST STEPS Awards». Wie haben Sie reagiert, als die Anfrage kam – eher überrascht, geehrt oder voller Vorfreude?
Eindeutig voller Vorfreude! 2025 wurde überraschend das Jahr der Moderation bei mir: Es ging vor kurzem los mit der „Nacht der Kreativen des Deutschen Fernsehpreises“ und endet mit dem „Deutschen Musicalpreis“ Ende Oktober. Aber mit der Anfrage des „First Steps“ fing alles an…

In Ihrem Statement sagen Sie selbstironisch, dass Sie vier Tage vor Ihrem 40. Geburtstag die Awards moderieren – und „nie zu alt für erste Male“ sind. Was bedeutet Ihnen dieses „erste Mal“ ganz persönlich?
Also erst einmal ist es ein Geschenk, einen kompletten Abend auf der Bühne des Theater des Westens zu stehen. Hier war damals die deutsche Uraufführung von „Cabaret“ und „My Fair Lady“, im Souterrain war in den 20er Jahren das legendäre Kabarett von Trude Hesterberg und Friedrich Hollaender. Dieser Ort bedeutet mir wirklich etwas. Ansonsten waren in der Vergangenheit bereits fünf Produktionen beim „First Steps“ nominiert, in denen ich mitgespielt habe. Ich weiß, wie bedeutsam es für Filmschaffende ist, diesen Preis zu bekommen. Und ich weiß, wie bedeutsam es für mich war, dort (anders) gesehen zu werden. Ein kleiner Teil davon zu sein, dass es vielleicht anderen an diesem Abend im Oktober genauso geht, macht mich sehr glücklich.

Sie betonen, dass Filmuni- und Indie-Produktionen für Ihre Karriere entscheidend waren. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Ihren eigenen ersten Schritten in der Branche?
Angefangen hat bei mir ja alles mit dem Gegenteil eines Indiefilms… Ich kam von der Bühne, vom Musical, vom Kabarett und hatte mit Film nichts zu tun, bis ich während der Semesterferien der Schauspielschule vom wunderbaren Bully Herbig die Chance bekam, bei «Wickie und die starken Männer» mitzuspielen. Dadurch bekam ich eine Schauspiel-Agentur und eigentlich sofort Angebote in der Fernseh-Comedy. Ab da habe ich versucht, alles anzunehmen, was ich kriegen kann, um zu lernen. Um besser zu werden. Erst später ging das Abwägen los: Wenn ich jetzt diese Rolle annehme, dann komme ich gar nicht mehr aus dieser Schublade raus, aber ich würde gerne meine Miete zahlen, soll ich vielleicht doch mit dem ganzen Bumms aufhören, wenn sie mich immer nur als krachende Walküre besetzen…

Und dann kamen Filmuni-Produktionen, die mir erlaubt haben, mich spielerisch herauszufordern, die nicht die „Dicke vom Dienst“ wollten, sondern mich als Schauspielerin. Feiner, weiblicher, komplexer. Ich wurde anders gesehen, ernster genommen. Das strahlte dann auch ein bisschen in die „große“ Branche zurück.

Nachwuchspreise wie die «FIRST STEPS Awards» gelten als wichtige Türöffner. Welche Chancen können solche Auszeichnungen jungen Filmschaffenden tatsächlich eröffnen?
Es ist ja kein großes Geheimnis, dass die Stimmung in der Branche jetzt nicht die allerbeste ist. Es liegt einiges im Argen, es ist viel im Wandel und keiner weiß so richtig, wohin die Reise geht.
Warum sollten also Fernseh- und Filmschaffende in Zeiten der Angst lustvoll Risiken eingehen?
Ich glaube, in dem sie „mutige“ Entscheidungen, Besetzungen, Finanzierungen besser begründen können. Es gibt ihnen Sicherheit zu sagen: „Ja, wir erzählen zwar jetzt etwas anders, als wir es die letzten 80 Jahre gemacht haben, aber guckt mal, der oder die beherrscht wirklich ihr Handwerk, schließlich ist da ein First-Step-Gewinn in der Vita.“

Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass es den First Steps-Machenden immer wichtig war, dass da nicht nur ein Preis rausgehauen wird und fertig, sondern das ein Netzwerk entsteht. Du profitierst schon ab der Nominierung nicht nur von einer erhöhten Sichtbarkeit nach außen, sondern eben auch intern als Teil der First-Steps-Familie. Es gibt Veranstaltungen, du bekommst Kontakte, du tauscht dich aus. Ich glaube, etwas Wichtigeres gibt es nicht für eine Person, die am Anfang steht.

Sie sind selbst Schauspielerin, Sängerin, Kabarettistin und Autorin – also ein Multitalent. Hilft Ihnen diese Vielseitigkeit auch bei einer Moderation wie den «FIRST STEPS Awards»?
Erst einmal sehr nett, dass sie das sagen…! Ich bin sehr froh, dass ich immer schon meine Fühler überall hin ausstrecken und so in jedem Bereich dazulernen konnte. Wahrscheinlich würde ich mich mit weniger sehr schnell langweilen. Abgesehen davon war und ist es einfach auch eine ökonomische Notwendigkeit, als Künstlerin auf mehr als nur ein Pferd zu setzen…

Es ist ja so: Man kann moderieren so oder so definieren. Ich könnte mich da hinstellen, ein paar Nominierte von Karten ablesen und nach Hause gehen. Aber das reicht mir nicht. So ein Preis ist etwas Besonderes, für die Nominierten, für die Veranstaltenden, für die Branche. Gerade in dieser seltsamen Zeit, in der wir leben. Es muss also eine Show her. Und da kommt eben alles in mir zu tragen: Ich schreibe, ich singe, ja, ich werde auch mal die Satire bemühen und ich spiele Gastgeberin.
Vielleicht ist die Moderation wirklich gerade das, wo ich mich am meisten austoben kann. Das genieße ich sehr. Aber am wichtigsten: Ich hoffe, auch das Publikum!!

Der Preis ist mit 132.000 Euro dotiert – der höchst dotierte Nachwuchspreis im deutschsprachigen Raum. Wie wichtig ist auch die finanzielle Unterstützung für junge Kreative, die noch am Anfang stehen?
Sie meinen: Warum brauchen Kreative überhaupt Geld, sie haben doch die Kunst…? Im Ernst: Ich habe es ja schon einmal gesagt, die Zeiten sind gerade wirklich kritisch in der Branche. Es regiert Zurückhaltung und Angst. Für junge Kreative wird die Auftragslage noch dünner, Gelder werden knapper. Willst du da an deiner Idee, deiner Vision von Film festhalten, musst du durchhalten, probieren, scheitern, weitermachen. Dafür braucht es auch finanzielle Unterstützung. Ich bin den Veranstaltenden hinter dem Preis wirklich sehr dankbar, dass sie das in dieser Form fördern.

Bei den Awards werden viele verschiedene Kategorien ausgezeichnet – vom Drehbuch über Regie bis hin zur Kamera. Haben Sie eine persönliche Lieblingskategorie, der Sie besonders entgegenfiebern?
Als Moderatorin bin ich selbstverständlich höchst neutral. Aber ich muss sagen, ich liebe es, den kompletten Jahrgang in den Einspielfilmen zu erfassen: Welche Themen herrschen vor, ist auf einmal alles in Sepia getaucht, kommen wir endlich weg von der statischen Kamera, setzt sich das getragene Schauspieler-„S“ oder die weggenuschelte „authentische“ Sprache durch…? Man bekommt einen guten Überblick über die aktuellen Trends. Es klingt kitschig, aber die erzählerische Sprengkraft, die einem da entgegen geschleudert wird, das ist meine Lieblingskategorie.

Die Gala soll festlich, aber auch unterhaltsam sein. Wie bringen Sie Ihren typischen Humor und Ihre Bühnenpräsenz in einen Abend, der gleichzeitig auch eine große Ernsthaftigkeit in sich trägt?
Ich habe einen typischen Humor…? Erzählen Sie mir mehr!
Also festlich ist die Veranstaltung ja per se schon durch den Rahmen, durch den Ort, die Preise.
Ich weiß gar nicht, ob der Abend so eine „große Ernsthaftigkeit“ in sich trägt. Natürlich können wir nicht so tun, als sei alles prima in der Welt und in der Branche, aber das heißt ja nicht, dass wir eine Trauerrede nach der anderen halten müssen. Wir sind nicht der Friedensnobelpreis. Ich bin der festen Überzeugung, dass man sehr ehrlich Preis und Nominierte mit einer Leichtigkeit und auch Spaß würdigen kann, ohne dass es an Wertschätzung verliert.

Sie selbst sind schon mit dem Deutschen Schauspielpreis ausgezeichnet worden. Welche Bedeutung hatte diese Anerkennung für Sie – und welchen Rat würden Sie jungen Filmschaffenden geben, die jetzt am Anfang stehen?
Der Schauspielpreis war deshalb eine so große Anerkennung, weil es von Kollegen und Kolleginnen verliehen wurde. Auch wenn nicht alle den Film, für den ich ausgezeichnet wurde, gesehen haben können («Sag du es mir» von Michael Fetter Nathansky, ein Uni-Film nominiert beim First Steps…), fühlte ich eine ehrliche Anerkennung für meine Arbeit, die man selten bekommt. Dieses Gesehen werden ist nicht selbstverständlich und ich bin immer noch sehr dankbar dafür.

Jungen Filmschaffenden kann ich nur sagen: Schafft und haltet Kontakte. Etwas, in dem ich mich sehr schwer tue. Aber kein Mensch ist eine Insel. Und vor allem: Tauscht euch aus. Keiner ist in dem Wahnsinn alleine, wir machen alle ähnliche Erfahrungen. Aber wir können sie nur ändern oder verarbeiten, wenn wir drüber reden.

Wenn Sie einen Wunsch für den Filmnachwuchs formulieren dürften: Was wünschen Sie den Nominierten – und vielleicht auch der gesamten Branche für die Zukunft?
Ich wünsche uns allen eine Zukunft. Klingt das zu krass? Aber es ist ja nunmal so: Dieses Jahr gab es in meiner Branche einen dramatischen Rückgang an Schauspielbeschäftigungen. Auch in den anderen Gewerken sieht es nicht besser aus. Ich stehe hier gerade an einem Set, wo mir Beleuchter erzählen, dass das ihr erster Job dieses Jahr ist. Und wir haben September!

Wir haben keine funktionierende Filmförderpolitik, verunsicherte Sender, internationale Streamer aus den USA, die eventuell gerade das Recht auf freie Meinungsäußerung verlieren… Ich glaube fest daran, dass es immer Unterhaltung geben wird. Aber das „Wie“ ist eben die entscheidende Frage. Ich wünsche mir ein „Jetzt erst recht“, ich wünsche mir ein Zertrümmern vermeintlicher Regeln, wie man angeblich etwas zu machen hat. Ich wünsche mir eine Lust am Scheitern, und eine Fehlerkultur, in der das möglich ist. Und ja, ich wünsche mir ein entschiedenes Eintreten unserer gesamten Branche für unsere freiheitliche Grundordnung. Und wenn das alles da ist, wünsche ich mir einfach nur, dass die Nominierten genau das erzählen können, was in ihnen steckt.
Verdammt, jetzt klinge ich doch nach Friedensnobelpreis…

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Die Verleihung wird am 6. Oktober ab 19.30 Uhr live in der ARD Mediathek übertragen.
03.10.2025 12:44 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/164938