Leonard Kunz: ‚Keine Politik in meinem Panzer – genau das ist sein Schutzschild‘

In «Der Tiger» verkörpert Leonard Kunz einen Berliner Panzerfahrer an der Ostfront, der versucht, sich mit Routine und Kameradschaft vor der politischen Realität des Krieges zu schützen – und gerade darin seine Verletzlichkeit zeigt. Im Quotenmeter-Interview spricht der Schauspieler über die klaustrophobischen Dreharbeiten im Panzer, das Abgleiten seiner Figur ins moralische Schweigen und warum die Geschichte von Helmut heute aktueller wirkt denn je.

Sie spielen in «Der Tiger» einen Panzerfahrer an der Ostfront – einen Ur-Berliner, der versucht, Politik aus seinem Panzer herauszuhalten. Wie haben Sie diesen „unpolitischen Mitläufer“ für sich greifbar gemacht?
Helmut hat nicht nur seinen Sohn, sondern seine ganze Familie verloren. Da wartet niemand mehr auf ihn. Alles, was ihm bleibt, sind seine Kameraden im Panzer. Er verdrängt Politik, weil er sonst zerbricht. Hinter seiner rauen Berliner Art steckt ein sehr sensibler Kern, ein Mann voller Verletzlichkeit. Und das macht ihn für mich so tragisch, und leider auch so aktuell, wenn man sieht, wie Krieg bis heute Familien zerstört.

Welche Emotionalität haben Sie in diese innere Leere gelegt, und wie zeigt sich das im Zusammenspiel mit den Kameraden?
Er hat nichts mehr außer seinen vier Kameraden. Die Leere spürt man in den Blicken, in seiner Fürsorge und seiner Härte.

«Der Tiger» beschreibt nicht nur den Krieg, sondern auch das Abgleiten der Figuren in eine Art „Herz der Finsternis“. Welche Entwicklung macht Ihr Charakter im Verlauf dieser Mission durch?
Er glaubt, er könne neutral bleiben. Aber der Krieg entlarvt ihn. Am Ende erkennt er, dass sein Schweigen auch Mitschuld bedeutet... und das zerbricht ihn.

Der Film thematisiert den Einsatz von Methamphetamin in der Wehrmacht. Wie spiegelt sich dieser Aspekt in Ihrer Figur wider – körperlich wie psychisch?
Körperlich ist es ein Überdrehen, psychisch ein Absturz. Für ihn ist das eine Betäubung, ohne die er nicht mehr funktioniert.

Ein Panzer ist ein extrem enger, klaustrophobischer Raum. Wie war es für Sie als Schauspieler, in dieser Enge zu drehen – und wie hat das die Dynamik innerhalb des Ensembles beeinflusst?
Drehen im Panzer war brutal eng und anstrengend, aber genau das hat uns zusammengeschweißt. Die Intimität kam ganz automatisch.

Ihre Figur möchte im Panzer nicht über Politik sprechen. Gleichzeitig ist er Teil eines verbrecherischen Systems. Wie haben Sie diese Ambivalenz zwischen Alltagsflucht und Mitverantwortung interpretiert?
Helmut ist jemand, der sagt: „Keine Politik in meinem Panzer.“ Aber genau das ist sein Schutzschild. Dahinter steckt ein unglaublich sensibler Kern, der sich weigert, das Grauen wirklich zuzulassen. Er flüchtet in Routine, in Kameradschaft. Wenn ich auf heute schaue, dann erkenne ich darin etwas sehr Aktuelles: Dieses „Ich halte mich da raus“ höre ich auch heute oft. Aber auch das ist eine Entscheidung. Helmut zeigt uns, dass Empathie und Verantwortung nicht getrennt werden dürfen. Gerade wer sensibel ist, darf nicht schweigen

«Der Tiger» ist ein Antikriegsfilm, aber kein klassischer Heldenfilm. Was unterscheidet ihn aus Ihrer Sicht von anderen Produktionen des Genres?
«Der Tiger» feiert keine Siege. Es geht um moralisches Abgleiten, nicht um Helden. Das macht ihn so kompromisslos als Antikriegsfilm. Diese beklemmende, fast gruselige Atmosphäre. Es geht nicht um Helden, sondern darum, wie Schuld, Orientierung und Angst Menschen im Krieg kaputt machen. Die Figuren sind keine klassischen Krieger, sondern verletzliche Menschen, die Schritt für Schritt ihre Menschlichkeit verlieren. Genau das macht den Film zu einem Antikriegsfilm. Gleichzeitig war es für den Kopf nicht leicht, in diese Kriegsszenen einzutauchen, während draußen in Europa tatsächlich wieder Panzer rollen. Diese Parallelität hat die Arbeit noch intensiver gemacht.

Die Besatzung des Panzers ist für Ihre Figur eine Art Ersatzfamilie. Gab es während des Drehs Momente, in denen auch unter den Schauspielern ein ähnliches „Crew-Gefühl“ entstanden ist?
Die Enge des Panzerraums, dieser realistisch nachgebaute Innenraum, hat uns Schauspieler enorm gefordert. Man spürt sofort: Jeder ist auf den anderen angewiesen. Dieses körperliche und emotionale Aushalten das “Crew-Gefühl“ erzeugt. Wir haben uns gegenseitig getragen, in der Erschöpfung, im Druck, aber auch in den kleinen Momenten von Fürsorge und Humor.

Was hoffen Sie, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer aus der Geschichte Ihrer Figur mitnehmen – über Krieg, Schuld, aber auch über den Versuch, Menschlichkeit inmitten von Zerstörung zu bewahren?
Für mich war das Drehen auch deshalb schwer, weil man ständig wusste: Das ist nicht nur Geschichte, das ist Realität. Deutschland liefert Panzer, der Krieg in Europa rückt näher, und man spürt, wie zerbrechlich alles ist. Deshalb ist es mir wichtig zu zeigen: Menschlichkeit ist keine Nebensache, sie ist überlebenswichtig. Nur wenn wir hinschauen und Verantwortung übernehmen, verhindern wir, dass sich die Geschichte wiederholt.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

«Der Tiger» ist seit 18. September in deutschen Kinos.
18.09.2025 12:04 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/164670