‚Das Format lebt davon, dass wir hinter der pittoresken Fassade auch die Abgründe spürbar machen‘
Die ARD-Reihe «Ein Krimi aus Passau» feiert im September ihr 5-jähriges Jubiläum. Regisseur Jan Fehse hat alle drei neuen Folgen inszeniert und spricht im Quotenmeter-Interview über die besondere Chemie von Marie Leuenberger und Michael Ostrowski, die filmische Herausforderung, Passau jenseits der Postkartenidylle zu zeigen, und darüber, warum er beim Inszenieren ein besonderes Faible für das persönliche Drama hat.
Herr Fehse, Sie haben alle drei neuen Jubiläumsfolgen von «Ein Krimi aus Passau» inszeniert. Was war Ihnen bei der Umsetzung des Dreierpacks besonders wichtig, damit er sich vom bisherigen Verlauf der Reihe abhebt?
Für mich war es eher der Antrieb, dieses wunderbare Format mit weiterzuentwickeln, als mich von den bisherigen Filmen abzusetzen. Die einzelnen Fälle haben eine sehr ausgeprägtes Eigenleben, umso schöner ist es, wenn man gleichzeitig die horizontalen Linien weiter treiben und ausbauen darf.
«Ein Krimi aus Passau» lebt von der besonderen Chemie zwischen Marie Leuenberger und Michael Ostrowski. Wie gestalten Sie als Regisseur die Arbeit mit diesen beiden so unterschiedlichen Figuren?
Das ist wirklich sehr spannend, weil die beiden Hauptdarsteller tatsächlich auch sehr unterschiedlich in Ihrer Arbeit funktionieren. Während Marie sehr genau wissen möchte, wo Ihre Figur gerade steht und worin die Aufladung jeder einzelnen Szene besteht, geht Michael sehr intuitiv vor, lässt sich hineinziehen und reagiert dann auf das, was beim Spiel entsteht. Als Regisseur versuche ich mich auf beide Ansätze einzulassen, da ich weiß wie sehr ich und der Film davon profitiert, wenn beide die Freiheit haben, ihren eigenen Ansätzen zu folgen.
In „Der Rote Wolf“ steht ein Motorradclub im Zentrum. Wie haben Sie die Atmosphäre dieses Milieus visuell und inszenatorisch eingefangen?
Ich fahre selbst bis heute Motorrad und war früher auch gelegentlich auf Treffen. Insofern ist mir das Milieu nicht gänzlich fremd. Um diese besondere Atmosphäre im Film visuell spürbar zu machen braucht es eine enge Abstimmung zwischen Komparsencasting, Ausstattung, Kostüm und Maske. In der Inszenierung versuche ich dann natürlich auch diese eher archaische Seite der Schauspieler zu kitzeln und spürbar zu bekommen.
Sie arbeiten erneut mit Drehbuchautor Michael Vershinin zusammen. Wie eng ist Ihr Austausch während der Drehvorbereitung – und wie viel Freiraum nehmen Sie sich bei der Interpretation der Stoffe?
Die Arbeit mit Michael war bei jedem der Bücher intensiv und außerordentlich vertrauensvoll. Mein Ziel ist es natürlich während dieser Drehbuchphase zu einer gemeinsamen Interpretation zu kommen und diese dann beim Dreh auch umzusetzen. Ich denke es wäre kontraproduktiv gegen die Intention des Autors mein eigenes Ding durchzuziehen. Natürlich muss ich manchmal am Drehtag ad hoc Entscheidungen treffen, die sich vorher nicht gestellt haben. Da bleibt dann meistens keine Zeit, alles gemeinsam abzuklären, und ich muss meiner Intuition folgen.
Die Reihe feiert fünf Jahre Jubiläum. Was glauben Sie, macht den besonderen Reiz von «Ein Krimi aus Passau» aus, dass sich das Format so lange im Ersten etablieren konnte?
Ein Autor, der für jeden Film einen sehr originellen Stoff liefert. Eine Produktion, die das Format liebt und den Mitarbeitern immer den Rücken freihält. Eine Redaktion, die mit dem Team um jede Filmsekunde Qualität kämpft. Außergewöhnlich gute Schauspieler. Ein sehr filmisches Umfeld in Passau. Ein sehr engagiertes Team. Und schon können gute Filme entstehen.
Neben den Krimihandlungen spielen immer wieder persönliche Themen – etwa das Verhältnis zwischen Frederike Bader und ihrer Tochter – eine große Rolle. Wie balancieren Sie Drama und Spannung beim Inszenieren?
Entscheidend ist erst einmal das die Buchvorlage beides bietet. Einen spannenden Fall und eine wirklich aufgeladene persönliche Ebene. Beim Dreh versuche ich natürlich beidem gerecht zu werden, wobei ich zugebe, dass ich ein Faible für das persönliche Drama beim Inszenieren habe. Die Balance entsteht dann im letztendlich oft Schneideraum, wo es dann in intensiver Zusammenarbeit mit dem Cutter, der Redaktion und Produktion so ausbalanciert wird, dass sich die beiden Ebenen idealerweise befruchten und nicht im Wege stehen.
Passau selbst ist ein wichtiger Schauplatz. Wie haben Sie die Stadt für diese drei Filme in Szene gesetzt, ohne dass es wie ein bloßes Tourismusbild wirkt?
Das ist eine wunderbare Herausforderung. Das Format lebt mit davon, dass wir versuchen hinter der pittoresken Fassade auch immer die Abgründe, die dahinter lauern, spürbar zu machen. Und Passau hat viele Ecken abseits der bekannten Tourismusrouten die sehr viel filmisches Potential bieten. Mann muss sich nur die Zeit nehmen und danach suchen und nicht auf die vordergründige Postkartenidylle hereinfallen.
Mit Nadja Sabersky, Stefan Rudolf oder Xenia Tiling sind wieder viele bekannte Gesichter dabei. Wie wichtig ist Ihnen ein Ensemble, das die Reihe trägt und zugleich Platz für prägnante Gastrollen lässt?
Naja, jeder Regisseur profitiert davon mit so wunderbare Schauspielern zu arbeiten. Wie ein Fussballtrainer, dem herausragende Spieler zur Verfügung stehen. Wenn jeder Mitspieler den Ball passen und stoppen kann, muss ich als Regisseur mich nur noch darum kümmern, dass jeder auf dem Teil des Feldes steht, wo er sich am wohlsten fühlt und darauf achten, dass die Laufwege stimmen. Und dass auch immer wieder tolle Kollegen für die einzelnen Episoden zusagen ist ein schönes Kompliment an die Reihe.
Zum Jubiläum werden die drei neuen Folgen als Box-Set bereits ab 8. September in der ARD Mediathek verfügbar sein. Denken Sie bei Ihrer Inszenierung auch an die veränderten Sehgewohnheiten eines Streaming-Publikums?
Natürlich stelle auch ich mich den Anforderungen bezüglich der veränderten Sehgewohnheiten. Auf der anderen Seite haben Filme in ihrer Wirkung auch ein Eigenleben, das sie letztlich - hoffentlich - zu spannenden und berührenden Unikaten werden lässt. Wenn wir versuchen alles in feste „Erfolgsformeln“ zu pressen, werden sich die Filme mit der Zeit immer ähnlicher werden und an Eigenständigkeit verlieren. Mir ist es auch weiterhin wichtig den Zuschauer mit Unerwartetem überraschen zu dürfen.
Wenn Sie einen Blick nach vorne werfen: Was reizt Sie noch an «Ein Krimi aus Passau», und wo sehen Sie für die Figuren Bader und Zankl künstlerisch die größten Entwicklungsmöglichkeiten?
Diese Frage müsste Sie eigentlich der Redakteurin Claudia Luzius, der Produzentin Diana Chylla und dem Autor Michael Vershinin stellen. die für die dramaturgische Entwicklung der Reihe verantwortlich sind. Aber ich sehe in der Figurenkonstellation definitiv noch genügend Potential und wäre deshalb gerne an der Entstehung vieler weiterer Folgen beteiligt.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
«Ein Krimi aus Passau» ist am 11., 18. und 25. September im Ersten zu sehen.