Die Kritiker: «An einem Tag im September»

Zum Jahrestag des historischen ersten Treffens von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer im September 1958 hat das ZDF die damaligen Geschehnisse verfilmt.

Stab

Darsteller: Burghart Klaußner, Jean-Yves Berteloot, Hélène Alexandridis, Vincent Lecuyer, Fabian Busch, Ronald Kukulies
Schnitt: Tina Freitag
Musik: Jens Grötzschel
Kamera: Holly Fink
Drehbuch: Fred Breinersdorfer
Regie: Kai Wessel
Man könnte meinen, die Geschichte habe sich so aufgeladen, dass ein Spielfilm nur noch daran scheitern könne: Am 14. September 1958, im ländlichen Colombey-les-Deux-Églises, begegnen sich Charles de Gaulle und Konrad Adenauer erstmals von Angesicht zu Angesicht. Die filmische Rekonstruktion dieses Treffens – unauffällig arrangiert, von den politischen Eliten vertraulich gehalten – bildet das Zentrum von Kai Wessels neuem Film «An einem Tag im September». Schon die Prämisse legt nahe: Es geht nicht um Spektakel, sondern um Zwischentöne, um Gesten, Pausen, Blicke.

Fred Breinersdorfer, versiert im Polit- und Justizdrama, hat das Drehbuch geschrieben. Wie schon in früheren Arbeiten vertraut er auf die Kraft des Dialogs – nicht immer elegant, manchmal ein wenig holzschnittartig, aber stets mit dem ernsten Bemühen, historische Schwere für ein heutiges Publikum erfahrbar zu machen. Dem Film gelingt es, die Aura der Unwägbarkeit jenes Tages einzufangen: zwei alte Männer, gezeichnet von Krieg und politischer Verantwortung, die dennoch den Mut aufbringen, den ersten Schritt zur Versöhnung zu gehen.

Wessels Regie ist konzentriert, beinahe kammerspielhaft. Weite Teile der Handlung spielen in den gedämpften Räumen des de-Gaulle’schen Privathauses. Der Kameraführung von Holly Fink ist es zu verdanken, dass diese Enge nie zur bloßen Kulisse verkommt. Immer wieder verweilt die Linse auf Details und deutet so die Unsicherheiten an, die im Protokoll verschwiegen bleiben. Jens Grötzschels Musik tritt zumeist zurückhaltend auf, hebt an den entscheidenden Stellen jedoch zu deutlichen Emphasewellen an, die mancher Szene fast zu viel Pathos verleihen.

Stark ist der Film dort, wo er die politische Bühne mit privaten Momenten verschränkt. Yvonne de Gaulle, gespielt mit leiser Noblesse und einem Hauch melancholischer Ironie, ist mehr als nur die Gastgeberin: Sie fungiert als Scharnier zwischen den schweren Herrenworten und dem Bedürfnis nach menschlicher Nähe. Ihre Versuche, über Tischgespräche oder kleine Gesten die Spannung zu lösen, wirken nicht nur als dramaturgische Auflockerung, sondern öffnen auch den Blick für die Fragilität des Geschehens.

Etwas schwächer geraten sind die Nebenhandlungen um die Berater Bachmann und De Bonneval sowie die beiden jungen Journalistinnen, Hélène Wissembach und Elke Schmitz. Gewiss, sie sollen die Perspektive der Zukunft, des kommenden Europas, ins Spiel bringen. Doch allzu didaktisch wirken ihre Dialoge, als sprächen sie weniger miteinander als vielmehr zum Publikum. Gleichwohl besitzen diese Figuren Charme, und gerade die Begegnung der beiden Journalistinnen gibt dem Film eine Ahnung davon, dass große Politik auch in den leisen Hoffnungen Einzelner wurzelt.

So changiert «An einem Tag im September» zwischen ernsthafter Geschichtsbetrachtung und didaktischem Lehrstück. Nicht jede Szene hält der Last stand; manches wirkt behauptet, einiges überfrachtet. Doch in seinen besten Momenten entfaltet der Film eine dichte, fast kontemplative Atmosphäre. Er erinnert daran, wie prekär und unwahrscheinlich die deutsch-französische Annäherung nach 1945 war – und wie viel Glück, Mut und diplomatisches Geschick nötig waren, um aus Feinden Partner zu machen.

Mag man also die pädagogische Strenge beklagen und sich ein subtileres Drehbuch wünschen – am Ende bleibt der Eindruck eines ernsthaften, ambitionierten Films, der die Versöhnungsgeschichte nicht verklärt, sondern tastend, mit Brüchen und Widerständen, erzählt. Dass Wessel und Breinersdorfer dabei nicht auf die Schlagkraft des Spektakels setzen, sondern auf Nuancen und Zurückhaltung, verdient Anerkennung. «An einem Tag im September» ist kein Meisterwerk, aber ein respektabler Beitrag zum historischen Film der Gegenwart – und ein Projekt, das seinen Zuschauern zutraut, sich auf die leisen Töne einzulassen.

Der Film «An einem Tag im September» wird am Montag, den 15. September um 20.15 Uhr im ZDF ausgestrahlt.
13.09.2025 11:20 Uhr  •  Oliver Alexander Kurz-URL: qmde.de/164478