Die Kritiker: «Die Hochzeit»

Eine Hochzeit mit Starbesetzung von Anja Kling bis Devid Striesow: Was kann bei diesen Talenten in den Tiroler Alpen schon schiefgehen?

Stab

Darsteller: Anja Kling, Martin Brambach, Lena Klenke, Luise von Finckh, Devid Striesow, Tobias Moretti
Regie: Jan Georg Schütte
Drehbuch: Jan Georg Schütte und Sebastian Schultz
Kamera: Nikolas Jürgens
Kostümbild: Susann Günther
Das Fernsehen liebt Hochzeiten. Ob als Reality-Format, als fiktionaler Endpunkt romantischer Eskapaden oder als schlichte Übertragung aus Windsor: Das Ritual der Eheschließung ist Garant für Einschaltquoten, für Kitsch, Tränen, Katastrophen. Jan Georg Schüttes sechsteiliges Serienprojekt «Die Hochzeit» im Ersten geht diesem Bedürfnis in aller Radikalität nach – und unterläuft es zugleich. Man sieht: ein Brautpaar, das seine Liebe live ins Netz streamt; ein Ensemble, das sich ohne Drehbuch in die Turbulenzen eines vermeintlich schönsten Tages hineinimprovisiert; eine Feier, die zwischen Influencer-Selbstinszenierung, familiären Abgründen und Tiroler Alpenpanorama schwankt. Und doch stellt sich am Ende die Frage: Was genau bleibt von dieser inszenierten Entgrenzung hängen?

Im Zentrum stehen Jäcki (Luise von Finckh) und Lukas (Felix Kreutzer), deren Beziehung weniger aus Schicksalsergebenheit als aus Marketingstrategie geboren scheint. Ihr Jawort ist nicht nur privates Bekenntnis, sondern Startschuss für ein Modeunternehmen – eine Geschäftsgründung in Weiß. Dass die Zeremonie zugleich von Jäckis Freundin Simone (Lena Klenke) als mediales Großereignis choreografiert wird, hebt die Absurdität noch einmal hervor. In dieser konsequenten Überschneidung von Intimität und Vermarktung steckt zweifellos eine kluge Zeitdiagnose: Die Liebe als Content, die Ehe als Kampagne.

Das große Pfund des Projekts ist das Schauspielerensemble. Devid Striesow, Anja Kling und Martin Brambach bilden eine schrill-harmonisch dissonante Brautfamilie, Tobias Moretti gibt den düsteren Patriarchen, Josephine Bloéb und Sonja Romei sorgen für Turbulenzen, die zugleich komisch und grausam sind. Dass Schütte sein Ensemble auf Rollenprofile statt auf ein Drehbuch verpflichtete, führt zu Momenten von erstaunlicher Unmittelbarkeit: Die Improvisation hat einen Funken von Wahrhaftigkeit, den geskriptetes Fernsehen selten erreicht.

Und doch liegt darin auch die Schwäche dieser Produktion. Wo die Improvisation zündet, entsteht eine dichte Atmosphäre, ein Augenblick des Authentischen. Wo sie jedoch ins Fahrige kippt, offenbaren sich Längen und Leerlauf. Manche Szenen wirken, als hätten sie mehr Spaß beim Dreh als in der Rezeption erzeugt. Der „Impro-Pur“-Ansatz, den Schütte hier kultiviert, bleibt eine Gratwanderung: Mal funkelnde Sternschnuppe, mal entleerte Pose.

Die sechs Folgen tragen sprechende Titel – von „Das sieht nach Geld aus“ bis „Mal etwas anderes“ – und versprechen eine ironische Brechung. Doch ironisch ist das Ergebnis nicht immer. Oft feiert die Serie genau jene Exzesse, die sie doch kritisieren möchte: die narzisstische Selbstdarstellung in sozialen Medien, die Hybris familiärer Projektionswünsche, den Kitsch als Selbstzweck. Manchmal weiß man nicht, ob man lachen oder den Kopf schütteln soll – und genau darin liegt wiederum eine Qualität: Schütte lässt Widerspruch zu, ja, er kultiviert ihn.

So bleibt «Die Hochzeit» ein ambivalentes Erlebnis. Sie ist klug gedacht, beherzt gespielt, und zuweilen irritierend nah am echten Schmerz. Gleichzeitig aber bleibt sie fragmentarisch, überdreht und nicht frei von selbstgefälligen Volten. Es ist eine Serie, die sich weder leicht lieben noch einfach ablehnen lässt. Vielleicht ist das ihr größter Triumph: dass sie unsicher macht, wo doch Hochzeiten traditionell das Versprechen absoluter Sicherheit geben sollen.

Die sechs Folgen von «Die Hochzeit» werden am Freitag, den 5. September ab 22.20 Uhr im Ersten ausgestrahlt.
03.09.2025 11:20 Uhr  •  Oliver Alexander Kurz-URL: qmde.de/164202