Männer, Rollenbilder und die große Last des Patriarchats – eine satirische Abrechnung von Schlecky Silberstein.

Schon der Titel macht klar, wohin die Reise geht: „Der Penis-Fluch: Männer sind arme Schweine – Es gibt keine Hoffnung, aber wir dürfen sie nicht aufgeben“ ist kein Buch, das mit feinen Andeutungen arbeitet. Schlecky Silberstein, bekannt als Comedian, Satiriker und Betreiber des gleichnamigen Blogs, legt im August 2025 ein Werk vor, das sich zwischen Satire, Gesellschaftsanalyse und persönlichem Erfahrungsbericht bewegt. Es ist ein Buch, das den Leser gleichzeitig zum Lachen, Kopfschütteln und Nachdenken bringt – und das die Frage stellt: Was heißt es eigentlich, heute ein Mann zu sein?
Silberstein tritt gleich zu Beginn mit seiner typischen Mischung aus Selbstironie und Zuspitzung auf. „Ich leide an der sexuell übertragbaren Krankheit Mann“, schreibt er – ein Satz, der grotesk und komisch klingt, aber die Stoßrichtung seines gesamten Projekts enthält. Der Autor schildert Mannsein als Zumutung, als Bürde, die mit falschen Versprechen verkauft wird: Stärke, Dominanz, Erfolg, sexuelle Potenz. Doch hinter dieser glänzenden Fassade steckt, wie Silberstein ausführt, ein ständiger Kampf mit Erwartungen, Selbstzweifeln und der Angst, nie zu genügen.
Dabei geht er nicht zimperlich mit seinem eigenen Geschlecht um. Männer, so Silberstein, sind „noch schlimmer als ihr ohnehin schon ramponierter Ruf“. Er nennt sie dumm, kriminell, suchtanfällig, manipulativ und selbstzerstörerisch – Worte, die hart klingen, aber in seiner Erzählung durch persönliche Anekdoten und Beispiele kontextualisiert werden. Was dabei immer wieder sichtbar wird: Männer sind nicht nur Täter in einem patriarchalen System, sondern oft auch die größten Opfer ihrer eigenen Rolle.
Der Ton des Buchs ist typisch Schlecky: scharf, bissig, manchmal albern, oft zum Brüllen komisch – aber immer mit einem ernsten Kern. Wenn er etwa beschreibt, wie aussichtslos es ist, gleichzeitig sensibel, erfolgreich, stark, humorvoll und emotional verfügbar zu sein, schwingt zwischen den Pointen die Verzweiflung eines Mannes mit, der diese widersprüchlichen Anforderungen tatsächlich zu erfüllen versucht hat.
Seine Auseinandersetzung mit Depressionen, Selbstzweifeln und Identitätskrisen zeigt eine verletzliche Seite, die viele Leser überraschen dürfte. Denn das Buch ist keineswegs nur eine satirische Rundumschelle, sondern auch ein offener, persönlicher Bericht. Silberstein schildert ehrlich, wie schwer es fällt, Hilfe anzunehmen, wie tabuisiert psychische Probleme bei Männern noch immer sind – und wie dringend Hilfsprogramme und gesellschaftliche Unterstützung nötig wären.
Besonders spannend ist Silbersteins zentrale These: Das Patriarchat schadet Männern mindestens genauso sehr wie Frauen – nur anders. Während Frauen strukturell benachteiligt und diskriminiert werden, leiden Männer an den starren Erwartungen, die ihnen das System auferlegt: Härte, Konkurrenz, Machertum. Wer nicht mithalten kann, wird aussortiert. Wer Gefühle zeigt, gilt als schwach. Wer Hilfe sucht, verrät die eigene Rolle. In dieser Argumentation liegt die eigentliche Sprengkraft des Buches: Es ist keine Verteidigungsschrift für Männer, sondern eine schonungslose Bestandsaufnahme, warum auch sie dringend Befreiung brauchen – von ihren eigenen Mythen und Mustern.
„Der Penis-Fluch“ liest sich schnell, fast atemlos. Silberstein schreibt wie er spricht: direkt, überspitzt, manchmal grob, aber immer mit einem feinen Gespür für Timing und Pointe. Das macht das Buch einerseits leicht verdaulich, andererseits zwingt es dazu, unangenehme Wahrheiten nicht beiseitezuschieben. Dass er dabei den orthodoxen Feminismus nicht scheut, sondern bewusst zuspitzt, ist Teil seines Konzepts. Er spielt mit den Vorwürfen, treibt sie auf die Spitze, um dann zu zeigen: Ja, vieles davon stimmt – aber die Tragödie ist, dass Männer trotz ihrer „Macht“ unter genau diesen Strukturen kaputtgehen.
Die Mischung aus Biografie und Analyse ist eine der Stärken des Buchs. Silberstein spricht über sein Leben in Berlin, über sein Aufwachsen mit traditionellen Rollenbildern, über Partnerschaften, Selbstüberschätzung und Selbstzerstörung. Gleichzeitig weitet er den Blick: auf gesellschaftliche Debatten, auf toxische Maskulinität in Politik, Medien und Popkultur. Er zeigt, wie Männerbilder über Filme, Werbung oder Social Media verstärkt werden – und wie schwer es ist, diesen Bildern zu entkommen.
Trotz des düsteren Untertons – „Es gibt keine Hoffnung, aber wir dürfen sie nicht aufgeben“ – bleibt das Buch nicht bei der Diagnose stehen. Silberstein fordert konkrete Veränderungen: mehr Aufmerksamkeit für Männergesundheit, Enttabuisierung von Schwäche, neue Rollenbilder, die Vielfalt zulassen. Er argumentiert, dass es nicht reicht, Männer zu kritisieren – man müsse ihnen auch Wege aus der Sackgasse zeigen. Damit liefert „Der Penis-Fluch“ einen Beitrag zu einer breiteren Gleichstellungsdebatte, der unbequem ist, aber dringend notwendig. Denn indem es die Probleme von Männern beleuchtet, erklärt es gleichzeitig, warum das alte System für niemanden mehr funktioniert.
Es ist ein Buch, das man nicht einfach weglegt, sondern das Diskussionen anstößt – am Küchentisch, in Beziehungen, in Männerrunden und feministischen Debatten gleichermaßen. Denn wenn eines klar wird, dann dies: Mannsein ist kein einfacher Hauptgewinn, sondern eine Zumutung. Und genau deshalb braucht es Bücher wie dieses, um neue Wege sichtbar zu machen.