Die Kritiker: «Für immer Freibad»

Was gibt es Schöneres, als den Sommer zwischen Abitur und Studium im Freibad zu verbringen? Ein Film, der einen wehmütig und nostalgisch macht - und noch viel mehr.

Stab

Darsteller: Tyrell Otoo, Anouk Elias, Benno Fürmann, Pheline Roggan, Jacob Matschenz, Max Schimmelpfennig
Schnitt: Martin Wolf
Musik: Tim Neuhaus
Kamera: Jakob Creutzburg
Drehbuch: Will Evans und Christof Ritter
Regie: Laura Fischer
Es gibt Filme, die mit einem einzigen Sommer beginnen und im Gedächtnis bleiben wie der Duft von frisch geschnittenem Gras. «Für immer Freibad», Laura Fischers warmherzige ZDF-Produktion, gehört zu dieser seltenen Sorte. Sie spielt im Jahr 1999, jener schwankenden Zwischenzeit kurz vor dem Millennium, als die Welt noch zwischen analoger Gelassenheit und digitalem Aufbruch oszillierte. Und sie zeigt, dass sich die großen Umbrüche des Lebens gerne auch in diesen biographischen Zwischenzeiten ereignen – manchmal reichen ein Beckenrand, Pommes satt und eine leuchtende Sonnenfinsternis.

Im Zentrum dieses Films steht Simon (Tyrell Otoo), frischgebackener Abiturient, der laut väterlicher Planung (Benno Fürmann) nun schnurstracks ins Jurastudium marschieren soll. Doch Simon verliert sein Herz im örtlichen Freibad – an Mira (Anouk Elias), die als Rettungsschwimmerin den Inbegriff sommerlicher Souveränität verkörpert. Der Plot nimmt seinen Lauf: Statt Paragraphen paukt Simon Kioskwaren, statt Kommentaren zum BGB liest er Blicke von der anderen Seite des Beckens.

Fischer inszeniert diese Coming-of-Age-Geschichte mit einer Genauigkeit, die weit über Nostalgie hinausgeht. Es ist nicht einfach ein Rückblick auf die späten Neunziger, sondern ein präzises Gefühlsporträt jener Lebensphase, in der sich Erwachsenwerden und Sommerferientage überschneiden. Die Kamera von Jakob Creutzburg badet förmlich im Licht, ohne ins Süßliche zu kippen. Chlorwasser schimmert, als sei es flüssige Zeit, und die Hitze des Asphalts unter nackten Füßen ist fast körperlich spürbar.

Besonders bemerkenswert gerät die Figurenzeichnung. Simon wächst in einer Freibadcrew mit Gleichgesinnten zusammen, die sich in all ihrer Verschrobenheit anfühlt wie eine kleine Ersatzfamilie. Über dem Gespann thront Katja (Pheline Roggan), die Freibadleiterin, die Ordnung halten will, während Bademeister Robbe (Jacob Matschenz) mit Selbstverliebtheit und Charme jede Struktur unterläuft.

Das Drehbuch von Will Evans und Christof Ritter entwickelt dabei ein tolles Gespür für Balance: Komik und Melancholie liegen stets nur einen Sprungturm voneinander entfernt. Ein beiläufiger Satz kann in seiner Leichtigkeit eine Wahrheit bergen, die schwerer wiegt als jede gestelzte Lebensweisheit. Wenn Simons Lüge gegenüber Mira auffliegt, geschieht das ohne dramatische Überinszenierung – und gerade darin liegt die Stärke. Die Verletzung wirkt echt, nachvollziehbar, und sie markiert den Punkt, an dem aus flirrendem Sommer ein entscheidender Lebensabschnitt wird.

Tim Neuhaus’ Musik unterstützt diese Stimmung mit sanfter Präzision. Keine aufdringlichen Hymnen, sondern dezente Klangflächen, die zwischen Indie-Charme und leiser Melancholie schweben. Man hört sie und fühlt sich sofort wieder in einem Plastikstuhl am Beckenrand sitzend, die Füße im Wasser, die Zeit scheinbar unendlich.


Dass der Höhepunkt des Films auf eine Sonnenfinsternis zuläuft, ist kein Zufall. Fischer nutzt dieses astronomische Ereignis nicht nur als dekoratives Finale, sondern als Metapher für Simons inneren Wandel: das kurzzeitige Abdunkeln und Wiederaufleuchten, das Verschwinden einer Sicherheit und das Entstehen einer neuen Klarheit. Als sich das Licht zurückmeldet, weiß Simon – und wir mit ihm –, dass dieser Sommer nie wiederkehren wird, aber für immer bleiben kann.

«Für immer Freibad» ist somit weit mehr als eine Liebesgeschichte, sondern vielmehr ein leises Plädoyer für Umwege, für die Schönheit der Planlosigkeit und für die Menschen, die man am Wegesrand trifft. Ein Film, der mit Humor und Herz daran erinnert, dass das wahre Leben oft dann beginnt, wenn man zwischen zwei von hoffentlich vielen Abschnitten kurz innehält – und dass ein Sommer, wenn er nur hell genug leuchtet, ein ganzes Leben wärmen kann.

Der Film «Für immer Freibad» wird am Donnerstag, den 14. August um 20.15 Uhr im ZDF ausgestrahlt.
13.08.2025 11:20 Uhr  •  Oliver Alexander Kurz-URL: qmde.de/163664