Sat.1: Mit Bewährtem zum Wachstum

Senderchef Marc Rasmus hat die Primetime erfolgreich nach Genres sortiert. Jetzt muss der Vorabend überarbeitet werden. Zunächst aber soll es mehr von der «Landarztpraxis» geben.

Der frühere Kabel-Eins-Chef Marc Rasmus verantwortet inzwischen das Programm von Sat.1. Bereits bei seinem früheren Sender fiel er vor allem dadurch auf, dass er Fernsehen organisiert statt umkrempelt. Das zeigt sich nun auch in der Struktur der Primetime-Wochentage. Montags steht Reality auf dem Programm – darunter Formate wie «Hochzeit auf den ersten Blick», «Promis unter Palmen», «Amore unter Palmen» oder «Villa der Versuchung», aber auch Doku-Reihen wie die mit Paul Ronzheimer, «Der Sat.1-Check» oder «Über Geld spricht man doch!». Meistens stimmen die Quoten. Eine Ausnahme: das aus der Zeit gefallene Dating-Format «Amore unter Palmen», in dem Singles nach Asien oder Afrika reisen.

Dienstags ist Krimi-Zeit: Mit «Navy CIS», «The Irrational», «Criminal Minds: Evolution», «Elsbeth» und «FBI» wird ein breites Serienangebot präsentiert – allerdings mit gemischtem Erfolg. Der Mittwoch war lange ein Sorgenkind: Formate wie «Wer kocht das Beste für die Gäste?» floppten, bevor Shows wie «Das große Backen», «The Taste», «Das große Promibacken» und «Das große Backen – Die Profis» solide Quoten einfuhren. Die Profiversion schwächelte zuletzt – lief allerdings auch im Hochsommer. «Murmel Mania» enttäuschte Anfang des Jahres ebenfalls, zählte aber nicht zum Genre „Essen“, das am Mittwoch gesetzt ist.

Donnerstags läuft es rund: «99 – Wer schlägt sie alle?», «Das 1%-Quiz», «The Floor» und «Das große Allgemeinwissensquiz» lieferten gute Ergebnisse – ihre Fortsetzung ist gesichert. Der Freitag als Showtag bleibt gemischt besetzt mit «The Voice of Germany», «The Voice Kids», «Die besten Comedians Deutschlands», der neuen Show «The Tribute» (die floppte) sowie gelegentlich «Murmel Mania». Samstags funktionieren die Familienfilme meist gut, und auch der Sonntagabend überzeugt mit deutschen und amerikanischen Filmen.

Insgesamt legte Sat.1 in der vergangenen Saison von 4,3 auf 4,6 Prozent Marktanteil zu, bei den 14- bis 49-Jährigen sogar von 6,3 auf 6,6 Prozent. Also alles gut? Nicht ganz. Der Vorabend bleibt eine Dauerbaustelle. Wegen der Regionalmagazine ab 17:30 Uhr beginnt das Sat.1-Vorabendprogramm erst um 18:00 Uhr – zu spät für einen erfolgreichen Aufbau. Formate wie «Notruf», «Für alle Fälle Familie», «Lenßen hilft» oder «Lenßen übernimmt» konnten keine dauerhaft stabilen Quoten liefern. Die «Landarztpraxis» funktioniert immerhin solide bei den Über-50-Jährigen, die «Spreewaldklinik» erreicht nochmal 200.000 Zuschauer weniger. Sat.1 zieht die logische Konsequenz: Mehr Carolin Frier zeigen.

Verwunderlich ist, dass Sat.1 kaum auf internationale Trends reagiert. In den USA läuft das «Glücksrad» seit 50 Jahren mit sensationellen Reichweiten. In Italien schalten bei Canale 5 täglich über 3,5 Millionen ein. Doch wenn deutsche Sender das Format aus der Mottenkiste holen, wirkt es wie ein Relikt aus den 90ern – samt Kulisse und Design aus den späten 80ern. Dabei wurde die Show international modernisiert und hat vielerorts das Image des Seniorenfernsehens längst abgelegt. Rätselspiele sind wieder gefragt – nicht zuletzt durch Apps wie Wordle.

Auch das Tagesprogramm am Wochenende verdient einen frischen Blick. Der Versuch, mit Andrea Kiewel eine Abend-Alternative zum «Fernsehgarten» zu schaffen, scheiterte aus nachvollziehbaren Gründen. Doch das «Frühstücksfernsehen» läuft mittlerweile auch am Wochenende erfolgreich – sicher auch wegen des gestiegenen Produktionsaufwands. Daran ließe sich anknüpfen: etwa mit DTM-Übertragungen, deren Rechte sich Sat.1 von ProSieben sichern könnte, um die Live-Strecke zu verlängern. Denkbar wäre auch ein «Fernsehgarten»-Pendant vom ProSiebenSat.1-Campus, das am Samstagnachmittag Frauen anspricht, während die Bundesliga bei der Konkurrenz läuft. Und wenn Sport1 sich zunehmend in Show1 verwandelt, sollte Sat.1 überlegen, ob der «Doppelpass» nicht lizenziert und im Anschluss an das «Frühstücksfernsehen» gezeigt werden kann. Der Sonntag ist ab 18 Uhr mit «Bitte melde dich» und «The Biggest Loser» stark besetzt – nur das Tagesprogramm bleibt offen. Vielleicht helfen Renovierungsshows – allerdings hat sich gezeigt, dass diese in Deutschland Familien teils in finanzielle Not trieben. Das Genre funktioniert bei sixx mit US-Shows gut, hier müsste man aber auf rechtliche Stolperfallen achten.

Trotz der klaren Struktur darf Marc Rasmus das Gestalten nicht vergessen. Viele Sat.1-Erfolge wie «The Voice» sind in die Jahre gekommen – ihre Halbwertszeit ist erreicht. Jetzt braucht es neue Shows, frische Serien und kreative Ideen. Mit acht Folgen «Kommissar Rex» allein wird der Turnaround im Serienbereich kaum gelingen.
10.08.2025 12:42 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/163154