ProSiebenSat.1: Wo sind die Experimente, wo sind die neuen Marken?

Wer bei P7S1 auf die große Show- und Entertainment-Offensive gehofft hatte, sah sich enttäuscht – stattdessen sieht (zu) viel nach Verwaltung aus. Ein Kommentar von Mario Thunert.

Am gestrigen Tag präsentierte die ProSiebenSat.1-Gruppe ihre Programmpläne für die nächste TV-Saison 2025/26. Darauf geblickt werden durfte durchaus mit Spannung, schließlich durchläuft der Konzern aktuell eine inhaltliche Neujustierung, in der der Fokus wesentlich stärker wieder auf das Kerngeschäft Entertainment gerückt werden soll.

Und wer in den letzten Jahren zu manchen Phasen auf das Samstagabend-Programm blickte, der merkte, wo der Schuh drückt. Denn trotz einiger Grundpfeiler wie «Schlag den Star» und Joko und Klaas mussten etliche Sendetermine sowohl am Wochenende, als auch unter der Woche, mit zu Clipshows aneinandergereihten Konserven, Best-Offs und Galileo XXXXXXXXXL's überbrückt werden. Die Marschrute müsste also sein, den Anteil an neuen Shows, Events, Wettbewerben und sonstigen Entertainment-Marken massiv zu steigern – vor allem im Live-Bereich.

Jenen Grundgedanken scheint auch Sat.1-Geschäftsführer Marc Rasmus im Interview mit dem Mediendienst DWDL zu teilen, wenn er sagt: „Mich beschäftigt die Frage, wie wir mehr live machen können, durchaus“. Berechtigter Weise wird er dort nämlich gefragt, ob nicht gerade Live-Formate das zukünftige Alleinstellungsmerkmal des linearen Fernsehens sein können, die es gegenüber den Streamern abgrenzen.

Auch Quotenmeter stellte bereits vor etlicher Zeit die These auf: „Dass Rezipierende sich im Vergleich zu früher weniger von voraufgezeichneten Shows ansprechen lassen, denen man anmerkt, das sie ellenlang an Kette produziert wurden, sondern vielmehr an vereinzelten Terminen für (Live-)Highlights bewusst das lineare Fernsehen einschalten. Es kommt also darauf an, mehr Termine mit unterschiedlichen Programm-Marken zu bestücken, die jeweils als Leuchttürme zirkulieren“. (siehe Artikel Genial daneben als Live-Event).

Nun wurden im Zuge der Programmpräsentation zwar durchaus interessante neue Stoffe wie die Serien «Frier & 50», «Die Cooking Academy» und weiteres angekündigt, neue innovative Showkonzepte, die Rasmus Schlussfolgerung aber wirklich auf breiter Ebene Taten folgen lassen, sind – größtenteils – nicht auszumachen. Stattdessen macht der Sat.1-Chef auf die Interview-Frage nach Innovation den Ausfallschritt: „War es das (Anm. der Red: Innovation als Maßgabe) jemals, also für Sat.1? Ich glaube, es ist wie immer eine Frage der richtigen Mischung[...] es gibt Medienmarken, die im Alltag der Menschen eine gewisse Funktion erfüllen und wo Neues mit Bedacht zu behandeln ist“.

Damit mag er in seinem Ziel nach Beständigkeit und Verlässlichkeit für lineare Mechanismen zwar grundsätzlich nicht falsch liegen, doch es als einzige programmdefinierende Richtschnur vorzugeben, wäre fatal. Und blickt man auf die recht rar gesäten Show-Neustarts für die kommende Season wirkt Rasmus Vorbau teilweise wie eine Ausrede für fehlende Ideen: «Guinness World Records» zum zweitägigen Live-Show-Event zu machen, oder eine weitere Quiz-Variante «The Connection» mit Openhövel, klingen jedenfalls (zu) unaufgeregt blass nach Altbekanntem – was deshalb nicht gleich komplett schlecht sein muss und Live-Rekorde sicher ein legitimer Versuch sind.

Eine dringend benötigte Innovationsoffensive, mit frischen Impulsen, einer elektrisierenden Energie, die durch Experimentier-Freude und -Willen eine Bewegung auslöst, die auch potenzielle Interessenten wieder mehr mitzieht, ist es nicht. Wo ist die Vision, die ein Momentum kreiert, das dem linearen Fernsehen den Staub abschüttelt? Um Energien auszulösen, die sich im wahrsten Sinne des Wortes übertragen, muss etwas passieren – hier passiert (weiter/wieder) zu wenig.

Joko & Klaas alleine reichen, trotz mitunter toller Pionierarbeit, die eben Dinge in Bewegung setzt und Dinge probiert, nicht aus. Doch darauf verlässt sich ProSieben beinah ausschließlich. Neben der guten Nachricht der Fortsetzung von «Ein sehr gutes Quiz (mit hoher Gewinnsumme)», der verringerten Dosis von «Masked Singer» und weiteren Fortsetzungen von Bestehendem, hat der Kanal mit «Deutschlands dümmster Promi» lediglich eine neue Spiel-/Quiz-Show (mit hoffentlich nicht zu aufgeblähter Sendezeit) für die Primetime angekündigt, die die Quiz-Prämisse zumindest ein wenig verändert. Da kann man sich schon fragen: Wo ist da jetzt die spürbare Erhöhung des doch angeblich (wieder) so zentralen Primetime-Entertainments? Gerade, wenn in der übernächsten Saison zudem «Das Duell um die Welt» wegfällt, lässt sich (bisher) keine quantitative Intensivierung erkennen.

Das alles lässt nur die Schlussfolgerung zu: Wer im Angesicht des verstärkten Entertainment-Schwerpunkts von ProSiebenSat.1 auf wesentlich mehr Events, Tests, Experimente, Spielereien und Ausprobieren neuer Show-Dramaturgien gehofft hatte, um die Anzahl 'toter' Samstag-Abende noch deutlicher als bisher zu reduzieren, der wird zumindest nach jetzigem Stand etwas enttäuscht zurückbleiben. Das ist aber bei weitem nicht Rasmus oder P7S1 alleiniger Case, das betrifft auch andere Sender. Das ist aber auch ein Umstand, der sich hoffentlich noch ändern kann.
11.07.2025 10:17 Uhr  •  Mario Thunert Kurz-URL: qmde.de/162796