«Demon City»: Blut und Gewalt im Minutentakt

Profikiller Shûhei Sakata übt seinen letzten Auftrag aus. Er dringt in das Haus eines Yakuza-Bosses ein und tötet diesen ebenso wie die meisten seiner anwesenden Männer. Nach diesem Auftrag will er sich zur Ruhe setzen. Die neuen Herren der Stadt aber möchten die Vergangenheit ausmerzen, zu der auch Shûhei gehört. Und so töten sie seine Frau, seine Tochter – und verpassen auch Shûhei einen Kopfschuss.

Demon City

Japan 2024 / Genre: Action/Drama / Originaltitel: Oni Goroshi / Regie: Seiji Tanaka / Drehbuch: Seiji Tanaka / Vorlage: Manga von Masamichi Kawabe / Musik: Tomoyasu Hotei / Produzenten: Yasuhiro Masaoka, Takeshi Sawa / Schnitt: Zensuke Hori / Kamera: Kohei Kato / Besetzung: Tôma Ikuta (Shûhei Sakata), Masahiro Higashide (Kanta Fase), Miou Tanaka (Homare Takemoto), Matsuya Onoe (Ryû Sunohara)
Das ist die Ausgangssituation von «Demon City». Auf das Blutbad beim Yakuza-Boss folgt das Blutbad im Haus des Profikillers – ein Doppelschlag des Schicksals, der Sakatas geplante Rente mit dem bereits erwähnten Kopfschuss beendet. Und genau in diesem Takt marschiert der Film weiter. «Demon City» ist eine gnadenlose Choreografie der Gewalt, in der jeder Moment der Ruhe nur einen Vorboten für das nächste Massaker darstellt. Orts- und Zeitwechsel? Sie dienen einzig dazu, die Bühne für den nächsten Kugelhagel herzurichten. Nach dem Kopfschuss vergehen zwölf Jahre, und wir, die Zuschauerinnen und Zuschauer des Gewaltspektakels aus Japan, erfahren, dass Shûhei den Kopfschuss überlebt hat – mehr oder minder zumindest. Shûhei wird aus dem Gefängnis entlassen, aber er ist nicht frei. Gefesselt an einen Rollstuhl, ist nicht einmal sicher, ob er die Welt um sich herum wirklich wahrnimmt. Ein Freund aus alten Tagen besorgt ihm eine Wohnung und stellt einen Pfleger für ihn ab. Währenddessen wird eine Art rudimentäre Außenhandlung etabliert.

Shûhei lebt in der Provinzstadt Shinto. Mit seinem Tod hat der Politiker Sunohara den Posten des Bürgermeisters übernommen – und aus Shinto eine Modellstadt der Zukunft gemacht. Bald wird in Shinto das erste große Casino Japans eröffnet. Unter seiner Führung ist Shinto zu einer Metropole gewachsen, die sinnbildlich für ein Japan der Zukunft stehen könnte – zumindest, wenn man Bürgermeister Sunohara glaubt, dem es nicht an Selbstbewusstsein mangelt. Was er jedoch nicht leiden kann, sind kritische Fragen. Etwa die eines Journalisten, der ihn darauf anspricht, dass in keiner Stadt Japans so viele Menschen verschwinden wie in Shinto und dass es keine Stadt gibt, in der die Polizei offenbar fauler ist. Spoiler: Der Journalist spielt keine große Rolle im weiteren Verlauf, da auch er bald zu den Vermissten zählen wird. Sunohara ist skrupellos und brutal – der Typ, vor dem sogar altgediente Yakuza-Bosse Angst haben. Sunohara hängt aber auch einem alten Geisterglauben an, der besagt, dass alle fünfzig Jahre ein Dämon erwacht, um sich an Menschen wie ihm zu laben. Als ein ehemaliger Yakuza-Gangster, dem Shûhei bei seinem letzten Auftrag einen Arm abgetrennt hat, auf Rache sinnt und Shûhei dadurch im Krankenhaus landet, setzt Sunohara seine Leute darauf an, den ehemaligen Killer endgültig aus dem Weg zu räumen. Dass Sunohara einst Shûheis Familie ermordet hat, steht dabei außer Frage – auch wenn er sein Gesicht hinter einer Maske verborgen haben mag. Doch der Versuch, Shûhei zu töten, gestaltet sich schwieriger als erwartet, denn der einstige Profikiller erwacht aus seinem Dämmerschlaf.

Konsequent


«Demon City» bleibt konsequent in seiner Struktur, die sich auf eine Abfolge von Gewaltakten konzentriert. Narrative Tiefe wird zugunsten einer stilisierten Darstellung von Brutalität geopfert, wodurch die Handlung oft fragmentarisch wirkt. Charakterentwicklungen treten in den Hintergrund, während die Inszenierung von Gewalt als zentrales Element fungiert. Die Übergangsszenen, die in anderen Filmen zur Vertiefung der Geschichte oder zur Schaffung emotionaler Bindungen genutzt werden, dienen hier lediglich als funktionale Brücken zwischen den einzelnen Eskalationen. Will man es weniger feuilletonistisch ausdrücken, folgt «Demon City» der Dramaturgie eines Pornos, in dem Übergangsszenen alleine dem Zweck dienen, den nächsten Akt (hier: Gewaltakt) einzuläuten.

Charakterentwicklungen, die für gewöhnlich als Schaffung emotionaler Bindungen genutzt werden, finden nicht statt. Die Figuren verbleiben in ihren Rollen als „der Killer“, „der Bürgermeister“, „der alte Freund“. Shûheis Abscheu gegenüber Gewehren gibt der Handlung, wenn man sie denn als solche bezeichnen möchte, darüber hinaus die Möglichkeit, ganz nebenbei auch noch eine kleine Splatterorgie zu zelebrieren, in der Shûhei mit einer Art Fleischeraxt die Anzahl seiner Gegner dezimiert.

Das Genre des Yakuza-Filmes ist in Deutschland eher unbekannt. «Demon City» ist, obwohl es sich um eine Manga-Verfilmung handelt, im weitesten Sinne diesem Genre zuzurechnen, da er mit seinem Prolog in diese Unterwelt abtaucht und in kurzen Blinklichtern Elemente typischer Yakuza-Erzählungen aufblitzen lässt, wozu tatsächlich auch recht derbe Gewaltdarstellungen gehören. In Japan waren Yakuza-Filme ab etwa Mitte der 1960er Jahre bis Anfang der 1980er Jahre sehr populär, seit Mitte der 90er erscheinen immer wieder neue Filme, die das Genre am Leben erhalten. Inszenatorisch weisen die Klassiker durchaus eine Seelenverwandtschaft zu den französischen Gangster- und Polizistenfilmen jener Epoche auf, allerdings sind sie weitaus brutaler in ihrer grafischen Darstellung von Gewalt. Warum das Genre in Deutschland fast unbekannt ist? Die japanische Filmindustrie war international zu der Zeit einfach nicht wirklich gut jenseits ihrer asiatischen Märkte vernetzt (eine Ausnahme ist das «Godzilla»-Studio Toho). Zum anderen glaubten europäische Filmverleiher nicht daran, dass japanische Filme hierzulande ein Publikum finden würden, da sie zu – fremd wirkten. Der wahrscheinlich bedeutendste Film des Yakuza-Genres, «Battles Without Honor and Humanity» von Kinji Fukasaku, der 1973 unter seinem Originaltitel «Jingi Naki Tatakai] den Auftakt einer Filmreihe darstellte, die gnadenlos mit der Geschichte der Yakuza abrechnet, hat seine Deutschlandpremiere erst im Juni 2024 erlebt. [[City Demon» selbst basiert, wie schon erwähnt, auf einem Manga. «Oni Goroshi» umfasst 8 Bände, die zwischen 2020 und 2024 erschienen sind und in etwa die gleiche Rahmenhandlung bieten wie der Film. Der lässt eine Hintertür für eine Fortsetzung offen.

«Demon City» ist ein schwieriger Film. Der völlige Verzicht auf echte Charakterzeichnung macht es nahezu unmöglich, eine emotionale Verbindung zur Geschichte aufzubauen. Stattdessen wirkt der Film sperrig und distanziert – als würde er sich bewusst weigern, eine tiefere Bedeutung zu suggerieren. Doch gerade diese kompromisslose Reduktion auf den reinen Rache-Amoklauf hat auch eine gewisse Ehrlichkeit. «Demon City» täuscht keinen moralischen Unterbau vor, sondern inszeniert Gewalt als Selbstzweck. Das kann man stumpf finden – oder als Beschreibung einer Welt verstehen, in der nichts zählt außer dem nächsten Akt der Zerstörung.

Bei Netflix verfügbar.
25.06.2025 13:35 Uhr  •  Christian Lukas Kurz-URL: qmde.de/162310