Filme des Grauens: «Desperados»

Wesley schickt besoffen eine Nachricht an seinem Schwarm Jared, doch die liegt in einem Krankenhaus und hat die Nachricht nicht gelesen. Wieso also nicht hinfahren und die Nachricht anfangen?

Manchmal erscheint ein Film auf der Bildfläche, bei dem man sich fragt: Wie konnte das passieren? «Desperados», eine vermeintlich harmlose Romantic Comedy, die am 3. Juli 2020 auf Netflix erschien, gehört definitiv in diese Kategorie. Eine Mischung aus Peinlichkeit, schlechtem Timing und verschenktem Talent macht ihn zu einem Paradebeispiel für einen Streaming-Film, der hätte verhindert werden müssen.

Die Prämisse ist so hanebüchen wie klischeebeladen: Wesley (Nasim Pedrad) schickt betrunken eine wütende E-Mail an ihren neuen Schwarm Jared (Robbie Amell), der sich nicht meldet. Als sie erfährt, dass er in Mexiko im Krankenhaus liegt und ihre Nachricht noch nicht gelesen hat, reist sie mit ihren besten Freundinnen (gespielt von Anna Camp und Sarah Burns) dorthin, um die Mail heimlich zu löschen. Slapstick, Fremdscham, stereotype Frauenfiguren – alles vorhanden, nur kein Charme.

Zum einen liegt es am Drehbuch von Ellen Rapoport, das wirkt, als sei es 2003 liegen geblieben. Die Witze sind plump, die Dialoge voller aufgesetzter Sprüche, und der Plot verläuft nach dem klassischen Muster von Fehlentscheidung zu noch größerer Fehlentscheidung. Die Regisseurin, bekannt unter dem Kürzel „LP“ (Lauren Palmigiano), inszeniert ohne jeden Rhythmus oder Gespür für Timing. Statt pointierter Komik gibt es überzogene Grimassen und lautes Herumgezicke.

Besonders tragisch ist dabei, dass Hauptdarstellerin Nasim Pedrad, einst gefeierter «Saturday Night Live»-Star, mit diesem Film ihr Potenzial komplett vergeudet. Auch Lamorne Morris, der als Ersatz für Jason Mitchell verpflichtet wurde (Mitchell wurde nach Missbrauchsvorwürfen gefeuert), kann dem Film keine Tiefe verleihen – obwohl sein Part als Witwer mit verletzlicher Seite eigentlich Raum dafür bieten würde.

Nasim Pedrad verschwand nach dem Film weitgehend aus großen Produktionen – ihre eigene Sitcom «Chad» wurde trotz kreativer Ansätze eingestellt. Lamorne Morris fand vereinzelt Rollen in Serien, blieb aber im Schatten seines «New Girl»-Erfolgs. Robbie Amell tingelt seither zwischen TV und mittelmäßigen Streamingfilmen – zuletzt mit mäßigem Erfolg. Regisseurin LP ist weiterhin vor allem als Comedy-Autorin im Hintergrund tätig, aber als Regisseurin von Kinofilmen ist sie seitdem nicht mehr in Erscheinung getreten. Die Autorin Ellen Rapoport versuchte mit der Serie «Minx» einen Neustart, die bei der Kritik besser ankam, jedoch kein Massenpublikum fand.

«Desperados» ist ein typisches Produkt der Netflix-Strategie jener Jahre: lieber Masse als Klasse. Man wollte mit möglichst vielen mittelgroßen Produktionen Streamingzahlen generieren – unabhängig von Qualität oder Nachhaltigkeit. Dass «Desperados» kurzzeitig unter den meistgesehenen Filmen der Plattform war, zeigt die Wirksamkeit dieser Taktik. Doch der Preis war hoch: kreative Reputation, enttäuschte Zuschauer und ein weiteres Beispiel für die Beliebigkeit, die Netflix-Kritiker häufig bemängeln.

«Desperados» ist ein Film, der wirkt, als sei er aus einem schlechten Mad-Libs-Spiel entstanden: Man nehme eine verzweifelte Protagonistin, platziere sie in ein Urlaubschaos, garniere das Ganze mit ein paar derb gemeinten Witzen und hoffe auf Streamingklicks. Das Resultat ist eine unangenehme Filmstunde und 45 Minuten, die man nur schwerlich zurückbekommt. Ein tragisches Beispiel dafür, was passiert, wenn gute Ideen in schlechten Händen landen – und warum Kontrolle über Inhalte manchmal mehr bedeutet als bloßes Vertrauen auf Algorithmen.
28.06.2025 13:05 Uhr  •  Sebastian Schmitt Kurz-URL: qmde.de/162016