Malick Bauer: ‚Hörspiel muss virtuos, aber authentisch sein‘
Der Schauspieler spricht Captain Hastings in Agatha Christies Debütroman «Das geheimnisvolle Verbrechen in Styles», die Audio-Fassung ist nun bei Audible erhältlich.
Herr Bauer, Sie sprechen im neuen Audible-Original «Das geheimnisvolle Verbrechen in Styles» den Charakter Captain Hastings. Wie haben Sie sich dieser ikonischen Rolle genähert, die ja fest mit der Welt Agatha Christies und Hercule Poirots verbunden ist?
Ich habe zunächst versucht zu verstehen, wer Hastings ist. Ein verletzter Kriegsveteran mit großen Sehnsüchten, einer gewissen Einsamkeit. Ein guter und loyaler Freund, der eigentlich eine Pause will und braucht. Aber dann ruft ihn die Pflicht und Verbindung zu seiner zweiten Familie aufs Schachbrett. Da tut er dann, was er kann, geht über seine Grenzen. Hat eine gute Intuition, aber manchmal Lücken im Handwerk verglichen mit Poirot. Dafür aber eine Menschlichkeit, die bei Poirot manchmal fehlt.
Was war für Sie die größte Herausforderung bei der Vertonung eines Hörspiels, das in einer so bekannten literarischen Welt spielt?
Ich glaube, die englische Etikette ins Deutsche zu transferieren. Scheu hatte ich nicht. Ist eher ein Geschenk als eine Aufgabe für mich. Mit Tommi Schneefuß an unserer Seite hatten wir zudem einen Regisseur, der ein tolles Feingefühl besitzt und mir immer zur Seite stand.
Captain Hastings ist nicht nur Poirots Freund, sondern auch sein „Chronist“ und manchmal auch eine Art naiver Gegenspieler. Wie viel Raum hatten Sie, um diesen Charakter auch mit Ihrer eigenen Interpretation zu füllen?
Tatsächlich war genau das die Aufgabe. Ja, diese Elemente gibt es, manchmal ist mir Hastings in den Klassikern aber auch zu wenig Soldat. Die menschlichen puren Momente mit der eigentlichen Frontfrustration in Verbindung zu bringen hat mich interessiert. Dem haben wir auch nachforschen können.
Sie arbeiten hier mit Rufus Beck zusammen, der als Poirot zu hören ist. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm, gerade in einem Medium, in dem man sich oft gar nicht direkt gegenübersteht?
Ich hatte das Glück, dass seine Spuren schon aufgenommen waren, als ich ins Studio kam. Konnte daher an etwas anschließen oder auch kontern. Ich habe also mehr mit ihm bzw. seinem Material arbeiten können als er mit mir. Aber ich fühle mich sehr geehrt neben Iris Berben und ihm so ein Projekt anführen zu dürfen.
Hörspiele leben stark von der Atmosphäre. Wie haben Sie die Arbeit mit dem aufwendigen Sounddesign und der Musik von Johnny Flynn und Joe Zeitlin erlebt?
Tatsächlich befruchtend. Ähnlich wie wenn man in ein großartiges Setdesign läuft. Es regt die Sinne bzw. Sinnlichkeit an. Ich durfte letzten Sommer mit Philipp Stölzl den «MEDICUS II» drehen und stand in unglaublichen historischen Sets. Das macht was mit uns als Spielende. Diese Wechselwirkung der Atmosphäre auch beim Einsprechen erinnerte mich ans Drehen. Als Schauspieler bin ich jetzt im Fokus, aber die Menschen aus den Gewerken hinter dem Mikro oder der Kamera ermöglichen vieles unserer Arbeit. Das war auch hier so.
Sie haben in Serien wie «Sam – Ein Sachse» und Kinofilmen wie «Wunderschöner» gespielt – was bedeutet für Sie persönlich der Schritt ins rein akustische Erzählen?
Konzentration in den Mitteln. Ich komme vom Theater. Der Sprache. Da ist oft so viel musikalisch möglich, was im Hyperrealismus der Kamera irritierend sein kann. Gleichzeitig muss es beim Hörspiel virtuos, klar aber vor allem authentisch sein. Das Abwiegen davon war eine schöne Suche.
Captain Hastings kehrt im Hörspiel aus dem Krieg zurück und wird mit einem Mordfall konfrontiert – wie haben Sie diesen inneren Bruch zwischen Trauma und Detektivspiel emotional greifbar gemacht?
In meinem Hastings existiert neben all den noblen Qualitäten, die ihn auszeichnen, vielleicht hier und da eine größere Prise Schmerz oder Not. Die Beträge sind enorm. Besonders im letzten Akt. Dem immer wieder die englische Etikette gegenüberzustellen, sowie die Dynamik mit Poirot war eine Freude.
Agatha Christie gilt als Meisterin der feinen Andeutungen und doppelten Böden – wie sehr musste man beim Einsprechen auf Tonlagen, Betonungen und Zwischentöne achten?
Das Belauern der einzelnen Figuren ist großartig geschrieben. Die Masken jeder Figur und wie wir langsam dahinter blicken können, ist eine Masterclass von Christie. Daher war immer die Frage:
Wieviel zeigt man von seinem Verdacht? Spielt man hier oder da mit Druck? Wie wiege ich jemanden in Sicherheit? In kurz, ja wir haben sehr darauf geachtet, denn niemand ist wer er vorgibt zu sein in dieser Geschichte.
Haben Sie sich zur Vorbereitung die literarische Vorlage oder frühere Verfilmungen wie z. B. mit David Suchet angesehen – oder sind Sie bewusst unvoreingenommen an die Rolle herangegangen?
Tatsächlich ja. Was Suchet als Poirot, aber auch Fraser als Hastings und der Rest vom Cast da leisten, war fantastisch. Ich habe es geschaut, um mich zu informieren, über die Form, die Etikette, aber danach war es dann wichtig gelöst davon selber zu kreieren.
Und zum Abschluss: Glauben Sie, dass Hörspiele wie dieses eine neue Generation für klassische Krimis begeistern können – vielleicht gerade, weil sie so atmosphärisch und cineastisch produziert sind?
Absolut. Gerade heute, wo second screen und weitere Ideen von Kunstaufnahme Realität sind, schätze ich Audioformate. Ob in voller Konzentration auf der Couch oder im Bett oder auch auf Fahrten, beim Sport oder sonst wo.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
«Das geheimnisvolle Verbrechen in Styles» ist seit 3. Juni bei Audible erhältlich.