Nina Gnädig: ‚Tante Gabi ist Vollweib und kleiner Bruder zugleich‘

Die Schauspielerin ist in der neuen ZDFneo-Serie «Tschappel» zu sehen. Als Sidekick ergänzt Gnädig das Ensemble um Jeremias Meyer, Sebastian Jakob Doppelbauer und David Ali Rashed.

Frau Gnädig, erzählen Sie doch bitte: Wovon handelt «Tschappel» – und was macht die Serie so besonders?
Einem „Tschappel“ ist das Glück durch die Hintertür hold: aufgrund seiner Tollpatschigkeit misslingt einem „Tschappel“ eigentlich alles, was ihm wert und wichtig ist. Ständig ist er dabei, zu verlieren, sogar den Glauben an sich selbst - nur nicht sein blank geputztes Herz. Davon handelt „Tschappel“. Und dafür beschenkt ihn das Leben dann doch. Und die Zuschauenden mit.

Sie spielen die Tante Gabi – was ist das für ein Typ Frau? Und wie passt sie in Carlos chaotischen Sommer zwischen Maultaschen und Selbstfindung?
Tante Gabi ist Vollweib und kleiner Bruder zugleich. Während Carlo nach sich selbst sucht, ist sie permanent mit Finden beschäftigt. Im Gegensatz zu den anderen „gesettelten" Erwachsenen in ihrem Alter (und auf dem Dorf erst recht), hat Tante Gabi weder Haus noch Auto, keine Beziehung, keine Kinder, kein geregeltes Einkommen. Aber eine geballte Freude am Leben. Und an sich selbst. So lästig sie Carlo mit ihrer Unberechenbarkeit damit bisweilen auch sein mag, so sehr ist Tante Gabi ihm damit vor allem ein Kompass.

«Tschappel» ist ja ein liebevoller, aber auch leicht spöttischer Begriff für einen Tollpatsch oder Dussel. Was macht Carlo in der Serie zu einem waschechten Tschappel?
Carlo bemüht sich permanent und redlich - doch immer in die falsche Richtung. Er handelt zwar nach bestem Wissen und Gewissen, aber es gibt halt kein Richtig im Falschen. Und - zack - ist man in der nächsten sackgassiösen Situation. Aus der heraus hilft immer die Liebe. Und Freunde. Und eben Tante Gabi.

Die schwäbische Provinz wird hier nicht einfach nur Kulisse, sondern fast ein eigener Charakter. Was hat Ihnen besonders gefallen an dieser Art von Heimatgefühl mit Augenzwinkern?
Mir ist dieser Charakter sehr vertraut, ich bin auf der Schwäbischen Alb aufgewachsen. Nun gehen mit diesem Dialekt, wie bei jedem, eine Menge Klischees einher, beim Schwäbischen ja besonders. «Tschappel» bedient jedes davon. Und legt jedes komplett auseinander. Beides besteht friedlich nebeneinander her. Das macht es wahnsinnig authentisch. Unglaublich komisch. Und immer liebenswert.

Gabi wirkt wie das perfekte Gegengewicht zu Carlos Eltern – wie war das Zusammenspiel mit Kollegen wie Bernd Gnann und Bärbel Stolz am Set?
Bärbel und ich sind lange schon eng befreundet, so sehr, dass wir mittlerweile Tür an Tür wohnen. Da Familie zu spielen, war ein Leichtes. Und ein Geschenk. Tatsächlich überschneiden sich unsere Erzählstränge jedoch selten, dann aber mit Wucht. Denn während Carlo - und auch Gabi - gerne die Umwege und Abkürzungen im Plot nutzen, repräsentieren Bärbel und Bernd in den Rollen der Eltern ja seinen linearen Weg (obwohl sie den natürlich auch völlig unterschiedlich verstehen!), sprich Abi, Ausbildung, Anzug - noch lieber Kochschürze im eigenen Gasthof.

Die Serie erzählt Coming-of-Age mit Comedy-Elementen – aber auch mit viel Herz. Wie haben Sie persönlich die Balance zwischen Witz und Ernsthaftigkeit erlebt?
Wenn sich Menschen besonders ernst nehmen, bietet das ja ein großes Komik-Potenzial. Wenn sich ernste Menschen in ernsten Situationen besonders ernst nehmen, sind wir schon fast bei Comedy. Und Erwachsenwerden zählt in unserer Gesellschaft nun mal als eine der ernsthaftesten Sachen schlechthin. Aus dieser Not haben Marius und Marc, die Macher von «Tschappel», eine Tugend gemacht: je größer die Not, umso befreiender das Lachen. Wir haben irre viel gelacht am Set. Oder besser gesagt: wer lacht, hat keine Angst.

Hatten Sie beim Dreh selbst auch so einen «Tschappel»-Moment, an den Sie sich heute gern (oder schmerzhaft!) erinnern?
Einen? Nachdem Gabi ja alles, was sie macht, exzessiv betreibt, hatte ich in beispielsweise beim Nachtdreh des Abiballs durchaus mit ihrem erheblichen Nikotinkonsum zu kämpfen. (lacht) Gleichzeitig erlauben alle Figuren durch ihre Tschappeligkeit jede Menge Freestyle. So sehr, dass jede Szene zur Überraschung wurde - und jeder Drehtag zum Tschappel.

Die Figuren sind alle ein bisschen schräg – aber auch liebenswert. Was hat Sie an der Rolle der Gabi besonders gereizt?
Alle Figuren sind mit viel Herz, Hirn und Augenzwinkern gezeichnet, es gibt keinen echten Antagonisten. Außer, dass sich jeder selbst einer ist. «Tschappel» halt. Tante Gabi ist dabei die Königin des Augenblicks. Sie macht sich absolut immer, überall und in jeder Situation mit großer Gelassenheit das Leben so schön als möglich. Andere nennen das unkonventionell, Gabi würde sagen: warum machen die es sich freiwillig schwer. Sie trinkt das Leben wie das Bier: in großen Schlucken. Und auf ex. Solche Figuren sind selten in der Fernsehlandschaft. Solche Frauenfiguren erst recht.

Sie haben schon in vielen Genres gespielt – von Krimi über Drama bis Comedy. Was macht Comedy für Sie als Schauspielerin besonders reizvoll – und vielleicht auch besonders anspruchsvoll?
Wie oft wird Comedy in Deutschland unterschätzt? Wir haben uns spezialisiert auf dunkle Stoffe, dabei ist gute Comedy eine Königsdisziplin. Ich habe großen Respekt vor Kollegen, die diesen Tanz auf dem Drahtseil beherrschen: Timing, hohe Schlagzahl an Brüchen pro Minute, sich der Figur ganz hingebend und zugleich von schräg oben zu erzählen. Und sie nie, absolut nie an einen Lacher zu verraten. Ich wünschte, dafür würde es eine eigene Preiskategorie geben, wert wärs.

Warum sollte man sich «Tschappel» unbedingt anschauen – ob nun Schwabe, Nichtschwabe oder zukünftiger Backpacker?
Wer danach das Leben nicht lieb hat, hat nicht geguckt. Ich hab‘ das bei 8-Jährigen erlebt, bei 80-Jährigen, und altersmäßig allen dazwischen. Gebt der Serie zehn Minuten lang die Chance - dann beantwortet sich die Frage tatsächlich von selbst.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

«Tschappel» ist seit Freitag, den 23. Mai 2025, in der ZDFmediathek abrufbar. Bei ZDFneo kommen ab 3. Juni 2025 dienstags um 21.45 Uhr Doppelfolgen.
26.05.2025 12:25 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/161523