Dunkel im Wald lebt der finstere Milan mit seiner Mutter. Ein Außenseiterleben, in das der Rostocker «Polizeiruf 110» vordringen will.
Stab
Darsteller: Anneke Kim Sarnau, Lina Beckmann, Andreas Guenther, Josef Heynert, Uwe Preuß, Emilie Neumeister
Musik: Fabian Römer und Steffen Kaltschmid
Kamera: Ian Blumers
Drehbuch: Catharina Junk und Elke Schuch
Regie: Alexander DierbachNatürlich: der Wald. Immer wieder dieser Wald. Dunkel, tief, schwer atmend. Als hätte man ihn in Melancholie mariniert. Er durchzieht den «Polizeiruf 110 – Böse geboren» als einziges relevantes Leitmotiv: Ein TV-Krimi auf Abwegen, der eigentlich lieber Psychodrama wäre, aber dann irgendwie in beiden Disziplinen durch die dramaturgische Jägerprüfung fällt.
Es geht um einen Jungen namens Milan, der aussieht wie das Posterkind eines Düsternis-Workshops, gezeugt durch Gewalt, geboren in Scham und aufgezogen im Schatten des Schweigens. Seine Mutter Eva (gespielt von Jördis Triebel, die sich redlich müht, gegen die bleierne Schwere des Drehbuchs anzuspielen) lebt mit ihm im Haus-im-Wald. So weit, so grimmisch. Die Nachbarschaft – alles Waidmänner, Bessermenschen, Empörte mit Hund und Schrotflinte – findet Milan irgendwie verdächtig. Also: natürlich ist er’s gewesen, als plötzlich eine Tierschützerin erschossen im Forst liegt.
Aber nein. Natürlich nicht. Und man weiß es auch sofort. Weil das hier ja kein Whodunit ist, sondern ein Whydunit, das sich so sehr nach Relevanz sehnt, dass man sich beim Zuschauen fast selbst ins Thema reinschämt. Die Botschaft (Stigma! Vererbung! Trauma! Schuld!) ist dick aufgetragen wie ein aufgewärmter Philosophie-Essay nach zwei Bieren zu viel. Und leider ist das alles so feinfühlig umgesetzt wie ein Waldarbeiter mit Kettensäge im Porzellanladen.
Die Kommissarinnen König (Anneke Kim Sarnau) und Böwe (Lina Beckmann) stolpern durch dieses düstere Biotop aus Vorurteilen, inneren Konflikten und latentem Mutterhass – als würden sie versuchen, einen Roman von Juli Zeh mit den Mitteln eines Jagdkurses aufzuklären. König ist gewohnt mürrisch, Böwe gewohnt mütterlich, aber diesmal – oh là là – kommt ihre Tochter Rose ins Spiel. Natürlich mit Fragen nach dem Vater. Natürlich schweigt Mama. Natürlich ist das alles irgendwie meta und persönlich und dann doch nur: bemüht.

Und genau das ist das Problem. «Böse geboren» ist nicht per se schlecht – sondern bloß eine Nummer zu sehr von sich selbst überzeugt. Das Drehbuch atmet die Haltung: „Jetzt wird’s ernst. Jetzt sagen wir mal was zum Menschsein.“ Nur leider vergisst es dabei die Handlung. Die Auflösung ist vorhersehbar, und der Spannungsbogen verläuft wie ein Forstweg nach einem Jahrhundertregen – matschig, lang, ziellos.
Was bleibt, sind starke Bilder, denn Kameramann Ian Blumers gibt sich sichtlich Mühe, alles in postkartenreife Tristesse zu tauchen. Doch insgesamt will «Polizeiruf 110 – Böse geboren» viel zu viel und kann dabei viel zu wenig. Ein Film wie ein verkohlter Baumstamm: schwer, schwarz, bedeutungsschwanger. Aber wenn man anklopft, klingt’s hohl.
Der Film «Polizeiruf 110 – Böse geboren» wird am Sonntag, den 25. Mai um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.