Alexander Skarsgård spielt einen Cyborg, der seine freien Gedanken verstecken muss. Damit erfindet AppleTV+ gerade das ganze Genre ein Stück weit neu.

Manchmal kommt eine Serie daher wie ein gut gewählter Song in einem ansonsten trostlosen Spotify-Algorithmus-Mix. Man weiß nicht genau, warum es plötzlich passt, aber es passt. So ist «Murderbot» – AppleTV+s glänzend schwarzes Sci-Fi-Juwel, das all die hochpolierten Dystopien der letzten Jahre wie Second-Hand-Ware aussehen lässt. Ein melancholischer Maschinenmensch mit einem Sinn für Streamingserien, Zynismus und existenzielle Verwirrung – wenn das nicht mal ein beeindruckender Ruf des Helden ist.
Die Serie basiert auf Martha Wells’ vielfach gefeierter Buchreihe The Murderbot Diaries. Und AppleTV+, dieser Streamingdienst, der in seinem Selbstverständnis ungefähr da steht, wo früher die Rolling Stones bei Top of the Pops standen – zu gut für den Mainstream, aber zu klug, um nicht irgendwann dort zu landen – hat sich dieses Material geschnappt und etwas Seltenes daraus gemacht: Science-Fiction mit Seele. Nicht als Effekt-Gewitter, sondern als stille, rot blinkende Meditation über Freiheit, Angst und das ganz alltägliche Unbehagen, überhaupt zu existieren.
Der Protagonist – Murderbot – ist ein Cyborg, halb Killermaschine, halb Mensch, voll Trauma. Und ja, das klingt zunächst wie der feuchte Traum eines Reddit-Threads, aber diese Serie schafft das Unmögliche: Sie gibt der Figur nicht nur eine Stimme, sondern einen Ton. Und was für einen! Sarkastisch, überinformiert, immer kurz davor, sich aus dem Fenster zu lehnen – nicht aus Verzweiflung, sondern aus Prinzip. Das macht ihn sofort zur vielleicht sympathischsten Figur in einem Genre, das oft nur durch den Kalauer emotionale Distanz lebt.

Die Regie führt derweil mit chirurgischer Präzision durch die gläserne Einsamkeit. Das Tempo ist entschleunigt, aber nicht langsam, die Bilder sind kühl und trotzdem einladend – wie ein perfekt aufgeräumtes iPhone, das plötzlich Gefühle zeigt. Jede Folge fühlt sich an wie eine kleine Erkundungstour durchs Innere eines kybernetischen Nervenzusammenbruchs. Und das ist absolut als Kompliment zu verstehen.
Großartig ist ebenfalls, wie diese Serie sich weigert, alles zu erklären. Sie gibt Hinweise, streut Andeutungen, baut Welten, ohne ständig zu sagen: „Schau mal, wie clever wir sind!“ Das ist selten. Das ist Stil. Die Dialoge sind präzise, oft trocken, immer aufgeladen mit einem leisen Grummeln unter der Oberfläche. Als würde jemand im Maschinenraum einer Gesellschaft ständig leise gegen eine Wand trommeln.
Und ja, da ist auch Action – aber nicht als Selbstzweck. Wenn etwas explodiert, dann explodiert es aus einem echten, inneren Konflikt heraus. Wenn jemand verletzt wird, dann schmerzt es. Nicht nur die Figur, sondern auch uns Zuschauer, die wir in Murderbots Perspektive hineingesogen werden wie in eine gut geschriebene WhatsApp-Nachricht eines engen Freundes, die man immer wieder liest, weil sie genau den richtigen Ton trifft.
Am Ende ist «Murderbot» eine dieser Serien, die nicht schreien müssen, um gehört zu werden. Eine, die nicht auf alles eine Antwort hat, aber auf die richtige Weise fragt. Und das ist vielleicht das größte Kunststück in dieser Zeit: Maschinen zu zeigen, die mehr Menschlichkeit besitzen als so manche Führungskraft in der Realität. Und dabei trotzdem witzig zu bleiben. Und traurig. Und gut. Substanz mit Stil – und Pflichtprogramm für alle, die sich schon mal gefragt haben, ob der Wunsch, allein zu sein, nicht auch ein Akt der Liebe sein kann.
Die Serie «Murderbot» steht ab dem 16. Mai beim Streaming-Anbieter AppleTV+ zur Verfügung.