Podstars: «Brachland – Das KZ und die Millionen»

Ein Podcast über Vergessen, Verantwortung und Profit vor den Toren von Wiens.

Wo heute eine grüne Wiese liegt, standen einst Baracken. Auf dem Gelände in Leobersdorf, rund 40 Kilometer südlich von Wien, befand sich im Zweiten Weltkrieg ein Außenlager des KZ Mauthausen – das zweitgrößte Frauen-KZ auf österreichischem Boden. Jahrzehntelang schien die Vergangenheit dieses Ortes vergessen. Doch ein fragwürdiger Immobiliendeal brachte neue Aufmerksamkeit – und ein Stück verdrängter Geschichte ans Licht. Diesem komplexen Geflecht aus NS-Vergangenheit, Gegenwart und Geschäftemacherei widmet sich der neue Podcast der „Wiener Zeitung“ in Zusammenarbeit mit „Oh Wow Podcasts“: «Brachland – Das KZ und die Millionen».

In fünf Folgen rekonstruiert das Team rund um Host Johanna Hirzberger die Geschichte hinter einem Grundstück, das heute teueres Bauland ist – und einst Schauplatz eines kaum dokumentierten Verbrechens war. Ausgangspunkt ist ein dunkler Parkplatz in Leobersdorf. Dort beginnen für die Redaktion die ersten Recherchen. Eine anonyme E-Mail, Hinweise auf einen umstrittenen Deal, in dessen Mittelpunkt niemand Geringerer als der amtierende Bürgermeister steht. Was folgt, ist eine akribisch recherchierte Spurensuche unter der Oberfläche – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.

Die erste Folge mit dem Titel „Unter der Oberfläche“ (19 Minuten) führt die Hörer in die Grundstruktur des Podcasts ein: Es geht nicht nur um Macht und Geld, sondern vor allem um historische Verantwortung. Der Verdacht: Die Umwidmung des Areals von einem ehemaligen KZ-Standort zu einem lukrativen Gewerbepark könnte den Blick auf die Geschichte bewusst verdeckt haben. Eine Täter-Opfer-Konstellation, die Jahrzehnte zurückreicht, wird durch die Recherche wieder greifbar.

Der Podcast bettet das Geschehen in Leobersdorf in einen größeren gesellschaftlichen Kontext ein: Warum ist die Geschichte dieses Lagers so wenig bekannt? Welche Rolle spielen kollektives Wegsehen und politische Machtstrukturen bei der Aufarbeitung von NS-Verbrechen? In Folge zwei („Der Patronenkönig“) wird der Waffenindustrielle Fritz Mandl in den Fokus gerückt, der in der NS-Zeit von Zwangsarbeit profitierte. Folge drei trägt den Titel „402 Namen“ – sie erinnert an die Frauen, die hier gelitten haben, viele ohne je ein Gesicht oder eine Geschichte im öffentlichen Gedächtnis zu bekommen.

Mit eindrucksvollem Sounddesign, klarer Sprache und journalistischer Präzision gelingt es dem Produktionsteam, Geschichte greifbar zu machen. Die technischen Fäden ziehen Anna Muhr (Sounddesign) und Jeanne Drach (Executive Producerin). In der Redaktion arbeiten neben Johanna Hirzberger auch Michael Ortner und Matthias Winterer.

«Brachland» ist kein Podcast für nebenbei – es ist ein eindringliches Hörerlebnis, das Geschichte aufrüttelnd erzählt und unbequeme Fragen stellt. In Zeiten, in denen Gedenkkultur oft an ihre Grenzen stößt und ökonomische Interessen historischen Raum verdrängen, ist dieser Podcast ein wichtiger Beitrag zur demokratischen Selbstvergewisserung. Begleitend berichtet die „Wiener Zeitung“ auch im Print und online mit weiterführenden Artikeln und Videos über das Thema.

18.05.2025 12:28 Uhr  •  Sebastian Schmitt Kurz-URL: qmde.de/160985