Ein bisschen «Frühstücksfernsehen», ein paar Shows aus den Niederlanden und endlich wieder eigene Fiktion. Das war Sat.1 im Jahr 2023/2024.
Der ehemalige Kabel-Eins-Chef Marc Rasmus übernahm den krisengeschüttelten Sender im November 2023. In den vergangenen zehn Jahren haben mehrere ProSiebenSat.1-Geschäftsführer versucht, dem Sender ein Gesicht zu geben, doch die ständigen Sparrunden nach der Wirtschaftskrise 2009 haben zum Verlust vieler Marken und Gesichter geführt. Nicolas Paalzow, Kaspar Pflüger und Daniel Rosemann konnten nicht verhindern, dass der Sender seit Jahren Marktanteile verliert. Früher hatte der Sender starke US-Serien im Programm.
RTL erreicht am Nachmittag mit seinen Gerichtshows teils mehr als eine Million Fernsehzuschauer, Sat.1 setzt zu dieser Tageszeit lieber auf die inhaltlichen Schnellschüsse «Das Schnäppchen-Menü» und die «Küchenschlacht»-Kopie «Drei Teller für Lafer». Man muss kein Freund von Laienschauspiel im eigenen Programm sein, aber keine neuen «Auf Streife»-Sendungen zu produzieren, ist fahrlässig, da die Ergebnisse der Vormittags-Wiederholungen zeigen, dass sich daraus gute Quoten generieren lässt. Man lässt sich Gewinn durch die Lappen gehen. Mit diesen Scripted-Reality-Formaten erreicht Sat.1 noch immer ein großes Publikum, mit neuen Geschichten könnte das Programm vielleicht dauerhaft zwei Prozentpunkte bei den Werberelevanten hinzugewinnen.
Die Primetime wurde in den vergangenen Monaten unter Neu-Chef Rasmus geordnet. Montags laufen Shows wie «The Biggest Loser», dienstags sind wieder amerikanische Serien zu sehen. Warum Daniel Rosemann «FBI» und «FBI: Most Wanted» nicht sendete, war schleierhaft. Der Mittwoch steht im Zeichen von Kochen und Backen, am Donnerstag steht Spiel & Spaß im Vordergrund und am Freitag kommen Shows wie «The Voice» und «The Voice of Kids». Der Struktur zieht allerdings noch nicht wirklich komplett und ist vor allem am Samstag nicht stringent: Es wird oft auf einen Familien-Animationsfilm gesetzt, im Anschluss können schon mal härtere Filme laufen. Dabei gibt es Familienproduktionen wie Sand am Meer. Auch eins, zwei eigene Shows könnten dem Programm am späten Abend guttun. Warum man «Genial daneben» an RTLZWEI abgab, ist völlig schleierhaft, schließlich sendet Sat.1 seit dem Comeback ebenfalls wieder alte Folgen.
In den vergangenen Monaten setzten die Verantwortlichen von Sat.1 auch völlig wahnsinnige Programmaktionen um. Noch bis in den Mai 2023 wurde der gesamte Samstag mit «Unsere kleine Farm» bespielt, danach lief jeden Samstag stundenlang «Baywatch – Die Rettungsschwimmer von Malibu». Inzwischen besteht der sechste Wochentag aus fünf Stunden «Auf Streife – Die Spezialisten», vier Stunden «Die Landarztpraxis» und fünf Stunden «Drei Teller für Lafer». Wenn die Geschäftsführer und die, sehr gut bezahlte mittlere Management-Ebene keine Ideen haben, welche Formate man zukaufen könnte, dann sollte man vielleicht auf die früheren Drittsendeprogramme schauen. «Planetopia» war ein Wissenschaftsmagazin, «Dinner Party» eine interessante Gesprächssendung, «Weck Up» ein völlig anderes Frühstücksmagazin oder man schaut in die Vereinigte Staaten von Amerika. Zahlreiche Shows des Food Network zum Thema Grillen und Kochen sowie von Home and Garten TV (HGTV) könnten preisgünstig und interessant hergestellt werden.