Von all den großen Streamern agiert Apple+ am unauffälligsten. Man setzt zweifelsohne auf Qualität, jedoch fehlte es bislang an einem großen Aufmerksamkeitserreger. Wenn groß, hat man sich im Hause Apple offenbar gedacht, dann aber bitte auch richtig. Und so haben sich die Kalifornier den größten aller Filmstars geschnappt und in Serie geschickt: Godzilla!
Mit «Monarch: Legacy of Monsters» kopiert das MonsterVerse das Vorgehen Marvels in Bezug auf das Marvel Cinematic Universe, das nicht mehr nur aus den großen Kinofilmen besteht, sondern auch auf dem kleineren Bildschirm in Serienform stattfindet. «Monarch: Legacy of Monsters» ist ein waschechtes Sidequel, also eine Geschichte, dessen Handlung Seite an Seite mit den Spielfilmen stattfindet. Um korrekt zu bleiben beginnt die Geschichte der Serie 2015, ein Jahr nach den Geschehnissen des ersten Spielfilmes und präsentiert Cate, eine junge Lehrerin aus San Francisco. Cate ist Amerikanerin japanischer Herkunft. Den Tag, an dem die Menschheit feststellen musste, nicht alleine zu sein und ein gewisser Godzilla begann, die amerikanische Ostküste heimzusuchen, hat sie hautnah in San Francisco miterleben müssen. Der Tod einiger Schüler von ihr hat sie traumatisiert. Aber das Leben muss weitergehen und ein Jahr nach den Geschehnissen ist eine Art neue Normalität in die Welt eingezogen. In Städten wie Tokio gibt es beispielsweise Hinweisschilder in den Straßen, die die Wege zu den nächstgelegenen Schutzbunkern weisen. Man ist auf einen neuen Angriff vorbereitet. So gut es geht zumindest. Cate reist nach Tokio, um die Wohnung ihres Vaters aufzulösen. Der war ein amerikanisch-japanischer Naturwissenschaftler, der in der Heimat seiner Mutter gearbeitet hat. Vor einem Jahr ist er spurlos verschwunden, es ist davon auszugehen, dass er tot ist. Bei ihrem Eintreffen in Tokio findet Cate allerdings kein verwaistes Apartment vor. Vielmehr muss sie feststellen, dass ihr Vater Hiroshi ein Doppelleben geführt hat – inklusive einer japanischen Ehefrau und eines japanischen Sohnes im Alter von Cate. Vollkommen entsetzt will Cate zunächst nach Hause zurückkehren; die Erkenntnis aber, ihren Vater nicht wirklich gekannt zu haben (beziehungsweise feststellen zu müssen, dass der über Jahrzehnte sein Doppelleben verschweigen konnte), hält sie davon ab. Was hatte er sonst noch zu verbergen? Ihr Halbbruder Kentaro, der nicht weniger entsetzt über das Auftauchen einer Schwester ist, scheint immerhin ein bisschen mehr über die Arbeit ihres Vaters zu wissen. Bei ihren gemeinsamen Nachforschungen finden sie Unterlagen zu einer Einrichtung namens Monarch, von der ihr Vater regelrecht besessen gewesen ist. Da einige Informationen nur digital vorliegen und verschlüsselt sind, bittet Kentaro eine Freundin um Hilfe. May ist Amerikanerin und lebt in Tokio. Sie verfügt über Skills, verschlüsselte Dateien zu knacken.
Man erwartet von einer Serie nicht unbedingt einen solchen Einstieg, er ist jedoch wohl überlegt. Unbekannt ist die Organisation Monarch nicht. Eingeführt wurde sie bereits im zweiten Film, John Goodmann stellte in diesem Film Bill Randa dar, den Leiter von Monarch. Es ist kein Spoiler zu verraten, dass eben dieser Bill Randa für die Handlung der Serie nicht ganz unwichtig ist, denn wie heißt Cate eigentlich mit Nachnamen? Randa! Durch die familiäre Bande besteht für die Hauptfiguren Cate und Kentaro eine emotionale Bindung zur Geschichte, auf der anderen Seite verbleibt die Story weitestgehend auf Augenhöhe mit seinen beiden Protagonisten. Was sie erfahren, erfahren wir, die Zuschauer.
Die Inhaltsagave bezieht sich in erster Linie auf die ersten beiden Episoden. Auffällig ist, dass Godzilla in dieser Inhaltsangabe so gut wie gar nicht auftaucht. Bei einer zehn Episoden umfassenden TV-Serie erwartet niemand eine Effektschlacht à la «Godzilla vs. Kong». Es ist aber nicht das Fehlen der heiß erwarteten Riesenechse, die zu einem Ärgernis mutiert. Es sind die Episoden 3 und 4, die schlicht keinen Sinn ergeben. Lee muss aus seinem Seniorenheim fliehen, man trifft auf irgendwelche bösen Riesenviecher (die nicht Godzilla heißen), man wird von Monarch gejagt, Monarch ist böse, Monarch ist gar nicht böse, man zieht von Ort A zu Ort B, weil die Handlung einen Ortswechsel braucht, weil Spielzeit gefüllt werden muss. Das, was in diesen beiden Episoden geschieht, ist derart verquast, dass es sich kaum in Worte fassen lässt. Ohne die Handlung der Vergangenheit, die ein bisschen Ordnung in die Story bringt, wäre spätestens die Sinnlosigkeit des Geschehens der vierten Episode ein Grund, aus der Serie auszusteigen. Was «Monarch: Legacy of Monsters» hier abliefert, ist ganz einfach unfassbar schlecht geschriebenes Serienfernsehen. Wie das passieren konnte? Ganz einfach: «Monarch: Legacy of Monsters» hat eine Handlung, die etwa sechs, maximal (aber wirklich auch nur mit gutem Willen) sieben Episoden mit Spielzeit zu füllen vermag. Entweder wollte Apple+ aber unbedingt zehn Episoden – oder bei Warner/Legacy wurde einfach verdammt gut verhandelt: So oder so, die Serie ist viel, viel zu lang. Vor allem wird sie in dieser Länge ihrem Titel nicht gerecht. Sie erzählt die Geschichte von Monarch. Sie findet aber keinen wirklichen Zugang zu Monarch. Zumindest nicht das Monarch der Gegenwart. Zu keinem Moment gelingt es der Serie so etwas wie eine klare Linie bezüglich der Ausrichtung von Monarch zu finden. Wurde Monarch gegründet, um ein Auge auf Riesenechsen zu werfen (okay, das wurde Monarch, das ist aber auch schon aus den Spielfilmen bekannt). Hat Monarch vielleicht einen Fehler gemacht, weil es die Titanen (wie Godzilla und King Kong) unterschätzt hat und deren Rückkehr nicht voraussah? Das wird angedeutet. Was aber will Monarch dann heute, was machen die Jungs und Mädels? Tja, und das ist der Punkt: Die Serie hat keine Idee. Läuft da eine Verschwörung, wird was vertuscht? Es schmerzt regelrecht, dem Desaster zuzuschauen, das in der zweiten Hälfte der Spielzeit (fünfte, sechste, aber auch noch die siebte Episode) im Grunde nur daran arbeitet, das narrative Desaster klein zu halten und nicht ausufern zu lassen. Irgendwie (ein böses Wort, aber es trifft ziemlich genau den Punkt) kehrt die Serie in eine Spur zurück, auf der Godzilla jedoch nur eine Nebenfigur bleibt. Da die Serie allerdings «Monarch: Legacy of Monsters» heißt, also dezidiert Godzilla nicht im Titel trägt, ist das wenigstens nicht zu kritisieren. Das Auftauchen von Godzilla erstmals in den 1950er Jahren zeigt vor allem erst einmal eine große Ratlosigkeit bei den Militärs auf, die nicht wissen, wie mit diesem Geschehen umzugehen ist. Es rückt auch die Protagonisten der Vergangenheitsstory noch einmal etwas schärfer in den Fokus, da ihre Rollen an Gewicht gewinnen. Um ein Wesen wie Godzilla verstehen zu können, braucht es Außenseitermeinungen, die Analyse von Menschen, die auch einmal um eine Ecke denken können. Die Gegenwartshandlung bleibt jedoch über weite Strecken verworren und planlos, bis sie mit den letzten beiden Episoden glücklicherweise in ihre Spur (zurück-)findet. Diese beiden Episoden sind es, die das Durchhalten belohnen, denn was am Ende geschieht, lässt die Geschichte der Titanen in einem ganz neuen Licht erscheinen. Aber nicht nur das: Die Story findet endlich zu sich – und hat keine Angst vor schrägen Ideen. Einige echte Überraschungen erwarten die Zuschauerschaft, auch findet die Serie endlich zu einer Zutat, die über die Hälfte der Spielzeit kaum mit der Lupe zu finden ist: Spannung.
Die Antwort lautet: Nicht wirklich. Dafür ist Monarchs Geschichte zu verworren, aber eben auch die Schauwerte sind nicht dazu geeignet, die Zuschauer derart anzufixen, dass der nächste Spielfilm unbedingt auf der Watchlist stehen müsste. Was in Hollywood sicher mit etwas Unbehagen zur Kenntnis genommen werden dürfte – gerade vor dem Hintergrund, dass Toho gerade gezeigt hat, wie man heute einen modernen «Godzilla»-Film inszeniert. «Godzilla Minus One» hat sich zu einem weltweiten Kinophänomen entwickelt und weit über 100 Mio Dollar eingespielt – bei einem kolportierten Budget von 15 Mio Dollar (laut Regisseur Takashi Yamazaki war es sogar weniger). Auch in «Godzilla Minus One» ist die Riesenechse eher ein Gaststar, wenn Godzilla aber zuschlägt, dann kracht es – während die Geschichte, die im Nachkriegsjapan spielt, stets im Drama verbleibt: Eine kleine Erzählung über Menschen in einer Ausnahmesituation.