Lars Jaeger: 'Allgemein gibt es kaum eine Korrelation zwischen Klima und Aktien'

Der Wissenschaftler ist sauer, dass in Davos erneut nicht über den Klimawandel gesprochen wurde - zumindest ernsthaft.




Lars Jaeger hat Physik, Mathematik, Philosophie und Geschichte studiert und mehrere Jahre in der Quantenphysik sowie Chaostheorie geforscht. Er lebt in der Nähe von Zürich, wo er zwei eigene Unternehmen aufgebaut hat, die institutionelle Finanzanleger beraten, und zugleich regelmäßige Blogs zum Thema Wissenschaft und Zeitgeschehen unterhält. Überdies unterrichtet er unter anderem an der European Business School im Rheingau.

In Ihrem Essay „Mal wieder eine Klimadiskussion beim WEF“ haben Sie die zahnlosen Diskussionen in Davos besprochen. Zunächst einmal: Rentieren sich solche Weltwirtschaftsforen?
Für die Allgemeinheit: Nein, meiner Meinung nach überhaupt nicht. Viel Gerede, wenig Outcome. Allerdings sind sie für die Geschäftsbeziehungen auf oberster Ebene sehr essentiell (aber brauchen wir dafür diese Presse?) Als Party und Sex ist es ein Meisterwerk.

Seit Jahrzehnten wird vor dem Klimawandel gewarnt, doch so wirklich aktiv werden Unternehmer und Politiker auch dieses Mal nicht.
Nein, auf die lässt sich kaum zählen. Die Politik fängt – international gesehen – viel zu langsam an und setzt viel zu wenig durch (am meisten noch in Europa, aber auch hier eher wenig und zu spät). Die Hoffnung besteht auf den Technologien (z.B. Nukleare Fusion, die durchbrechen könnte)

Brauchen die Menschen eine wirkliche Gefahr, um dagegen zu handeln? Mit dem Ozonloch hatte man eine solche Projektion und die Welt verbot FCKW-Gase.
Das brauchen sie wohl. Der Klimawandel setzt sich zunächst (bisher) nur langsam durch, so dass viel denken: Na, das berührt mich nicht. Aber dann beschleunigt sich der Effekt dramatisch (nichtlinear von der CO2 Menge, bisher ist die Beziehung CO2-Menge und Temperaturerhöhung noch linear, das geht also noch, aber irgendwann ändert sich das, und das genau sollten wir verhindern, weil danach wird es schwer bis unmöglich)

In Zeitschriften und Fernsehnachrichten wird zwar von Davos berichtet, aber unterm Strich finden wenige Analysen statt. Sollte man sich mit den Erkenntnissen beschäftigen, statt weiter das Diskutieren zu thematisieren?
In der Tat. Man sollte lieber über die neusten Klimaberichte berichten (IPCC, die kommen kaum in die Presse) als über das Geschwätz der Eliten

Vor der «Tagesschau», in der die Ergebnisse vom World Economic Forum berichtet wird, kommt «Wirtschaft vor acht». Wie passen steigende Aktienkurse mit Klimaschutz überhaupt zusammen?
Nun, die Aktienkurse steigen zur Zeit nicht, sondern fallen eher seit einem Jahr. Allgemein gibt es kaum eine Korrelation zwischen Klima und Aktien. Das könnte sich dann auch mal ändern. Aber man muss sagen: Die Bewertungen alternativer Energiequellen (also Firmen, diese erarbeitet haben) sind zur Zeit hoch. Da ist schon ein Gefühl der Anleger, dass da was Gutes kommt….

Müsste bei Wirtschaftsberichten nicht kritisch darauf geschaut werden, wie Unternehmen ihre Gewinne erzielen. Wenn Apple 100 Millionen Smartphones auf den Markt bringt, mag das für das Unternehmen toll sein, aber es verursacht auch mächtig viel Müll.
Das ist in der Tat so. Die Wirtschaftsberichte sollten sehr kritisch sein. Und die 100 mio. Smartphones sind eben auch für de Umwelt nicht gut. Man sollte Handys länger behalten (meines ist bereits fast 7 Jahre alt).

Könnte der Klimawandel eigentlich verlangsamt werden, wenn die Menschen auf den Konsum von Fleisch verzichten?
Ja, dann verringert sich der (auf CO2 bezogenen) Abgaben um ca. 15-20%. Tiere emittieren CH4, die ungefähr 20 mal so stark wirken wie CO2.

Autos waren früher verhältnismäßig teuer. Heute haben fast alle Menschen einen PKW und fahren damit überall hin. Führt das auch zum Klimawandel?
Autofahren insgesamt ist sehr schädlich für das Klima. Und diese werden auch immer grösser….

In Nordrhein-Westfalen war Lützerath in aller Munde. Das Dorf wurde nun weggebaggert, um Braunkohle zu fördern. Bei all den Demos: Bringen uns solche Proteste weiter?
Nun, die Presse berichtet ja darüber: Das ist gut. Es ist klar, dass Braunkohle furchtbar für das Klima ist. Ich meine, solche Proteste sollten noch zunehmen, um die Allgemeinheit darüber zu informieren. Die Informationen sind sehr wichtig, und oft braucht es dafür irgendetwas Spektakulären. Doch sollten bei solchen Veranstaltungen neben den Demonstrationsaktivitäten (die die Presse ja erst herbringt) eben auch Informationen und Diskussionen geben.

Die Automobilbranche möchte elektrische Autos verkaufen. Wie viel Sinn hat diese Aktion eigentlich, wenn der Strom aus fossilen Stoffen gewonnen wird?
Gar keinen, wenn die Energie der Autos aus fossilen Strom kommen. Nun wird aber bereits 50% des Stroms in Deutschland aus alternativen Energien gewonnen. In der Schweiz sind dies 65% (Wasser). Die Amerikaner liegen da noch bei knapp über 20%, holen aber zur Zeit auf…. Dann lohnen sich elektrische Autos. Allerdings sollte man auch auf die Herstellung und später denn Abbau dieser Autos schauen.

Auf der nächsten Seite finden Sie das vollständige Essay.

Mal wieder eine Klimadiskussion beim WEF – Dabei finden die wichtigsten Entwicklungen ganz woanders statt


Von Lars Jaeger

Seit mehr als 50 Jahren warnen Klimawissenschaftler unterdessen vor dem Klimawandel. Bis vor kurzem wurden sie weitestgehend ignoriert, ja von vielen Ökonomen und Unternehmen gar aktiv bekämpft. Doch unterdessen lässt sich der Klimawandel kaum mehr leugnen, ist er doch an zahlreichen Orten auf unserem Planeten längst Realität geworden. Doch warum haben Regierungen trotz der Warnungen der Klimaexperten so etwas Wichtiges wie den Klimawandel jahrzehntelang komplett unterschätzt? Neben dem starken Einfluss von Ölfirmen (in den USA) lässt sich hier ein weiterer Grund finden: Politiker hören vor allem auf Wirtschaftswissenschaftler. Es existieren Hunderttausende exzellente Fachartikel von Klimawissenschaftlern, aber wenn man sich anschaut, wen die Regierungen in ihren eigenen Arbeiten zum Klimawandel zitieren, dann sind es zu zwei Drittel Artikel von Wirtschaftswissenschaftlern. Dabei haben Wirtschaftler von der Wissenschaft zumeist keine Ahnung. Kommen sie gerade deshalb den Regierungen der Welt gerade recht, müssen diese damit nichts gegen den Klimawandel unternehmen?

Tatsache ist: Der Klimawandel ist keine Bedrohung mehr, die am Horizont auftaucht. Er ist in unserem Alltag angekommen und bedroht schon heute das Überleben vieler Menschen: Überschwemmungen, Artensterben, Migration, Dürren, Super-Tornados, neue Muster von Wirbelstürmen, Verlust von Eisfeldern in Gebirgen und viele andere Klimaereignisse – der Klimawandel geschieht bereits. Und dahinter steht nicht einmal eine große Überraschung, sind doch die Hauptprobleme seit den 1980er Jahren bekannt: Vom Menschen verursachte Treibhausgase – vor allem Kohlendioxid, CO2 – verursachen die Erwärmung unseres Planeten. Damals lagen bereits konkrete Handlungspläne auf dem Tisch, doch eine mächtige Industrielobby verhinderte deren Umsetzung und untergrub gezielt den Ruf der beteiligten Wissenschaftler. Wissenschaftler kennen den Treibhauseffekt im Übrigen schon viel länger. So hat der schwedische Chemiker Svante Arhenius bereits 1896 darauf hingewiesen!

Nun lässt sich kaum behaupten, dass in der Politik in den letzten Jahren nichts passiert ist. So wetteifern Politik und Wirtschaft heute teils gar darum, sich gegenseitig in ihren Bemühungen zu übertreffen, die Klimakatastrophe zu verhindern (oft jedoch mit vielen Worten und wenig Taten, wie es am besten wohl die deutsche Ex-Kanzlerin Angelika Merkel aufzeigte). Im Herbst 2020 kündigten sowohl die EU als auch China einen Fahrplan für eine CO2-neutrale Wirtschaft bis 2050 bzw. 2060 an. Kurz darauf verpflichtete sich auch die deutsche Automobilindustrie mit diesem Ziel. Und nachdem Donald Trump abgewählt wurde, zogen die USA nach (zunächst allerdings noch hauptsächlich mit der lauten Stimme von Joe Biden). Doch werden die Hauptaktivitäten dafür (nur in Europa gibt es bereits entsprechende Gesetze) erst in den 2030er und 2040er Jahren unternommen. Dafür müssen sich die heutigen Politiker dann wohl auch nicht mehr vor das Volk stellen.

Das mitunter beste Beispiel für viel Gerede und das Gegenteil von Aktion ist das alljährliche World Economic Forum (WEF) Treffen in Davos, der Schweiz. Seit Jahren sprechen dort die führenden Wirtschaftler und Industriebosse (mit ein paar wenigen Wissenschaftlern, die dann im Hintergrund reden) über das Klima. Man muss sich wundern, was da außer Worten noch rauskommen soll, diskutieren doch damit nicht nur die, was den Klimawandel angeht, wohl mitunter Ahnungslosteten, sondern auch diejenigen mit dem wohl stärksten Interessenkonflikt, der sich in den letzten Jahrzehnten so mächtig manifestierte und so die Ignoranz des Klimawandels maßgeblich zu verantworten hat. So reist noch heute mehr als jeder zehnte Teilnehmende, darunter so ziemlich jeder Superreiche, mit dem eigenen Businessjet zum WEF an. Können wir denen bei der Klimadiskussion wirklich auch nur geringfügig vertrauen? Erscheinen sie vielmehr nicht als so ziemlich die Letzten, denen man die Verbesserung der Welt überlassen kann?

Am meisten hat sich wohl in der Wissenschaft getan. Die CMIP6-Modelle der Forscher, die im August 2021 und Anfang 2022 im AR6-Bericht veröffentlicht wurden, sind in ihren Ansprüchen an die

Modellgenauigkeit noch weitaus ambitionierter und an den Ergebnissen weitaus schärfer als ihre Vorgänger. Zum Beispiel wird in einigen von ihnen die räumliche Auflösung der Gitter, auf denen das globale Klima modelliert wird, auf weniger als 100 Kilometer reduziert. Dadurch lassen sich die Auswirkungen der Wolkenbildung auf das lokale und globale Klima immer besser bestimmen. Gleichzeitig hat sich die zeitliche Dichte der Messungen deutlich erhöht. «Dieser Bericht ist von unschätzbarem Wert für künftige Klimaverhandlungen und politische Entscheidungsträger», sagte der Vorsitzende des Publikationsorgans IPCC («Intergovernmental Panel on Climate Change»), der Südkoreaner Hoesung Lee. Bezeichnend an dem Bericht ist, dass die Debatten im Vergleich zu den Verhandlungen acht Jahre zuvor offenbar reibungsloser verlaufen sind. Die IPCC-Autorenschaft hat sich dieses Mal wohl eindeutig gegen den üblichen Widerstand von Politikern und Wirtschaftlern gegen klare Formulierungen durchgesetzt. So wurde auch die Verantwortung klar benannt: Laut IPCC ist der Mensch («mit 100% Wahrscheinlichkeit») für die gesamte beobachtete globale Erwärmung seit der vorindustriellen Zeit verantwortlich (1,6 Grad an Land, 0,9 Grad über dem Meer, 1,1 Grad im globalen Durchschnitt).

Doch es gibt auch Gründe zum Optimismus (auch wenn diese kaum bei den Wirtschaftsführern in Davos zu finden sind): Abgesehen von einigen Aspekten der Landwirtschaft (die allerdings ein bedeutender Klimafaktor sind und stark mit unserer Ernährung zusammenhängen; aber auch hier gibt es erste – wenn auch noch langsamere – Entwicklungen), lassen sich alle Einflüsse des Menschen auf das Klima auf die Art und Weise zurückführen, wie wir Energien erzeugen (genauer umformen) und verbrauchen. Und hier liegt Hoffnung: Angetrieben von den erstaunlichen technologischen Fortschritten in den Bereichen Photovoltaik und Batteriespeicherung sowie Nanotechnologie und künstliche Intelligenz stehen wir an der Schwelle zur schnellsten und weitreichendsten Revolution im Energiesektor der letzten 150 Jahre! Wir verfügen bereits heute über die technischen Möglichkeiten, die verheerenden Klimatrends umzukehren, ohne den Wohlstand wesentlich einzuschränken (die in Zukunft wohl noch weiter ausgebaut werden). Wenn dann desweiteren ganz neue Technologien ins Spiel kommen (wie die «Kernfusion», wo sich nach vielen Jahren und Jahrzehnten Stillstand nun ganz interessante Möglichkeiten abzeichnen), sind die technologischen Möglichkeiten, dem Klimawandel entgegenzuwirken, sogar noch bedeutender. Die Hindernisse liegen vor allem in wirtschaftlichen und politischen «Sachzwängen» und spezifischen Interessenkonflikten dort. Diese zu überwinden – das ist der Kern der zukünftigen Energiepolitik. Alternativen Technologien stehen uns dafür bereits zur Verfügung (was sich z.B. auch an den Bestrebungen selbst von so manchen Ölkonzernen zeigt, auf ökologische Energiequellen zu setzen).
24.01.2023 11:58 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/139734