Bindet sich Netflix Sportrechte ans Bein?

Nur wenige Streamingdienste versuchen mit teurem Live-Sport zu punkten. Eine weltweite Strategie kann kein Dienst vorweisen.

In diesem Jahr hat Netflix sein 25-jähriges Jubiläum gefeiert. Das Unternehmen, welches über 220 Millionen Abonnenten hat, kam in den vergangenen Monaten unter die Räder. Aufgrund der weltweiten Rezession überlegten sich einige Mitglieder, den Abo-Dienst nicht mehr zu verlängern. Stattdessen wechselten nicht nur zahlreiche Inhalte zu den Konkurrenten, mehrere Millionen Mitglieder zogen mit. Auf der anderen Seite wächst das asiatische und südamerikanische Geschäft nicht so stark, wie man sich das in den vergangenen Monaten erhofft hatte.

In Deutschland hat sich RTL+ zahlreiche Sportrechte für sein Streamingangebot gesichert, hierzulande mischen auch Amazon und DAZN im Bereich Champions League mit. In den Vereinigten Staaten von Amerika gehört ESPN+ zu den großen Playern, doch das Geschäft von Disney lebt hauptsächlich von dem Kabelsender, dessen Gebühren zu einem ausgeglichenen Ergebnis führen. Einen weltweit agierenden Sportstreamingdienst mit zahlreichen global verfügbaren Rechten gibt es nicht. Die so gerne genutzten Synergie-Effekte sind im Live-Sport so gut wie gar nicht nutzbar.

Schon lange wird deshalb gemunkelt, ob Netflix wirklich Interesse an einer Sportart hat. Die zwei Netflix-CEOs Reed Hastings und Ted Sarandos wurden laut „Wall Street Journal“ schon bei bedeutenden Sportveranstaltungen gesichtet. Zuletzt schnappte man sich einige exklusive Titel: Keine Live-Spiele, aber Dokumentationen unter anderem an der Formel1. Das Unternehmen bekundete auch Interesse an den Übertragungen, die allerdings der Disney-Konzern für einen hohen Preis bekam.

Die Frage ist auch, ob das unabhängige Netflix überhaupt mit den Technologie-Giganten mithalten kann. Apple und Amazon brauchen keine Erlöse aus dem Streaming-Geschäft zu ziehen, deren Hauptgeschäft liegt im Verkauf von Smartphones oder im riesigen Online-Versandhandel. Prime Video und AppleTV+ sind nette Goodies, aber ohne deren Existenz würden die Firmen nicht viel missen.

Netflix gibt jährlich etwa 17 Milliarden US-Dollar für Inhalte aus. Um in der ersten Liga der Sportrechte mitspielen zu können, müsste man das Scheckbuch öffnen. Die Bundesliga, die knapp eine Milliarde Euro pro Jahr an Lizenzkosten verschlingt, wäre eindeutig nicht das Geld wert. Bereits Stunden nach Abpfiff landen beispielsweise schon die zahlreichen Highlights zunächst beim Ersten, dann im «Sportstudio» und Sonntagmorgen auf Sport1. Danach gibt es die Clips auch noch kostenfrei im Netz. Netflix müsste die Ausgaben verdoppeln, um ein ernster Player in Bereich des Sports werden zu wollen.

Außerdem kommt Netflix damit aus der Spur: In den vergangenen Jahren begann in den Vereinigten Staaten von Amerika der Streaming-Krieg. Die Studios Warner Bros. Discovery (HBO Max), NBC (Peacock), Disney, 20th Century (beide Disney+) und CBS (Paramount+) haben ihre Inhalte zum Teil vom große roten N abgezogen. Stattdessen hat sich Netflix weiterentwickelt und setzt nicht mehr auf Lizenzprogramme, sondern stellte in den vergangenen Jahren massiv eigene Inhalte her. Wäre es wirklich diese große Errungenschaft, jetzt wieder von Fremdinhalten abhängig zu werden. Im Sportbereich werden auch Freundschaften kaum gepflegt, dort erhält der Höchstbietende den Zuschlag.

Dennoch muss man Netflix zugutehalten, dass sie in den Vereinigten Staaten von Amerika ein Trendsetter sind. Zahlreiche Formate, wie beispielsweise das von NBC abgesetzte «Manifest», wurden bei Netflix riesige Hits. Auch andere Serien wie «Lucifer» sorgten für hohe Reichweiten für den Streaminganbieter. Selbst mit alten Kamellen wie «Die Todeskandidaten» löste Netflix einen Hype aus, für «Seinfeld» zahlt man aktuell jährlich 100 Millionen US-Dollar.

Netflix startete nicht ohne Grund ein werbegestütztes Projekt: Das Unternehmen sammelt riesige Erfahrungen, wie viele Millionen (oder gar Milliarden?) an Werbeumsatz jährlich reinkommt. Zwar mögen die Fans durchaus genervt sein, wenn ein Film unterbrochen wird, aber Spots bei Live-Übertragungen sind seit Jahren Gang und Gäbe. Man kann also durchaus davon ausgehen, dass Netflix im Jahr 2023 das eine oder andere kleine Sportrecht abschließt. Dann wird sich zeigen, ob sich das Investment lohnt.
01.12.2022 12:13 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/138515