Die Kritiker: «Harter Brocken – Das Überlebenstraining»

Der Survivaltrip mitten im Wald ist eigentlich ein Geburtstagsgeschenk. Ein Trip, auf dem Stadtmenschen lernen sollen, wie man in der Wildnis überlebt. Dumm nur, dass aus dem Trip bald blutiger Ernst wird, denn zwei Teilnehmer sind nicht das, was sie vorgeben zu sein.

Stab

REGIE: Buket Alakuş
DREHBUCH: Benjamin Hessler
MUSIK: Tobias Wagner
CASTING: Marc Schötteldreier
SCHNIT: Andreas Radtke
BILDGESTALTUNG: Andreas Höfer
PRODUZENTIN: Lynn Schmidt
DARSTELLER: Aljoscha Stadelmann, Anna Fischer, Moritz Führmann, Sabrina Amali, Hassan Akkouch, Annila Blendl, Lion Russell Baumann, Karoline Bär
Hauptdarsteller Aljoscha Stadelmann hat mit der Darstellung des Dorfsheriffs Frank Koop aus der niedersächsischen Provinz die Rolle seines Lebens gefunden. Die Figur des unterschätzten Kleinstadtpolizisten ist dem bulligen Schauspieler aus Wuppertal auf den Leib geschrieben. Da sitzt der anständige Gesetzeshüter vor seiner kleinen Wache, in Jeans gekleidet, das Hemd unvorschriftsmäßig weit geöffnet, genießt die Stille und die Langweile – und dann passiert es. Mal kommt eine Fälscherin des Weges, mal nutzen Rocker sein beschauliches Provinzkaff für einen Waffendeal. Mit Terroristen hat er es bislang allerdings noch nicht zu tun gehabt, auch wenn Zarah und Adam aus üblichen Schemata herausfallen. Beide arbeiten für eine der Bundesrepublik nicht gerade freundlich gesonnenen – Regierung? In der Pressemeldung zum Film werden die beiden als Militärspione beschrieben. Was nicht ganz falsch ist. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in der Mitte: In ihrer fiktiven Heimat wären sie wahrscheinlich bei einem Erfolg ihrer Mission Helden und Freiheitskämpfer, hierzulande würde man sie wohl eher als Terroristen betrachten. Eines ist Zarah auf jeden Fall: Eine Mörderin. Ohne mit der Wimper zu zucken, ermordet sie den Manager eines Rüstungsunternehmens, um an eine Waffe zu gelangen, die es nun heißt außer Landes schmuggeln zu müssen. Das Problem: So kaltblütig sie im Moment des Mordes handeln mag, geplant war der Mord nicht. Tatsächlich hat sich Zarah nicht nur als Angestellte zuvor das Vertrauen dieses Managers erarbeitet, sie war auch seine Geliebte. Doch manchmal sind es Kleinigkeiten, die einen wunderbaren Plan ins Wanken bringen – und so tötet Zarah den Mann.

Noch aber ist der Plan nicht gescheitert. Zarah und ihr Komplize Adam sind im Besitz der Waffe, um die es ihnen geht: Es handelt sich um ein Mini-EMP-Waffe, die in einem Umkreis von mehreren Hundert Metern die Stromverbindung unterbrechen kann. Die Waffe hat noch keinen Käufer; sie ist ein Prototyp und weil sie noch niemand wirklich besitzt, hat ihr Volk gegenüber ihren Unterdrückern zum ersten Mal einen Vorsprung im Kampf um Gerechtigkeit. Das Problem: Um aus Deutschland herauszukommen, müssen die beiden einen kleinen Flughafen im Harz erreichen – eigentlich handelt es sich um eine Wiese, auf der Kleinflugzeuge landen können. Da die Straßen überwacht werden, müssen die beiden durch einen nicht kartografierten Wald und da bietet es sich an, sich einer Survival-Game-Truppe anzuschließen, deren Anführerin den Weg durch den Wald kennen dürfte.

Allerdings gehört der Gruppe auch Frank Koop an. Der hat Geburtstag und er hasst Geburtstage, Geburtstagsfeiern oder Geburtstagsgeschenke. Aber was soll er tun, wenn seine besten Freunde ihm eine Freude machen wollen? Notgedrungen nimmt er also an diesem Trip teil, der bedauerlicherweise bald außer Kontrolle gerät, bleibt die Identität von Zarah und Adam doch nicht lange geheim.

Die Inszenierung des inzwischen siebten Koop-Krimis bleibt vergleichsweise ernst. Humor gehört immer auch zu den Ingredienzen der Kriminalfilme rund um den schlunzigen niedersächsischen Dorfpolizisten, in diesem Film aber wird der Humor doch in sehr, sehr kleinen Dosen eingesetzt. Stattdessen entwickelt sich eine überraschende Beziehung zwischen Koop und Zarah. Nach einer Eskalation bietet sich Koop de facto also Geisel an. In den Gesprächen, die er mit Zarah führt, offenbart sich eine nicht zu verleugnende Sympathie des Polizisten für die Idealistin Zarah, ohne, dass Koop vom Stockholm Syndrom heimgesucht würde. Die Faszination der Figur des Frank Koop besteht darin, dass die beiden Seelen, die in seiner Brust schlagen, einander nie im Wege stehen. Koop mag ein Schlunz sein, der nur seine Ruhe sucht und Dienstvorschriften auch mal Dienstvorschriften sein lässt. Aber Koop ist auch ein guter Polizist, der, wenn es drauf ankommt, seinen Job geradlinig ausübt. Wenn er Zarah Sympathie entgegenbringt, weil er die Sache, für die sie kämpft, als Mensch unterstützen mag, ist da trotzdem immer noch der Polizist Koop, der die Gefahr, die von der jungen Frau und ihrem Begleiter ausgeht, nie aus den Augen verliert. Bei aller Sympathie für ihre Sache, sind die beiden immer noch Mörder, die nicht davor zurückschrecken, Menschenleben kaltblütig auszulöschen, wenn sie dies ihrem Ziel – hier: der Flughafen – näher bringt.

«Harter Brocken: Das Überlebenstraining» ist ein Thriller, der leider ein wenig Zeit braucht, bis er endlich sein Tempo findet. Nach dem Mord an dem Waffenproduzenten, verläuft sich die Spannung im Unterholz des Waldes und verliert sich immer wieder in Nebensächlickeiten, die für die tatsächliche Handlung nicht von Belang sind. Es braucht über die Hälfte der Spielzeit, bis tatsächlich jene Atmosphäre entsteht, die man gemeinhin „Spannung“ nennt. Es ist der Moment, in dem Koop sein Pfund gegenüber Zarah und Adam ausspielen kann: Er kennt den Wald, er ist bereit zu kooperieren, sie brauchen ihn.

Fazit: Der siebte Film der Reihe «Harter Brocken» bietet anständige Krimikost, hätte aber etwas mehr Tempo vertragen können.

Am Samstag, 5. November 2022, 20.15Uhr, Das Erste
04.11.2022 11:47 Uhr  •  Christian Lukas Kurz-URL: qmde.de/137994