Susanne Bormann: ‚Der Stoff richtet sich weitestgehend an ein jüngeres Publikum‘

In der ZDFmediathek ist die neue Serie «Another Monday» zu sehen. Mit der Hauptdarstellerin sprach Quotenmeter über Time Loops.

Hallo Frau Bormann. Vielen Dank für Ihre Zeit! Sie spielen die Hauptrolle in der neuen ZDFneo-Serie «Another Monday». Was unterscheidet diese Zeitloop-Serie von «Und täglich grüßt das Murmeltier?
Im Gegensatz zu bisherigen Zeitloop-Formaten nimmt «Another Monday» das Phänomen ernst und erzählt eher subtil. Klar, ziehen sich die Mystery-Ebene und auch ein wunderbar trockener Humor durch die Serie. Gleichzeitig spielt sich aber ein Ehedrama ab und die Serie geht recht realistisch der Frage nach, wie sich das eigentlich anfühlt, wenn die Welt von heute auf Morgen Kopf steht und alles erschüttert. Welcher Mensch willst du sein, wenn die Welt, wie wir sie kennen, aus den Fugen gerät? Was für ein Mensch wirst du sein, wenn nichts mehr so ist, wie es einmal war? Außerdem traut sich die Serie, Frauenfiguren jenseits der klassischen Klischees zu zeigen: Freya zum Beispiel ist nicht unbedingt auf den ersten Blick zugänglich oder gefällig. Ungeschminkt und pur, in dem Sinne nackt, traut sie sich vors Publikum und wir dürfen sehen, wie sie an ihrer Mutterrolle scheitert und dabei nicht immer zu 100 Prozent sympathisch ist. Die Figur trotzdem so zu erzählen, dass wir ihr gerne folgen, das war die spannende Aufgabe für uns.

Sie verkörpern Freya und wollen aus Ihrem Leben ausbrechen. Doch die Zeitschleife führt dazu, dass Sie immer wieder im Ehebett aufwachen. Wird mit jedem neuen Tag der Ausbrechversuch raffinierter?
Anfangs werden ihre Versuche immer verzweifelter und aberwitziger. Irgendwann setzt dann sogar eine gewisse Routine in dem ganzen Irrsinn ein. Sie akzeptiert das Phänomen und muss erkennen, dass sie weder vor ihrer Vergangenheit noch der Gegenwart fliehen kann und der Loop zwingt sie, sich all dem zu stellen, wovor sie am liebsten weglaufen möchte - vor ihrer Familie, vor sich selbst und der Frage: Gibt es ein Leben nach der Schuld?

Scheinbar ist die Welt stark unterteilt: Menschen wie Freya, denen die Zeitschleife bewusst ist, und denen, deren Gedächtnis gelöscht wird. Kann man das so sagen? Welcher Gruppe gehört Ihr Mann Malte an?
Malte gehört nicht zu den „Erwachten“, für ihn beginnt jeder Montag wie zum ersten Mal. Was für Freya natürlich schwierig ist: sie redet beispielsweise endlich Tacheles mit ihrem Mann und im nächsten Moment landet sie wieder mitten im Liebesakt mit ihm und er weiß von nichts.

Eine Zeitschleife – ist das nicht die Horrorvorstellung von Leben?
Absolut. Wir Menschen streben ja nach Entwicklung. Aber stecken wir nicht auch oft genug im Hamsterrad fest, auch ohne Zeitschleife? Viele Menschen sind in immer gleichen Routinen gefangen.

Bereits seit 2017 entwickelten Maximilian Baumgartner und Oliwia Strazewski «Another Monday». Wie lange sind Sie schon in das Projekt involviert?
Die Castings für das Projekt waren im letzten Sommer, vorher war ich nicht involviert.

Die Regisseure Esther Bialas und Nathal Nill sagten, sie möchten die Geschichten weitererzählen. Eignet sich «Another Monday» für eine zweite Staffel? («Another Tuesday»?)
Absolut. Die Grundidee für die zweite Staffel ist sehr spannend, ich kann hier aber nicht viel zu sagen, weil ich dann auch das Ende der Staffel vorweggreifen müsste.

Das wollen wir an dieser Stelle natürlich nicht. Sie wirkten in dem Ed-Herzog-Film «3½ Stunden» mit. Der Film bekam tolle Kritiken. Wie war Ihr Medienecho?
Mich hat wirklich gefreut, zu merken, dass wir heute anders über DDR-Geschichte reden können, als noch vor 20 Jahren. Ambivalenter, menschlicher. Das war auch in den vielen spannenden Interviews spürbar, die ich zu dem Film führen dufte. Die innere Zerrissenheit zwischen Ideal und Wirklichkeit, an der ich viele Menschen habe verzweifeln sehen in der DDR, wird auch in diesem Film deutlich und hat auch bei den Journalisten einen Nerv getroffen. Es wurde zum Beispiel durchaus positiv aufgenommen, dass der Film mit meiner Figur auch eine Frau zeigt, die hinter der Utopie der DDR steht, ohne dass sie automatisch die Dumme oder Böse sein muss. Im Gegenteil.

Trotz Streamingdiensten erreichte «3½ Stunden» über viereinhalb Millionen Fernsehzuschauer. Freut Sie, dass der Film im Hochsommer vergangenen Jahres zum Hit wurde?
Ja, sehr. Ich bin überzeugt, dass die DDR-Zeit noch so viele nicht erzählte Schätze an Geschichten birgt. Ein Staat, wo viele Menschen jeden Tag hin- und hergerissen waren, zwischen persönlicher Integrität und Kooperation mit der Gesellschaft, dem Staat. In dem so vieles auch anders, ambivalenter war, als man es sich das von außen betrachtet vorstellt. Für Deutsche aus dem ehemaligen Osten fühlt es sich, glaube ich, manchmal so an, dass es das Land, in dem sie aufgewachsen sind, einfach nicht mehr gibt. Und dass damit auch ein Teil ihrer Lebensrealität und Identität einfach ausgelöscht ist. Und dass von der anderen Seite auch kein so großes Interesse an ihren Geschichten besteht, noch dem Motto: war ja eh ein Unrechtsstaat und damit hat sich’s. Der Erfolg von «3½ Stunden» hat bewiesen, dass dem nicht so ist.

Die DDR-Geschichte ist meiner Meinung nach bei weitem noch nicht aufgearbeitet, es gibt bisher wenige Filme, die sich in einer Weise damit auseinandersetzen, die nicht plakativ und stark vereinfacht ist. Ich glaube, dass es zum Verständnis der Lebensrealität und der Prägung der ostdeutsch sozialisierten Menschen beitragen könnte, wenn dieser Abschnitt unserer Geschichte nicht so ignoriert würde, sondern mehr Bestandteil unserer Filme wird.

Kommen wir zurück zu «Another Monday», das bei ZDFneo am Dienstag und Mittwoch mit jeweils drei Folgen ausgestrahlt wird. Die Reichweiten werden überschaubar sein, ist der Stoff für die ZDFmediathek produziert worden?
Ich denke, ja. Der Stoff richtet sich weitestgehend an ein jüngeres Publikum, das nicht mehr so sehr dem linearen Fernsehen folgt. Auf der anderen Seite wurde die Serie extra nochmal im Schnitt angepasst, um zur Primetime laufen zu können auf Neo. Da gelten dann andere FSK-Kriterien.

Sie spielen seit Ihrem achten Lebensjahr Theater und Schauspiel. Hatten Sie einen Plan B?
Physiotherapie. Körperliche Heilungs- und Entwicklungsprozesse interessieren mich auch nach wie vor. Aber ich bin sehr glücklich und dankbar, dass Plan A so gut aufgegangen ist.

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

«Another Monday» läuft am Dienstag und Mittwoch jeweils um 20.15 Uhr bei ZDFneo. Die gesamte Serie kann bereits in die Mediathek gestreamt werden.
11.10.2022 11:15 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/137367