«Nope» - Nicht noch ein Alien-Film

Mit «Get Out» hatte Jordan Peele ein Horror-Mystery-Meisterwerk geschaffen. Kann er nach fünf Jahren einen weiteren Hit kreieren?

Der Trailer zu «Nope» ist verheißungsvoll und löst in jedem das Bedürfnis aus, diesen Film unbedingt sehen zu müssen. Da wird bereits viel angedeutet, allein die bewölkten Nachtbilder lösen eine unheimliche Stimmung aus. «Nope» - ein Mystery-Thriller, in dem es um mehr geht? Wer aufpasst, entdeckt im Trailer sogar kurz den Umriss einer fliegenden Untertasse. Das kann nur eins bedeuten: Aliens! Nun gut, Geschöpfe aus dem Weltraum sind immer ein Garant, um die Kinokassen füllen zu können. Doch diesmal heißt der Regisseur Jordan Peele, der seit seinem fulminanten Regiedebüt «Get Out» (2017) als neuer Mystery-Meister gefeiert wird, was er auch schon mit seiner zweiten Regiearbeit «Wir» wieder unterstreichen wollte, und es jetzt mit «Nope» ein weiteres Mal versucht. Horror-Elemente hat Peele auch diesmal wieder eingebaut, denn ihm scheint es generell um Gänsehaut auslösende Stimmungsmache zu gehen. Wird da aber letztendlich mehr versprochen als gehalten werden kann?

Watch the Sky!
Als der Vater durch eine Fünf-Cent-Münze, die aus dem Himmel direkt in sein Auge schoss, getötet worden ist, müssen seine Kinder Otis (Daniel Kayuula) und Emerald Haywood (Keke Palmer) die Pferderanch in Kalifornien allein betreiben. Bruder und Schwester richten Pferde für Filmarbeiten in Hollywood ab. Doch die Tiere verhalten sich immer öfters irritiert, hinzu kommen merkwürdige Wetterphänomene und unerwartete Stromausfälle. Otis entdeckt eines nachts eine Wolke, die sich anscheinend nie bewegt und immer an der gleichen Stelle steht. Mit Hilfe von Überwachungskameras wollen Otis und Emerald Beweise sammeln, dass hier etwas nicht stimmen kann. Außerdem könnte man mit so einer Sensation ins Fernsehen kommen und gar berühmt werden. Mit ihrer Euphorie eines vielleicht bevorstehenden Besuchs von Außerirdischen stecken sie auch den Techniker Angel (Brandon Perea) und den Filmemacher Antlers (Michael Wincott) an, die das Unternehmen mit ihren Expertisen unterstützen wollen. Damit begeben sich jedoch alle vier in höchste Gefahr, denn aus der mysteriösen Wolke bewegt sich etwas heraus, das keine guten Absichten hat.

Viel Lärm um nichts
Wer nun glaubt, in «Nope» würde der Alien- oder Invasionsfilm neu erfunden werden, wird schon bald eines Besseren belehrt. Jordan Peele bedient sich vieler Versatzstücke, die man aus ähnlich gelagerten Filmen wie «Unheimliche Begegnung der dritten Art» (1977) von Steven Spielberg oder «Der Tag, an dem die Erde stillstand» (1951) von Robert Wise kennt, ohne aber auch nur in die Nähe dieser Klassiker zu kommen. Denn es dauert und dauert, bis die Handlung an Fahrt aufnimmt. Bis dahin dienen die aneinandergereihten Szenen, in denen Merkwürdiges passiert, hauptsächlich dem Stimmungsaufbau. Das Publikum wird mit gruseligen Phänomenen in einer permanenten Erwartungshaltung gebracht. Was ist hier los? Worum geht‘s? Passiert gleich etwas ganz Schreckliches? Dazu wird mit Nebenschauplätzen wie einem billigen Wildwest-Filmpark, der von einem traumatisierten Ex-Kinderstar (Steven Yeun) geleitet wird, oder einem Filmset mit störrischem Pferd die Handlung noch um einiges ausgewalzt, um ein Gefühl von ‚Alles hat hier eine tiefere Bedeutung‘ zu vermitteln. Als es dann zur langersehnten Konfrontation kommt, ist das sowohl dramatisch als auch filmisch umgesetzt leider enttäuschend. Nun könnte man «Nope» sogar als Abklatsch eines Alien-Films betiteln, aber womöglich geht es dem Regisseur doch um etwas ganz anderes?



Die beste Bestie im Bild
In «Nope» lässt sich bei genauerer Betrachtung doch mehr hineininterpretieren, wenn man will, und zwar bezogen auf das Filmemachen selbst. So wird gleich zu Beginn erwähnt, dass das allererste Bewegbild von 1887 einen afroamerikanischen Jockey auf einem Pferd zeigt. Otis und Emerald seien direkte Nachkommen dieses Jockeys und würden nun ihrerseits Pferde für den Film bezwingen. Auch der von Michael Wincott («Strange Days») gespielte Regisseur hat eine ungeheure Faszination für Aufnahmen brachialer Wildtiere, bei denen sich Kameraleute in direkte Lebensgefahr begeben müssen. Und dann ist da noch der Ex-Kinderstar, der als Knirps mitansehen musste, wie ein amoklaufender Schimpanse vor laufender Kamera die gesamte Filmcrew tötete. All das vereint auch das gefräßige Wesen am Himmel, dass nun unbedingt mit Überwachungs- und Handkurbel-Kameras eingefangen werden muss. Seit die Bilder laufen lernten, ist also eine ungeheure Sensationslust bei den Menschen entstanden. Aliens wären lediglich die nächste Stufe, um dieses Bedürfnis zu befriedigen. Kann «Nope» als versteckte Kritik unserer Sehgewohnheiten verstanden werden, die durch althergebrachte Western-Klischees am Ende sogar ins Lächerliche gezogen werden? So richtig klar wird das nicht, und was bleibt ist ein Film der Täuschung. «Nope» ist nicht wirklich spektakulär, sondern mit seinen aufgesetzten Ungereimtheiten und Anspielungen eher überladen.

Fazit: Western-, Horror- und Science-Fiction-Film in einem, doch letztlich wird keines der Genres richtig befriedigt. Mit Stimmung wird auf Spannung gesetzt, aber genau die fehlt, um von «Nope» vollends gefesselt zu werden.

«Nope» kann im Kino geschaut werden.
15.08.2022 11:18 Uhr  •  Markus Tschiedert Kurz-URL: qmde.de/136198