Philippinen-Wahl: Geschichtsklitterung in den sozialen Medien

Über Umwege ist der Sohn des ehemaligen Machthabers Ferdinand Marcos wieder an die Macht gekommen. In den sozialen Medien wurde in den vergangenen Wochen ein harter Wahlkampf geführt. Eine politische Schlacht, wie sie sich Donald Trump wünschen würde.

Es war die Ruhe vor dem Sturm: Am Montag wählten die 109 Millionen Einwohner der ehemaligen spanischen und späteren amerikanischen Kolonie, der Republik der Philippinen nicht nur einen neuen Senat und ein neues Repräsentantenhaus, sondern auch einen neuen Präsidenten. Das offizielle Endergebnis wird erst Ende Mai 2022 erwartet, da die Einwohner auf über 7.000 verschiedenen Inseln leben.

Dabei sind die Inhalte des neuen Präsidenten fast ähnlich. 31 Millionen Stimmen erhielt Ferdinand Marcos Junior, der damit doppelt so viele Wähler abgriff, wie seine Herausforderin Leni Robredo (Bild). Während der bisherige Präsident Rodrigo Duterte noch „Bauen, bauen, bauen“ ausrief, hat der Sohn des ehemaligen Machthabers ein riesiges Infrastrukturprogramm geplant. Das ist ein wichtiges Ziel, das auch bei der Bevölkerung super ankommt, da die Inseln im Dezember 2021 ein riesiges Desaster erlebten. Der Taifun Rai, dort bekannt als Odette, zerstörte viele Orte. 737 Millionen US-Dollar an Sachschäden sind vergleichsweise mit westlichen Katastrophenmeldungen gering. Doch das liegt eher an den einfacheren Verhältnissen, in denen die Menschen in den Regionen Siargao, Visayas, Sulusee und schließlich Palawan leben, wo der Tornado wütete.

Die Philippinen haben zahlreiche private Fernsehstationen, aber auf dem Land – und vor allem nach den Wirbelstürmen – sind immer noch viele Menschen von HD-Fernsehen und Medienunternehmen wie ABS-CBN abgetrennt. Das wichtigste Tool ist für die vielen Philippinerinnen und Philippiner das Smartphone, mit dem täglich über vier Stunden in den sozialen Medien gesurft wird. Überregionale Tageszeitungen spielen in dem Land inzwischen eine untergeordnete Rolle, die meisten der Einwohner schnappten sich ihre Informationen von Facebook und Konsorten.

Das sind Zustände, vor denen Medienexperten schon immer gewarnt hatten. In Deutschland sind beispielsweise viele Politiker bei Twitter unterwegs, in den Vereinigten Staaten von Amerika wurde Wahlwerbung ausgespielt, die vor allem Donald Trump nutzte. Das Eldorado der Geschichtsklitterung fand tatsächlich in den vergangenen Wochen auf den Philippinen statt. Nur einzelne überregionale Blätter wie die „Süddeutsche“ nahmen sich dem Thema vor der Wahl an. Stattdessen konzentrierten sich die Fernsehnachrichten und die überregionale Presse auf die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine.

Dass Marcos Junior, 64 Jahre alt, zuvor Gouverneur, Kongressabgeordneter und Senator, auf den sozialen Medien Fake-News veröffentlichte, zog an den Deutschen ahnungslos vorbei. Viele Philippiner gehen seit Jahren ins Ausland, unter anderem 19.000 nach Deutschland. 82 Prozent davon sind weiblich, heiraten deutsche Männer – einige können bis heute nur englisch und ihren lokalen Slang. Familienangehörige, die das Land verlassen haben, versorgen ihre Familie nicht etwa mit politischen Informationen, sondern mit Barmitteln.

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Einwohner die Wahlwerbung und „politischen Statements“ auf TikTok, YouTube und Facebook glauben. Marcos und sein Team wissen: Mit regelmäßigen, hochprofessionellen Videos wird dort gelogen, dass sich die Balken biegen. Die Zeit der Ausbeutung, unter seinem Vater, haben die jungen Philippiner ohnehin nicht erlebt. Der Präsidentenanwärter, dessen neue Rolle sicher ist, mied öffentliche Auftritte, stellte sich keinen Journalisten zur Rede. Stattdessen kontrollierte er alles, was er von sich gab.

Bereits Präsident Duterte war für die Einwohner kein Glücksfall. Einst glückliche politische Entscheidungen, die die Absetzung von Marcos Vater im Jahr 1986, der dann ins Exil auf Hawaii ging, die Begrenzung des Präsidentenamtes auf sechs Jahre, eine neue Verfassung und eine freie Presse wurden teilweise zurückgenommen. Marcus Junior werde sich nicht für die Taten seines Vaters entschuldigen.

Doch auch der bisherige Präsident Rodrigo Duterte führte das Land eisern und setzte auf populäre Methoden. Auf den Philippinen startete einst der Krieg gegen die Drogen und mit der außergerichtlichen Tötung vermeintlicher Konsumenten kassiert man Prozente, da die Bevölkerung sich nie ernsthaft mit den Problemen auseinandersetzte. Die Philippinen erfuhren einen Wahlkampf von den die westlichen Staaten Angst haben. Das ehemalige, von den USA besetzte Land, möchte nur eines: „Make the Philippines great again“.
11.05.2022 11:00 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/134231