«The Dropout»: Für ein bisschen Blut

Die Serie von Elizabeth Meriwether wurde mit Spannung erwartet. Doch im internen Ranking, der Skandal-Biografien belegt die Serie aktuell nur den letzten Platz.

Fast jeder großer Streamingdienst arbeitet derzeit einen Wirtschafts-Skandal auf. Bereits im Februar 2022 startete «Inventing Anna» bei Netflix. Die Serie aus der Feder von Shonda Rhimes verfügte über hervorragende verfasste Drehbücher und hatte mich Anna Chlumsky und Julia Garner auch zwei tolle Frauen vor der Kamera. Es folgte «WeCrashed» im März bei AppleTV+, in dem Jared Leto und Anne Hathaway die WeWork-Betrüger verkörperten. Am 20. April folgte die Serie «The Dropout» von Elizabeth Meriwether, der Erfinderin von «New Girl», die nicht das Niveau ihrer Kollegen halten konnte.

Die Miniserie stammt von 20th Television und Searchlight Television, es wurden acht Episoden produziert. Im Mittelpunkt der Serie steht Elizabeth Holmes, hervorragend verkörpert von Amanda Seyfried, die zuletzt trotz Filmen wie «Mank», «Things Heard & Seen» oder «Mamma Mia! Here We Go Again» unter dem Radar lief. Einst startete Sie mit Filmen wie «Girls Club – Vorsicht bissig!» durch, doch ihre Strahlkraft in den vergangenen Jahren hatte erheblich abgenommen. Da war die Geschichte um Holmes natürlich ein gefundener Game-Changer, denn damit katapultierte sich die Schauspielerin zurück in die Riege der angesagtesten Stars.

Die Hauptheldin (oder Anti-Heldin) Elizabeth Holmes brach ihr Studium an der Stanford University ab, um ihr Unternehmen Theranos aufzubauen. Bereits im Jahr 2003 versuchte sie die gängigen Verfahren für die Blutabnahme an den Unterarm-Venen durch einen Stich in den Finger mit deutlich weniger Blut zu revolutionieren. Doch was große Pharma-Unternehmen nicht auf die Beine stellen konnte, soll ein Startup aus dem Silicon Valley schaffen. Mehr noch: Holmes glaubte wohl, so verspricht es die Serie, über 70 verschiedene Tests mit nur ein paar Milliliter des roten Goldes herzustellen.

Schon mit der Startup-Gründung gab es Einzelne, die das gesamte Unternehmen in Frage stellten. Doch Holmes, in diesem Fall Amanda Seyfried, ließ ihren Charme spielen, um den vormaligen US-Außenminister George Schulz in den Aufsichtsrat zu locken. Es folgten weitere Top-Leute wie Henry Kissinger und Ende 2015 auf dem Höhepunkt und vor dem Knall, steckte sogar News-Corp.-Chef Rupert Murdoch in das Unternehmen.

Der Disney+-Abonnent kann zwischen Realität und Fiction bei «The Dropout» nicht unterscheiden. Hierzulande wurde der Fall von Elizabeth Holmes kaum in der Gesellschaft debattiert. Daher ist es nur schwer zu erkennen, welche Teile der Geschichte von den Verantwortlichen hinzugedichtet wurden. Ohnehin krankt die achtteilige Miniserie an einem offensichtlichen Problem: Das Format ist in zwei Teile aufgebaut: Die Geschichte, wie Holmes zu einem weiblichen Steve Jobs (Apple-Gründer) wurde und wie das Unternehmen letztendlich zum Fallen kam. Die ersten vier Episoden hätte man problemlos auf eine Folge zurechtkürzen können, denn die Drehbücher von Meriwether, Matt Lutsky, Hilary Bettis und Dan LeFranc beschäftigen sich mit unwichtigen Nebenschauplätzen. Doch das bessert sich im Laufe der Staffel. Dennoch wirkt es schon etwas chaotisch, bei einer Miniserie mit drei unterschiedlichen Regisseuren und acht unterschiedlichen Autoren zu arbeiten.

Die Auswahl der Co-Stars hingegen ist beeindruckend: «Lost»-Gesicht Naveen Andrews (spielte Sayid) hat sich völlig gewandelt, «Shameless»-Alkoholiker William H. Macy überzeugt und Professorin Phyllis Gardner (Marie Metcalf) kann einen harten Hund verkörpern. Selbst «The Big Bang Theory»-Co-Star Kevin Sussman (Stuart) erkennt man kaum wieder. Im zweiten Part der Serie bekommen Anne Archer (Charlotte Shultz), Dylan Minette (Tyler Shultz), LIsaGay Hamilton (Judith Baker vom Wall Street Journal) und Ebon Moss-Bachgrach (John Carreyrou, ebenfalls vom WSJ) deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Das ist auch wichtig für «The Dropout», denn die Heldenverehrung von Elizabeth Holmes in den ersten Folgen ist anstrengend. Schließlich weiß der Zuschauer schon, dass die Geschichte in einem Drama endet und die Firma Theranos nie ein funktionierendes Gerät herstellen kann. In Sachen Synchronisation hat sich die Disney-Gruppe übrigens keinen Gefallen getan, denn das gesamte Ensemble hat neue Stimmen erhalten.



Während bei «Inventing Anna» die Protagonistin eigentlich keinen wirklichen Schaden anrichtet, sondern Freunde ihr immer wieder blind Geld leihen und Anna Sorokin „nur“ versucht, von Investmentbanken hohe Kredite für ein Geschäftsprojekt zu bekommen, sieht es bei «The Dropout» anders aus. Wäre sie Elon Musk, hätte sie ihre Stiftung wohl umsetzen können. Anders ist der Fall bei Elizabeth Holmes, die wusste, dass ihre Geräte nicht funktionierten. Die Drama-Serie, die auf dem gleichnamigen ABC News Podcast hört, baut erst eine Heldenstory auf, ehe sie diese zerbrechen lässt. Doch Holmes ist schon davor nicht etwa der rettende Engel der Medizin, sondern ein böser Drache. Es wird getrickst und es insofern auch verwunderlich, dass bei einer 800-köpfigen Unternehmen nicht viel früher eine Person ausgepackt hat. Elizabeth Holmes muss ins Gefängnis, Amanda Seyfried könnte hingegen einen Emmy als beste Schauspielerin bekommen. Das wäre für beide Seiten verdient.

Fazit: «The Dropout» hat große Schwächen in Sachen Storytelling, die Serie unterteilt sich in zwei Stücke. Wie das junge Mädchen zu dem wird, was sie ist und schließlich der zweite Part, der den sukzessiven Absturz des Unternehmens zeigt. Wie zahlreiche andere Beispiele ist auch «The Dropout» eine Serie, die deutlich gekürzt werden könnte. Die Produzenten entschieden sich allerdings für eine Acht-Stunden-Variante ihrer Serie und bekamen deshalb auch nur ein mittelmäßiges Produkt zustande.

«The Dropout» ist bei Disney+ zu sehen.
11.05.2022 12:44 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/134115