«Morbius» - Marvels Vampir im Anflug

Jared Leto, der derzeit auch in der Apple-Serie «WeCrashed» zu sehen ist, verkörpert Dr. Michael Morbius, der an einer Blutkrankheit leidet.

Vor genau 100 Jahren flatterte der erste Vampir der Filmgeschichte auf die Leinwand. «Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens» von Friedrich Wilhelm Murnau war eine inoffizielle Adaption des Romans „Dracula“ von Bram Stoker. Dracula kam dann erst 1931 auf die Leinwand mit Bela Lugosi, der dem berühmtesten aller Blutsauger das unverkennbare Aussehen mit schwarzem Umhang gab. Unzählige Male kehrte Dracula ins Kino zurück und beeinflusste sicherlich auch die Comiczeichner des Marvel-Verlags, wo man 1971 einen weiteren Gegenspieler für Spider-Man suchte. Das war die Geburtsstunde von Morbius. Nach «Venom», ein weiterer Bösewicht in den «Spider-Man»-Comics, der im letzten Jahr bereits seinen zweiten eigenständigen Kinofilm mit Tom Hardy bekam, wird nun auch «Morbius» filmisch zum Leben erweckt. In der Hauptrolle: Jared Leto, der sich auch schon für andere Filme transformierte und es auch privat liebt, sein Äußerliches zu ändern. Der perfekte Darsteller für das Doppelleben des Dr. Morbius.

Die heilende Kraft des Blutes
Schon seit seiner Kindheit leidet Dr. Michael Morbius (Jared Leto) an einer seltenen Blutkrankheit, die ihn zwingt, auf Krücken gehen zu müssen. Um den weiteren Verfall seines Körpers und damit den baldigen Tod aufzuhalten, versucht er, um ein Heilmittel zu finden. Erst als der gedemütigte Wissenschaftler die DNA von Menschen mit der von Fledermäusen kreuzt, stellt sich bei einem Selbstexperiment ein Erfolg ein. Dr. Morbius spürt eine unglaubliche Kraft und sein kranker Körper erstrahlt plötzlich zur Adonis-Figur. Allerdings hat das Elixier fatale Nebenwirkungen: Morbius entwickelt sich dabei zu einem blutgierigen Vampir, der tötet. Damit nicht genug: Als sein alter Leidensgenosse Milo (Matt Smith) davon Wind bekommt, beklaut er Morbius trotz dessen Warnung über die Folgen und verwandelt sich in ein noch schrecklicheres Ungetüm, dass sich nicht mehr bändigen lässt, während Morbius es gelernt hat, seine beiden ‚Persönlichkeiten‘ zu kontrollieren.

Ein düsteres Szenarium
Während die «Venom»-Filme in ihrer brachialen Verherrlichung auch immer etwas Makabres haben, das der Aufheiterung dient, schlägt Regisseur Daniel Espinosa, der zuletzt mit dem Science-Fiction-Film «Life» auf den Spuren von «Alien» wandelte, sehr viel düstere Töne an, die ins Melancholische gehen. Er stellt unvermittelt fest, dass es sich bei Morbius um eine tragische Figur handelt. Es ist die vielleicht sogar traurigste Gestalt, die sich Spider-Man zum Feind gemacht hat, weil sich Morbius zwischen Gut und Böse bewegt. Insofern kämpft Spider-Man in den Comics mal mit und mal gegen Morbius, im Film taucht die Spinne aber gar nicht auf. Der einzige Verweis auf die bisherigen «Spider-Man»-Filme mit Tom Holland in der Titelrolle erfolgt über Michael Keaton als Adrian Toomes alias Vulture, eine Figur, mit der er bereits 2017 in «Spider-Man: Homecoming» aufgetreten ist. Man darf gespannt sein, welche Schurken Sony Pictures sonst noch aus dem Hut zaubern wird, um sie in Spin-Offs vorzustellen. Mit Black Cat, Silver Sable und Kraven the Hunter sollen sich schon weitere in Planung befinden. Vielleicht um sie dann in einem finalen Film alle gemeinsam gegen Spider-Man antreten zu lassen?



Comicverfilmung mit Horror-Zutaten
Jared Leto, der für seine Rolle eines Transsexuellen in «Dallas Buyers Club» 18 Kilo abnahm, dafür den Oscar bekam und sich zuletzt für «House of Gucci» bis zur Unkenntlichkeit in den dicklichen Paolo Gucci verwandelte, gibt sich wirklich Mühe, den Zwiespalt seiner Figur herüberbringen. Aber der letzte Tropfen Sympathie fehlt dann doch, um von seinem Schicksal wirklich ergriffen zu sein. Ein Antiheld, der Gut und Böse in sich vereint, hat es in einer Comic-Welt womöglich schwerer, ernst genommen zu werden. Denn so ganz in die Tiefen der Psyche kann so ein Film dann doch nicht gehen, wenn an der Oberfläche das Spektakel dominieren muss. Das es ständig kracht und knallt, erwarten Fans nun mal von einer Materialschlacht - das verbindet man inzwischen nun mal mit einer Comicverfilmung. Um dann doch noch etwas anders zu machen, baut Daniel Espinosa etliche Horror-Elemente ein, die uns erschauern lassen sollen. Aber auch das gelingt nur halbgar, weil sich auch dieses Genre nicht neu erfinden lässt und sich immer wieder die gleichen Knöpfe drücken lassen, mit denen das Publikum in abgenutzte ‚Angstzustände‘ versetzt werden sollen. Gewiss bekommt man mit «Morbius» alles, was Comicverfilmung, Horror-Thriller und Drama verlangen, aber leider nichts darüber hinaus.

Fazit: Im Grunde genommen ist „Morbius“ nur eine weitere Variante von „Dr. Jekyll & Mr. Hyde“. Allerdings zu einem effektvollen Reißer verpackt, der auch zum Gruseln einladen soll.

«Morbius» läuft aktuell im Kino.
25.04.2022 12:29 Uhr  •  Markus Tschiedert Kurz-URL: qmde.de/133596