«Star Trek: Picard»: Staffel 2-Kritik – Das gefährliche Spiel mit den Zeitreisen

Gleich zwei von Picards größten Widersachern, Q (John de Lancie) und die Borg treffen in den Auftaktepisoden der zweiten Staffel auf einen sichtlich gealterten Admiral.

Das Allheilmittel für interessantes und insbesondere unbedarftes Geschichtenerzählen im aktuellen Star-Trek-Universum, scheint Produzent Alex Kurtzman folgend, die Zeitreise zu sein. Hat «Discovery» bereits vorgemacht, wie man sich erzählerisch aus der Schlinge zu ziehen versucht, wenn Kontinuitätsprobleme und allzu detailliertes Befassen mit dem Quellmaterial auf einfachste Weise umgegangen werden wollen, schlägt Picard mit Staffel zwei in dieselbe Kerbe. Während bei «Discovery» die Zukunft das Ziel war, navigiert Picard in die Vergangenheit. Den Produzenten scheint zudem nicht entgangen zu sein, dass es äußerst schwerfällt, dem mittlerweile über 80 Jahre alten Patrick Stewart, der in jeglichen Detailszenen recht wackelig auf den Beinen wirkt, den Weltraumabenteurer glaubhaft abzunehmen, weshalb auch die dritte und finale Staffel von «Picard» im Eiltempo, direkt im Anschluss an die zweite abgedreht wurde.

Zeitreisen sind im gesamten Star-Trek-Universum nichts neues, ihre Relevanz ist im seriellen Erzählformat allerdings eine andere. Während sich die „alten“ Serien mit dem Thema in Episodenform beschäftigten und anschließend wieder in die Gegenwart zurückkehrten, wodurch zurückblickend die Bewertung einzelner Erzählstränge als misslungen oder gelungen bewertet werden kann, liegt nun der Fokus auf staffellangem Erzählen. Die Sinnhaftigkeit und Kontinuität der Zeitreisestoryline hat hierdurch nun Auswirkungen auf die Qualität der gesamten Serie.

Mit Guinan (Whoopi Goldberg) und Q (John de Lancie) bringt die zweite Staffel von «Picard» gleich zwei beliebte Figuren in den ersten beiden Folgen der Serie zurück und legt den Fokus klar auf Fanservice. Während der Staffelauftakt viel Zeit mit einem über sein Leben und verpasste Chancen sinnierenden Picard verbringt, um letztlich recht konstruiert die Crewmitglieder, die nach dem Ende von Staffel 1 in verschiedene Teile der Galaxie verstreut wurden, wieder zusammenzubringen, bringt zumindest die Veränderung der Zeitlinie durch Q zum Ende der Folge hin und dem sich wiederfinden in einem totalitären Regime, eine recht unterhaltsame, wenn auch kaum originelle Abwechslung. So amüsant wie ein auf SS-Niveau schreiender Steward auch kurzzeitig sein kann, macht sich die Crew aus Jurati (Alison Pill), Seven (Jeri Ryan), Raffi (Michelle Hurd) und Rios (Santiago Cabrera) sowie der Hilfe einer Borg-Königin bereits zum Ende der Folge hin auf den Weg in die Vergangenheit, um die alte Gegenwart wieder herzustellen.

«Star Trek: Picard» kann sich glücklicherweise auf eine recht sympathische Crew, deren Mitglieder allesamt mit individueller, detaillierter Persönlichkeitszeichnung punkten und einen zumindest schauspielerisch immer noch hervorragenden Patrick Steward verlassen, denn die Handlung wirkt leider wie aufgewärmter Kaffee und dürfte mit dem Ziel einen Status quo wiederherzustellen auch kaum Neues für Star Trek Fans mit sich bringen. Visuell ist die Serie weiterhin überzeugend umgesetzt und dürfte zudem mit der Reise ins 21. Jahrhundert einiges an CGI-Budget sparen.

«Picard» glänzt trotz einem narrativ äußerst holprigen Staffelstart in seiner zweiten Staffel mit dem Fokus auf seine Protagonisten. Es macht den Anschein als wolle man mehr Wert auf ein Charakterdrama legen und zumindest etwas von der Science-Fiction Dominanz des Universums abweichen, auch um die Fehler der deutlich inkohärenten Premierenstaffel nicht zu wiederholen. Ob eine bessere Balance zwischen beiden Welten funktioniert, muss sich noch zeigen, hierfür dürfen sich die Autoren allerdings nicht mehr allzu viele Ausrutscher leisten.

Die zweite Staffel von «Star Trek: Picard» wird in Deutschland episodenweise seit dem 04. März 2022 bei Amazon Prime Video gezeigt.
13.03.2022 10:55 Uhr  •  Marc Schneider Kurz-URL: qmde.de/133065