Die Kritiker: «Dr. Hoffmann: Die russische Spende»

Dr. Felix Hoffmann ist weder ein Dr. Watson noch ein Dr. Quincy. Dr. Hoffmann ist ein ganz normaler Arzt an einem Krankenhaus in Berlin. Zumindest bis zu jenem Tag, an dem er gezwungen ist, ins Büro seines Chefs einzubrechen und dort direkt eine Leiche findet.

Stab

STAB:
Darsteller: Kai Wiesinger, Isabell Polak, Rainer Strecker, Brigitte Zeh, Julika Jenkins, Wilfried Hochholdinger, Rainer Reiners, Anja Herden, Mark Zak
REGIE: Max Zähle
DREHBUCHAUTOREN: Nils-Morten Osburg, Edzard Onneken
MUSIK: Florian Tessloff
KAMERA: Andreas Doub
Kai Wiesinger ist die ideale Besetzung für diesen Klinikarzt. Der gebürtige Hannoveraner gehört zu den Schauspielern im Land, denen man einen lockeren Stil attestieren würde. Sicher, er kann auch dramatische Rollen spielen, wie er in Filmen wie «14 Tage lebenslänglich» (1997) oder zuletzt «Sarah Kohr: Stiller Tod» immer wieder bewiesen hat. Aber wenn sich eine Geschichte nicht immer ganz ernst nimmt, etwas Selbstironie erkennen lässt, dann blüht Wiesinger sichtlich auf. Das ließ sich deutlich in der von ihm erdachten und konzipierten Webserie «Der Lack ist ab» sehen, die er sich direkt auf den Leib geschrieben hat. Würde man behaupten, auch die Rolle des Dr. Felix Hoffmann sei ihm auf den Leib geschrieben worden, man würde es glauben, obschon es nicht der Wahrheit entspricht. «Dr. Hoffmann: Die russische Spende» basiert auf einem Roman gleichen Titels von Christoph Spielberg aus dem Jahr 2001.

Eigentlich möchte Felix Hoffmann nur einen Abend mit seiner Nachbarin, der Lehrerin Celine, verbringen. Zusammen schauen sie sich einen Krimi an und Felix amüsiert sich über Celines Eifer, mit dem sie das Drehbuch zerpflückt, sich über Ungereimtheiten in der Geschichte aufregt und überhaupt den Machern kein gutes Zeugnis ausstellt. Da wird der Film für Felix zur Nebensache. So hat er sich den Abend vorgestellt. Bis das Telefon klingelt. In der Notaufnahme seiner Klinik ist ein Kollege ausgefallen. Das war es mit dem Ausspannen. Felix fährt in die Klinik und schiebt eine außerplanmäßige Nachtschicht. Nach einer ganz normalen Nacht in der Notaufnahme eines eher kleineren Krankenhauses, endet diese mit dem tragischen Tod eines jungen Mannes. Er ist schon tot, als er in Felix' Behandlungsraum geschoben wird. Was Felix in diesem Fall besonders mitnimmt und die professionelle Distanz etwas verlieren lässt: Er kennt den jungen Mann flüchtig. Der Ukrainer hat für eine Reinigungsfirma im Haus gearbeitet und vor einigen Wochen hat Felix ihn schon einmal behandelt. Seinerzeit ist er stark alkoholisiert in eine Schlägerei geraten. Dass er ein Alkoholproblem hatte, war unübersehbar. Felix' Kollegin, die den Toten als Notärztin noch versorgt hat, tippt auf eine Alkoholvergiftung. Alle Anzeichen sprechen dafür. Doch Felix stören einige Kleinigkeiten, daher bittet er seine Kollegin, den Totenschein unterschreiben zu dürfen. Während seine Kollegin nämlich keine Lust auf den Papierkram hat, den eine Autopsie mit sich bringt, ist Felix bereit, diesen Schriftkram auf sich zu nehmen. Seiner Ansicht nach nämlich steht die Todesursache noch keinesfalls fest.

Als Felix sich später nach dem Untersuchungsbericht erkundigt, muss er jedoch erfahren, dass es keine Autopsie gegeben hat. Die Leiche ist darüber hinaus bereits abtransportiert worden und der von Felix unterschriebene Totenschein mit der Bitte einer weiterführenden Untersuchung, der ist weg. Dafür hat sein Chef einen neuen Schein unterschrieben, auf dem nicht mehr von einer unbekannten Todesursache die Rede ist.

Das alles kommt ihm ziemlich seltsam vor. Er weiht seine Nachbarin in die Angelegenheit ein, die ihn überzeugt, dem Fall weiter nachzugehen, denn: Das stimmt doch alles hinten und vorne nicht. Felix kann eine Blutprobe des Verstorbenen auftreiben, die allerdings in Bezug auf ihre Herkunft mehr Fragen als Antworten bietet. Da er nun endgültig nicht mehr weiter weiß, lässt er sich von Celine tatsächlich dazu überreden, ins Büro seines Chefs einzubrechen, um sich dort nach Unterlagen umzuschauen, die möglicherweise Lichts ins Dunkel bringen können. Dumm nur, dass sie im Dunkel des Büros die Leiche des Klinikchefs finden, der offenbar Selbstmord begangen hat (und in den letzten Tagen schon etwas nervös wirkte).

Die reine Inhaltsangabe suggeriert, dass es sich bei «Dr. Hoffmann: Die russische Spende» um einen geradlinigen Thriller über möglicherweise illegale Machenschaften in einer Vorstadtklinik handelt. Das ist nicht verkehrt, es ist allerdings nur ein Teil der Wahrheit, denn der dramatischen Geschichte steht ein lockerer Ton in der Inszenierung gegenüber, der immer wieder Raum für Selbstironie schafft und nicht selten das Gefühl aufkommen lässt, als hätten Wiesinger und seine Filmpartnerin Isabell Polak ihre Szenen vor Ort improvisiert. Selten hat man in einem deutschen TV-Krimi zwei Filmpartner so locker miteinander agieren sehen. Überhaupt sind es die Hauptfiguren, die diesen Film tragen. Obwohl beide zu Beginn Unbekannte sind, wirken sie dennoch von Anfang an vertraut. Sie sind die Nachbarn von nebenan: sicher beide ganz gut situiert, aber weder Celine noch Felix sind Charaktere, die aus der Masse hervorstechen würden. So ist es auch gar nicht der Titelheld, der die Geschichte vorantreibt, es ist Celine, die nicht locker lässt. Tatsächlich ist Felix Hoffmann eben, wie bereits eingangs erwähnt, kein Arzt auf einer Mission oder ein Moralist, der für das Gute kämpft. Felix ist ein ganz normaler Krankenhausarzt, der rein zufällig in einen Kriminalfall hineinstolpert. Sämtliches Wissen um die Vorgehensweise in kriminalistischen Ermittlungen bringt denn auch Celine mit, deren Wissen nur bedauerlicherweise auf unzähligen Kriminalfilmen basiert, die sie in ihrem Leben geschaut hat. Filmen, die nicht zwingend mit der Realität der Kriminologie korrespondieren.

Im Reigen all der traumatisierten Ermittler der deutschen Fernsehlandschaft und all den einsamen Wölfen in einer grausamen Welt, ist dieser «Dr. Hoffmann» eine erfrischende Abwechslung. Dass die Story dieses Filmes einige wundersame Haken schlägt, sei ihr verziehen, da die Regie schlau genug ist, dies alles mit einem Augenzwinkern umzusetzen, ohne sich dabei in Selbstironie zu verlieren. Die Handlung nimmt sich ernst, wenn dies notwendig ist, sie nimmt sich aber die Freiheit zur Selbstironie, wenn die Geschichte ihr dies erlaubt.

Bislang sind sieben Kriminalromane rund um die Figur des Felix Hoffmann erschienen. Der letzte 2019. Material für weitere Verfilmungen liegt also erst einmal genug vor. Man darf gespannt sein.

Am Donnerstag, 17. Februar 2022, 20.15 Uhr, Das Erste
16.02.2022 12:00 Uhr  •  Christian Lukas Kurz-URL: qmde.de/132492