«Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull»: Ein liebenswerter Lügner

Starregisseur Detlev Buck interpretiert den Schelmenroman von Thomas Mann mit Jannis Niewöhner neu.

Thomas Mann (1875-1955) zählt zu den bedeutendsten deutschen Schriftstellern des letzten Jahrhunderts. 1954 erschien sein unvollendeter Roman „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“, der bereits zwei Jahre nach Manns Tod von Kurt Hoffmann (1910-2001) verfilmt wurde. Damals spielte der junge Horst Buchholz (1933-2003) die Titelfigur und ebnete sich damit den Weg zu einer erfolgreichen internationalen Filmkarriere. Erika Mann (1905-1969), die Tochter des verstorbenen Autos, nahm maßgeblich Einfluss auf die Verfilmung, die teilweise von der literarischen Vorlage abwich. 64 Jahre später nahm sich nun Detlev Buck («Asphaltgorillas») den Roman nochmals an. Zusammen mit Koautor Daniel Kehlmann («Nebenan») nahm er sich dabei eigene Freiheiten heraus, um die gegen Ende des 19. Jahrhunderts spielende Geschichte über einen liebenswerten Lügner für das jetzige Publikum neu zu interpretieren. Entstanden ist ein amüsanter Kostümfilm, der mit Jannis Niewöhner («Kids Run»), Liv Lisa Fris («Babylon Berlin»), David Kross («Krabat»), Joachim Król («Der bewegte Mann») und vielen anderen prominent besetzt ist.

Als Page in Paris
Felix Krull (Jannis Niewöhner) ist bürgerlich geboren worden. Sein Vater war Hersteller von billigem Schaumwein, der im Ruin endete und sich das Leben nahm. Seitdem lebt Felix mit der Mutter in eher bescheidenen Verhältnissen, was der Jüngling aber schnell abändern will. Er fühlt sich zu Besseren berufen und reist nach Paris, um als Page in einem Luxushotel den Schönen und Reichen möglichst nahe zu sein. Mit gutem Aussehen und charmantem Auftreten beglückt und bestiehlt er Madame Houpflé (Maria Furtwängler). Er nennt sich nun Armand und arbeitet sich bis zum Oberkellner hoch. Auch seine Freundin Zaza (Liv Lisa Fries) träumt davon, reich zu sein. Felix weiß auch schon wie. Er will sie mit dem Marquis Louis de Venosta (David Kross) verkuppeln, der sich natürlich sofort Hals über Kopf in Zaza verliebt. Dumm nur, dass die Eltern des Marquis ganz andere Pläne mit ihm vorhaben. Er soll die Welt kennenlernen und eine lange Reise antreten. Der Marquis fürchtet jedoch, dadurch Zaza zu verlieren. Was aber, wenn ein anderer unter den Namen Marquis Louis de Venosta in die Ferne reisen würde? Und Felix weiß auch schon, wer dieser andere sein könnte.

Held aus niedriger Herkunft
«Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull» ist ein sogenannter Schelmenroman, wo es darum geht wie ein Held aus niedriger Herkunft schafft, sich mit Cleverness und krimineller Energie in höhere Schichten zu gelangen und sie damit quasi verhöhnt. Eine Gesellschaftssatire aus alten Zeiten, die aber auch heute noch anwendbar wäre, seitdem die Kluft zwischen Arm und Reich in den letzten Jahren kontinuierlich wieder so viel größer geworden ist. Dabei wird uns dieser Felix Krull als Lebenskünstler vorgestellt, der den ihm vorgezeichneten Weg entkommen will und seine ‚gottgegebenen Gaben‘ nutzt, um für sich das Beste zu gewinnen. Daher ist uns dieser Antiheld trotz einiger gewiss moralisch verwerflichen Fehltritte nie unsympathisch, und es scheint, als wäre Jannis Niewöhner wie vor ihn schon Horst Buchholz dafür geboren wurde, diese Rolle eines Tages zu spielen. Ja, man nimmt ihn diesen verführerischen Lügner, der ein Gespür dafür hat, auf Menschen einzugehen und ihnen mit seinen Charaden das zu geben, wonach sie sich sehnen, schlichtweg ab. Somit lebt diese Verfilmung in erster Linie ganz klar durch seinen Hauptdarsteller. Mit Charme und Witz tänzelt Niewöhner mal in Liftboy-Uniform, mal im Frack durch das luxuriös gestaltete Ambiente, und man schaut ihm dabei gern zu.



Serenade zu dritt
Die Inszenierung von Detlev Buck versprüht also Leichtigkeit, auch in dem Versuch, der eigentlich antiquierten Geschichte über Klassenunterschiede gegen Ende des 19. Jahrhunderts einen modernen Anstrich zu geben - mit klarer Erotik, einer ‚Serenade zu dritt‘ zwischen Felix, Zaza und dem Marquis und einigen anderen Abweichungen vom Original. Das alles lässt sich dann auch noch schön ansehen. Denn bei Kostümen und Kulissen wurde geklotzt, nicht gekleckert. Das Publikum wird in diese vergangene Welt entführt und von ihr auch verführt. Es entsteht ein Bild der Heiterkeit – mehr aber auch nicht, denn der angestrebte Verweis auf die Gegenwart, der Grund, diesen Felix Krull für die Generation von heute erneut zum Leben zu erwecken, kommt nicht wirklich zum Tragen. Der sozialkritische Blick mit kritischer Schwere bleibt klein - wohl auch, um «Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull» nicht zum Sozialdrama umzukrempeln mit der Erkenntnis, dass sich in den letzten 120 Jahren wohl doch nicht so viel verändert hat. Wäre das zu plump gewesen und hätte das der Feingeistigkeit des Romans gestört? Wahrscheinlich! Somit muss einmal mehr herausgestellt werden, dass materielle Gier und menschliches Verlangen nicht im Einklang zu bringen sind. Geld oder Liebe? Und die Frage, ob sich ein jugendliches Publikum mit dieser Thomas-Mann-Neuadaption hinterm Ofen hervorlocken lässt.

Fazit: Eine groteske Geschichte nach Thomas Mann, die im vorletzten Jahrhundert angesiedelt ist und von Detlev Buck munter entstaubt wurde. Daraus ist ein unterhaltsamer Kostümfilm über Träume, Täuschungen und Tabus entstanden, der Spaß macht, aber auch nicht mehr.

«Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull» ist im Kino zu sehen.
22.09.2021 12:10 Uhr  •  Markus Tschiedert Kurz-URL: qmde.de/129370